Die Ergebnisse der jüngsten YouGov-Studie über das politische Meinungsbild von Jugendlichen sind eindeutig: Viele interessieren sich für Politik, debattieren in ihrer Freizeit mit Familie und Freund*innen darüber – von den Regierenden fühlen sie sich aber nicht vertreten. Das ist ein Spannungsfeld, in dessen Zentrum schließlich verschwendetes Potenzial steckt. Denn gerade die jungen Menschen als tragende Säule der Gesellschaft müssen doch für Politik begeistert werden. Und zwar nicht erst, wenn sie mit dem Eintritt ins Wahlalter für die Politiker*innen interessant werden.

Auch ich als angehender Politiklehrer stehe in der Pflicht, junge Menschen für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Partizipation zu begeistern. Ihnen zu vermitteln, warum unsere Staatsform gut ist, für den Erhalt und die Legitimität des Systems zu sorgen, Vertrauen zu schaffen – das biedere Leben eines Staatsdieners halt. Dennoch sind das wichtige Aufgaben, gerade in Zeiten, in denen vor allem die AfD grundlegende Prinzipien wie die Gleichheit aller Menschen infrage stellt.

Aber ist es den Schüler*innen zu verdenken, wenn sie aus vollkommener Apathie und Resignation die Entwicklungen im Parlament und darüber hinaus in entpolitisierten Instagram- und Snapchat-Bubbles an sich vorbeiziehen lassen? Nicht wirklich, ihnen es nicht gleichzutun fällt immer schwerer. Das zeigt mir vor allem diese Legislaturperiode. "Ab morgen kriegen sie richtig in die Fresse", pöbelte SPD-Chefin Andrea Nahles noch kurz nach der Wahlschlappe, um einige Monate später – Bätschi! – zum Wohle der doch zustande gekommenen Großen Koalition im Fall Maaßen der maximalen Demütigung durch die Union und vor allem Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) zuzustimmen.

Nicht nur, dass die flexible Auslegung von Werten und Prinzipien ein völlig falsches Signal, ja mitunter vielleicht eine pädagogische Katastrophe auslöst. Dass sämtliche Standpunkte über Bord geworfen werden, um doch immer weiter unterzugehen, und dass wichtige Themen wie die Rentenpolitik – wenn überhaupt – kleineren Kurskorrekturen unterzogen statt zukunftsträchtig reformiert zu werden, gipfelt letztlich nur in einem Zuwachs von Politikverdrossenheit. Schlimmer noch: Immer mehr Jugendliche halten die Demokratie nicht für die beste Staatsform.

Was Lehrer*innen tun können

In der Lehramtsausbildung an der Uni beschränkt sich diese Debatte auf das Herunterbeten der sogenannten Bürgerleitbilder, dem heilige Mantra des*der guten Staatsbürger*in. Natürlich soll jede*r Lernende im Idealfall als Aktivbürger*in aus dem Politikunterricht herausgehen, die Welt beobachten, begreifen und bessern. Ein Rezept, wie aus dem theoretischen Anspruch praktizierte Mündigkeit wird, platziert einem das Studium jedoch nicht auf dem Servierteller.

Die Schüler*innen aber deshalb in die politische Lethargie marschieren zu lassen, ist natürlich kein Lösungsansatz, ebenso wenig wie gleich Kampfeslust zu spüren und gegen die Politik – schlimmstenfalls noch pauschalisierend – zu wettern. Das verbietet einem nicht nur die qua Diensteid abgelegte Unparteilichkeit im Unterricht, sondern schlicht und ergreifend das pädagogische Ethos.

Ein wenig Schauspielerei gehört einfach ins didaktische Repertoire."

Die Schule ist keine Bühne für politische Reden. Von sich aus müssen die Schüler*innen ihre Stimme erheben. Dazu dürfen Lehrer*innen aber durchaus in die Zauberkiste der Provokationen greifen und betonen, wie richtig doch diese oder jene Entscheidung gewesen sei, um Reaktionen in Lerngruppe zu erregen – auch wenn man persönlich natürlich völlig anderer Meinung ist. Ein wenig Schauspielerei gehört einfach ins didaktische Repertoire. Damit kommt man weiter als man denkt. Man stelle sich vor, wie die Reaktionen in einer migrantisch geprägten Klasse wären, stimme man als Lehrkraft Horst Seehofers geistigen Erguss, die Migration sei die Mutter aller Probleme in Deutschland, zu: Auf keinen Fall würden die persönlich angegriffenen Heranwachsenden nickend die Entgleisungen des Innenministers gutheißen, sondern zu einem Gegenangriff ausholen. Und hoffentlich ansprechen, dass solcherlei Debatten vollkommen von tatsächlichen Problemen ablenken.

Urteilsbildung ist das A und O im Politikunterricht. Im Vordergrund muss stehen, die Schüler*innen zu kritischem Denken anzuregen. Die traurige Realität kann den Schüler*innen dazu immerhin als Negativbeispiel dienen. Mehr noch: Sie dazu animieren, Lösungsvorschläge zu erarbeiten, mit ihnen zu diskutieren, wie eine bessere, gerechtere Welt aussehen könnte und ihnen klar machen, dass sie genau das erreichen können. Ob parteipolitisch oder in sozialen Bewegungen wie im Bündnis "Seebrücke". Lehrer*innen müssen nämlich stets im Hinterkopf behalten: Wir bilden dort genau diejenigen aus, die uns in einigen Jahren regieren werden.