Bei all dem Konsumrausch, Tassen voll Glühwein und den ganzen Plätzchen, die wir in uns hineinstopfen, vergisst manch eine*r, dass längst nicht jede*r in Deutschland Weihnachten feiert. Doch obwohl das Fest – dessen Anlass für Christ*innen die Geburt Jesu ist – immer weniger traditionell begangen wird, stecken doch viele christliche Motive in den Feiertagen. In anderen Religionen wie dem Islam oder dem Judentum spielt Christi Geburt allerdings keine oder nur eine kleine Rolle. Wir wollten deshalb wissen, was junge Menschen über die Feiertage machen, die kein Weihnachten feiern.

Albina, 20, studiert Sozialwissenschaften in Düsseldorf

Feierst du Weihnachten?

Ich bin muslimisch. Unter Muslimen wird Weihnachten nicht gefeiert.

Übernimmst du Bräuche aus der Adventszeit?

Ob man das einen Brauch nennen kann, weiß ich nicht, aber die Weihnachtszeit bedeutet für mich Spekulatius und Lebkuchen. Ich erinnere mich an meine Kindheit, als es bei uns um die Weihnachtszeit immer Plätzchen gab. Wir haben stundenlang gebacken und dekoriert. Das Backen habe ich mit der Zeit irgendwann abgelegt, das Essen nicht. Heute werden die Kekse eben gekauft. Mit meiner Freundin Anna sehe ich mir auch immer die schnulzigsten Weihnachtsgeschichten im Fernsehen an.

Welche Pendants zu Weihnachten gibt es in deinem Glauben?

Im Islam gibt es zwei große Feste. Zum einen das Eid al-Fitr, das in Deutschland als das Zuckerfest bekannt ist und im Anschluss an den Fastenmonat Ramadan gefeiert wird. An diesem Tag gibt es große Mengen an Süßwaren und man feiert gemeinsam mit Familie und Freunden das Fastenbrechen. Außerdem gibt es Eid al-Adha. Dieses Fest wird zum Höhepunkt der jährlichen Pilgerreise gefeiert. Üblicherweise wird es Opferfest genannt. Vordergründig sind hier das Teilen einer Mahlzeit (oder mehrerer Mahlzeiten) mit Familie, Verwandten, Nachbarn und vor allem bedürftigen Menschen.

Wie verbringst du die Weihnachtsfeiertage?

Während der Weihnachtsfeiertage fahre ich nach Hause zu meiner Familie, die ich auch sonst nur in den Semesterferien sehe. Und ein Wiedersehen mit alten Freunden, Racletteessen und Schlittschuhlaufen stehen auf der Liste.

Mascha, 20, ist Beauftragte für das Nachhaltigkeitsgremium bei der Jüdischen Studierenden Union Deutschlands, aus Essen

Feierst du Weihnachten?

Da ich Jüdin bin, feiern meine Familie und ich kein Weihnachten.

Übernimmst du Bräuche aus der Adventszeit?

Nein, abgesehen von Weihnachtsmarktbesuchen.

Welche Pendants zu Weihnachten gibt es in deinem Glauben?

Häufig fällt Chanukka auf dieselben Tage wie Weihnachten, wie dieses Jahr. Es beginnt am 22. abends und endet am 30. Dezember. Chanukka ist das sogenannte Lichterfest und dauert insgesamt acht Tage. Am ersten Tag wird eine Kerze der Chanukkia – ein neunarmiger Kerzenleuchter – angezündet. Der mittlere neunte Arm nennt sich Schamasch und wird immer als erster angezündet, darauf folgt pro Tag je eine weitere Kerze. Das ist das einzige Gebot, das an diesem Feiertag gilt, wobei es abseits von diesem sehr viele andere Bräuche gibt. Typisch neben dem Entzünden der Chanukkia ist das Spielen mit dem Dreidel (Sevivon auf Hebräisch) – einem vierseitigen Kreisel. Zu essen gibt es Latkes – Kartoffelpuffer, die in Öl getränkt sind –, und Sufganiyot, ein Gebäck, ähnlich wie Krapfen.



Chanukka wird nicht in der Torah erwähnt, da es erst sehr viel später in die jüdische Tradition einging. Es erinnert an die Wiedereinweihung des zweiten jüdischen Tempels in Jerusalem im jüdischen Jahr 3597 (164 v. Chr.) Dass wir dieses Fest feiern, geht auf ein Wunder zurück. Als die Seleukiden (Griechen) nach Jerusalem einmarschiert sind, haben sie den Tempel und alles den Juden Heilige verunreinigt, unter anderem die Ölreserven für das Zünden des siebenarmigen Kerzenleuchters – die Menorah. Das Wunder besteht darin, dass das letzte bisschen Öl, welches übrig geblieben war, für acht Tage ausreichte – obwohl die Ration nur für ein oder zwei Tage hätte reichen sollen.

Wie verbringst du die Weihnachtsfeiertage?

Dieses Jahr trifft sich meine gesamte Familie am 22. Dezember zum Beginn von Chanukka. Am nächsten Tag fahre ich zu meiner jüdischen Freundin nach Hamburg, weil wir gemeinsam am 24. Dezember etwas Wohltätiges tun möchten. Bisher steht noch nicht fest, was genau, aber vermutlich werden wir in einer Suppenküche aushelfen. Am 25. Dezember fahre ich nach Düsseldorf zu einer Chanukka Party. In der Winterzeit finden ansonsten jüdische Ferienfreizeiten statt, sodass sich kein Kind oder Jugendlicher langweilen braucht, auch wenn kein Weihnachten gefeiert wird.

Ayu, 32, ist Projektingenieurin in Berlin

[caption id="attachment_406407" align="alignnone" width="352"] Ayu lebt seit 13 Jahren in Deutschland und genießt besonders die Zeit mit Freund*innen über die Feiertage. Foto: © privat[/caption]

Feierst du Weihnachten?

In meiner Heimat Bali habe ich nie Weihnachten gefeiert, weil ich Hinduistin bin. Aber da viele Tourist*innen zur Weihnachtszeit auf Bali sind, wird dort auch festlich geschmückt.

Übernimmst du Bräuche aus der Adventszeit?

Ich habe einige Bräuche übernommen, seitdem ich in Deutschland lebe. Ich finde es eine schöne Tradition, sich gegenseitig etwas zu schenken, Gänsebraten zu essen und sogar mal in die Kirche zu gehen.

Welche Pendants zu Weihnachten gibt es in deinem Glauben?

In meinem Heimatland haben wir eine Zeremonie, die ähnlich zu Weihnachten ist und am 25. Dezember stattfindet. Wir verbringen Zeit mit der Familie, essen und beten viel und besuchen zahlreiche Tempel. Wir beschenken uns aber nicht gegenseitig.

Wie verbringst du die Weihnachtsfeiertage?

Meine erste Weihnachtszeit habe ich 2006 erlebt. Das war in meinem ersten Jahr in Berlin. Ich habe durch Zufall ein deutsches Paar im balinesischen Tempel in Berlin kennengelernt, die häufig nach Bali gefahren sind. Sie haben mich für Heiligabend zu sich eingeladen. Seitdem sind sie wie eine Familie für mich und wir verbringen oft die Weihnachtszeit gemeinsam. Dieses Jahr werde ich die Feiertage aber zum ersten Mal mit der Familie meines Verlobten verbringen.