Eine Dreiecksbeziehung mit Status Es-ist-kompliziert. Seit Jahrhunderten streiten sich Spanien und Großbritannien um Gibraltar. Am Wochenende gingen nun Gerüchte über einen drohenden Krieg um.

Was ist dran? Wer hat die Gerüchteküche zum Brodeln gebracht? Wir geben Antworten.

1. Warum gehört Gibraltar zu Großbritannien und nicht zu Spanien?

Gibraltar liegt im Süden Spaniens. Kennt ihr vielleicht noch aus dem Geounterricht – Stichwort: Straße von Gibraltar. Nicht einmal 40.000 Menschen leben auf dem 6,5 Quadratkilometer großen Zipfel.

Immer wieder kämpften Flotten verschiedener Nationen um das Gebiet. 1704 eroberten allerdings die Engländer Gibraltar. 1713 wurde der Landabschnitt formell von Spanien an Großbritannien abgetreten. Seither steht er unter der Souveränität des Vereinigten Königreichs – wird aber regelmäßig von Madrid zurückgefordert.

2. Ist Gibraltar als britische Enklave vom Brexit betroffen?

Ja. Im Gegensatz zu den anderen britischen Überseegebieten ist Gibraltar Teil der EU. Da Großbritannien diese verlassen will, muss Gibraltar mit. Auch wenn 96 Prozent (!) der Bewohner*innen von Gibraltar bei der Abstimmung um den Brexit für den Verbleib in der EU stimmten.

Vergangenen Mittwoch wurde der offizielle EU-Austritt ausgelöst. In den von EU-Ratspräsident Donald Tusk verschickten Verhandlungsleitlinien an die verbleibenden 27 Mitgliedstaaten hieß es: "Wenn das Vereinigte Königreich die Union verlässt, darf kein Abkommen der EU mit dem Vereinigten Königreich ohne Einverständnis zwischen dem Königreich Spanien und dem Vereinigten Königreich auf das Gebiet von Gibraltar angewandt werden."

Das heißt: Bei den Brexit-Verhandlungen soll nun Spanien ein Vetorecht bei Entscheidungen über Gibraltar bekommen. Die spanische Regierung zeigte sich darüber zufrieden. Im Vereinigten Königreich und Gibraltar selbst stieß der Entwurf hingegen auf heftige Kritik. Denn auch wenn die Einwohner*innen dort in der EU bleiben wollen, fühlen sie sich mehr Großbritannien als Spanien zugehörig, auch wenn das Königreich die EU verlässt.

Wie gesagt: Es ist kompliziert.

Am Montag meldete sich Gibraltars Premierminister Fabián Picardo zu Wort. In einem Interview mit dem britischen Nachrichtensender Sky News kritisierte er den EU-Ratspräsidenten Donald Tusk und verglich ihn mit einem, wie er es ausdrückte, von der Scheidung gebeutelten Ehemann, der den Streit auf die Kinder abwälze. Gibraltar fühle sich von Spanien diskriminiert – und die EU lasse das zu. Gibraltar werde weder ein politisches Pfand noch Opfer beim Brexit werden, sagte Picardo.

3. Hat hier jemand Krieg gesagt?

Jein. Der Streit um Gibraltar schwelt schon lange, doch die Möglichkeit eines Krieges brachte der frühere Vorsitzende der Konservativen Partei Michael Howard ins Spiel. In einem Interview sagte Howard, er halte es für möglich, dass Premierministerin Theresa May zu einem Krieg bereit wäre, um Gibraltar zu verteidigen. Um seine Behauptungen zu stützen, zog er das Beispiel des Falkland-Kriegs heran: "Vor 35 Jahren hat eine andere Premierministerin [Anm. d. R.: Margaret Thatcher] ein Einsatzkommando um die halbe Welt geschickt, um die Freiheit einer kleinen Gruppe Briten [auf den Falklandinseln] gegen ein anderes spanisch-sprechendes Land [Argentinien] zu verteidigen."

Von der oppositionellen Labour-Partei wurden Howards Aussagen als aufhetzerisch kritisiert. Die Liberalen Demokraten bezeichneten es als unglaublich, dass nur wenige Tage nach der EU-Austrittserklärung über einen möglichen Krieg gesprochen werde.

In einem Telefonat versprach Premierministerin Theresa May hingegen Fabián Picardo, bei den Brexit-Verhandlungen das bestmögliche Ergebnis für Gibraltar herauszuholen. Sie werde es nicht zulassen, dass Gibraltar gegen den Willen der Einwohner*innen unter Kontrolle Spaniens gerate.

4. Wie geht's weiter?

Wie es in der Dreiecksbeziehung weitergeht, wird auf einem Sondergipfel in Brüssel am 29. April geklärt. Dabei sollen die Staats- und Regierungschefs der verbleibenden EU-Staaten die Verhandlungsleitlinien beschließen.

Für Gibraltar geht es beim Brexit um viel: Pro Jahr kommen etwa zehn Millionen Menschen, um dort Urlaub zu machen. Auch die niedrigen Steuersätze locken viele Finanzinstitute, Versicherungen und andere Unternehmen an. Wie sich der Brexit auf die Landzunge auswirken wird, bleibt offen.