Was wir denken, denken wir mit Google. Was wir wissen, wissen wir durch Google. Und egal, wo wir hingehen: Google kommt mit. Und wird von Tag zu Tag mächtiger. Ich würde gern wissen, ob der IT-Konzern wirklich so unverzichtbar für den Alltag ist, wie man denkt. Und da man ja bekanntlich erst nach einer Trennung merkt, was man verpasst hat, übe ich mich eine Woche lang in einer Google-Abstinenz.

Als ich (natürlich vor dem Entzug) google, was alles zu Google gehört, wird mir klar, dass auch Youtube, Gmail und die Karten-App für sieben Tage tabu sein werden. Verdammt. Ich fange dann am Montag an. Macht man doch so bei Diäten.

Auf geht's!

Ersatzmittel scheinen diese Woche äußerst wichtig zu werden. Ich sitze gerade mal 15 Minuten vor dem Laptop, als ich schon den zweiten Kaffee geext und die dritte Zigarette geraucht habe. Man muss so einiges beachten, wenn man ohne Google leben will: Das fängt beim Wechseln von Browser und Startseite an und geht mit den morgendlichen Ritualen weiter. Ich habe bislang nicht mal zur Kenntnis genommen, dass Google eines davon ist: Wenn ich beim Frühstück den Safari-Button auf meinem Handy drücke, tippe ich mich für gewöhnlich über ein Stichwort auf die gewünschten Seiten. Und wähle damit automatisch den Umweg über Google.

Google ist also so etwas wie der Türsteher für das Internet. Ein ziemlich netter zwar, weil er jeden reinlässt - aber seine Besucher dennoch nicht weniger auscheckt. Heute schleiche ich mich vorbei, indem ich die ganze URL oben eingebe. Oder eher eingeben muss, damit Google mich nicht sieht.

Ich sage nur so viel: die Woche war hart. Aber auch lehrreich. Hier habe ich meine wichtigsten Beobachtungen zusammengefasst.

Ich bin aufmerksamer

Als ich einen Uni-Kollegen, der etwas außerhalb wohnt, zum Lernen besuchen will, muss ich erst mal eine Karte rauskramen. Eine alte, verstaubte Karte aus Papier, wohlgemerkt. Da ich mich schon damals vom Rücksitz aus gefragt habe, wie Mama unsere Urlaubsroute darauf entziffern konnte, wird das mit mir und der nicht-sprechenden Karte natürlich nichts. Dafür frage ich mich bei fremden Leuten auf der Straße durch - und ernte skeptische Blicke. Einer grinst, ob mein Handy-Akku leer sei. Bei der Dame, die ich bitte, mir den restlichen Weg zu erklären, scheine ich jedoch einen Nerv getroffen zu haben. Sie freut sich, ihr Wissen anzubringen. Während sie wild vor sich hin gestikuliert, macht sie den Eindruck, dass sie am liebsten selbst mitfahren würde, um mir gleich noch ein paar nette Anekdoten zu ihrem Dorf mit auf den Weg zu geben. Ich höre aber auch so gespannt zu wie lange nicht mehr. Ich bin schließlich auf ihre Hilfe angewiesen. Die Strecke kenne ich jetzt jedenfalls so gut, dass ich es beim nächsten Mal auch ohne fremde Hilfe schaffe.

Mir rennt die Zeit davon

Weil meine Google-Diät genau in der Klausurphase liegt, werde ich gezwungenermaßen zum Bücherwurm. Schnelle Begriffserklärungen sind nicht mehr - dafür die geballte Ladung Wissen aus den dicken Brocken der Fachliteratur. Das sorgt teils für Aha-Momente, lässt mich aber überwiegend mit dem Gedanken spielen, alle Regale der Uni-Bib zu stürzen, weil zu viele Autoren sich in ellenlangem, wissenschaftlichem Gefasel verheddern und ich schon wieder vergesse, was überhaupt meine Frage war. Ich komme nicht weiter und sehne mich das erste Mal so richtig nach einer Suchmaschine. Hätte man noch zwei Wochen Zeit zu lernen, wäre man mit den Büchern allumfassend vorbereitet, aber wird man die je überhaben?

Ich fühle mich unbeobachtet

Nein, ich will nicht mit der Neuen von meinem Ex befreundet sein. Ich wollte sie nur mal googlen, um mir zu beweisen, dass ich besser bin als sie. Das habe ich gemacht, als ich noch wütend war, jetzt bin ich schon viel weiter: Ich verdränge. Und würde auch gern ihren Namen vergessen. Nur lässt das Internet das nicht zu und schlägt mir immer wieder eine Facebook-Freundschaft mit ihr vor. Die Google-Suche holt einen irgendwann wieder ein. Nicht nur bei Angelegenheiten mit dem Ex, sondern auch, wenn das Konto zu Monatsanfang im Plus, und der Wille, weiter für die Traumreise zu sparen, stark ist. Weil das in den seltensten Fällen wirklich klappt, bleiben einem drei Wochen später nur noch die Pauschalkracher-Anzeigen im Internet, die einem das eigene Scheitern zusätzlich unter die Nase reiben. Doch diese Woche ist das anders: Meine alten Anfragen tauchen zwar immer noch auf, es kommt aber nichts Neues dazu, das meiner Laune in die Quere kommen oder mich zum Kaufen verführen könnte. Google gehen die Infos aus.

Ich habe weniger Spielraum, Dinge aufzuschieben

Weil ich mein Gmail-Konto nicht checken darf, versuche ich, mich an alle wichtigen Termine und Besprechungen in den Mails zu erinnern und die Leute direkt anzurufen. Ich bringe auf diesem Weg vieles leichter über die Bühne als bei dem sonst endloslangem Hin- und Her-Gemaile. Und: ich mache mir endlich einen Account bei einem Musikstreaming-Dienst. Das wollte ich schon seit Ewigkeiten machen, habe mich aber irgendwie trotzdem weiter mit der Youtube-Musik und den ewig gleichen Liedern auf meinem Handy rumgeschlagen - einfach aus Bequemlichkeit. Obwohl es sich doch eigentlich viel befreiender anfühlt, endlich auch mal Dinge von der To-do-Liste zu streichen.

Fazit

Es ist schwer, ohne etwas zu leben, das in der Gesellschaft schon so tief verankert ist wie Google. Ganz darauf zu verzichten, kommt aber auch gar nicht mehr in Frage: In Sekundenschnelle Wissen abfragen zu können und, bevor man losfährt, die schnellste Route nach Hause zu notieren - das hat schon seinen Wert. Googles attraktivstes Accessoire bleibt seine Schnelligkeit, die ich aber nicht gleich auf meinen gesamten Alltag übertragen will. Außerdem machen wir uns etwas vor, wenn wir meinen, Google und seine Tools nur für banale Dinge zu benötigen. Wenn dem so wäre, hätte ich mich diese Woche nicht so stark konzentrieren müssen. Und da Wissen ja bekanntlich Macht ist, sollte man einem Unternehmen mit wirtschaftlichem Interesse, das Google nun mal hat, eben nie zu viel Informationen schenken.