Charlotte legt den Kopf schief, sie zögert. "Ja, okay. Wenn ich ehrlich bin, dann habe ich auch geheiratet, weil sich das für mich irgendwie noch eine Ecke sicherer anfühlt. Ich weiß natürlich, dass eine Ehe keine Garantie für eine lebenslange Beziehung ist. Aber ich wünsche mir schon, dass es das jetzt war."

Ich hatte Charlotte gefragt, ob sie sich gewünscht hat, dass ihre Beziehung eine andere Qualität bekommt nach der Hochzeit. Sie schämt sich zwar ein bisschen für diesen Wunsch, er kommt ihr "ein bisschen arg romantisch" vor. Aber sie ist nicht allein damit. Menschen suchen nun mal nach Sicherheit. Das gilt auch für Beziehungen, da ändert selbst der nüchterne Blick auf Scheidungsstatistiken nichts.Diana Boettcher ist Paartherapeutin in Berlin. Sie erläutert im Gespräch, wie wichtig der Faktor Sicherheit gerade beim Eheversprechen ist: "Es gibt eine Sehnsucht danach, als gemeinsame Familie durch das Leben zu gehen. Wir Menschen sind soziale Wesen und brauchen Bindungen zum Überleben. Eine Ehe eingehen zu wollen, entspricht also ganz klassisch dieser Sehnsucht."

Es sind sogar gerade Menschen wie Charlotte, deren Eltern sich vor ein paar Jahren getrennt haben, die solche Hoffnungen mit der Ehe verbinden. Boettcher erklärt, dass jene, die in ihrer Kindheit oder Jugend zerbrechende Bindungen erlebt haben, oft die Sehnsucht verspüren, diese Erfahrung mit einer eigenen sicheren Bindung zu heilen: "Eine Eheschließung kann dann dafür auch Symbol sein, wie ein Stellvertreter." Ein Symbol ähnlich wie der Ehering, der für Treue und Beständigkeit steht.

Nachvollziehbar, dass die Ehe als Sicherheitsversprechen eingegangen wird, aber hat das Eheversprechen auch tatsächliche Auswirkungen auf die Beziehung als solche? Mia ist seit einem Jahr mit ihrer Frau verheiratet, sie meint, dass sich die fünf Jahre alte Beziehung seitdem schon etwas verändert habe: "So anstrengend die Organisation im Vorfeld war, am Tag selbst waren wir einfach total selig und ganz bei uns. Und das hat dann auch eine ganze Weile angehalten. Ich habe mich richtig frisch verliebt gefühlt, es hat sich angefühlt, als wären wir nochmal auf einer ganz anderen Ebene."

Laura ist seit drei Jahren verheiratet, ich frage auch sie, ob sich in der Beziehung etwas verändert hätte. "Nö", meint sie, "auch nicht um den Tag herum, es war nicht so, als hätte das nochmal einen Boost fürs Verliebtsein gegeben. Tut mir leid, aber es hat sich, bis auf die Steuer, einfach gar nichts verändert."

So sollte es laut Paartherapeutin Boettcher auch sein: "Normalerweise sollte ein Trauschein nichts an einer Partnerschaft ändern. Wenn das Paar sicher gebunden ist und warum auch immer heiraten möchte, sollte sich an der emotionalen Bindung nichts ändern."

Zugleich gibt es dennoch immer wieder Menschen, die fest davon überzeugt sind, dass die Ehe sehr wohl Auswirkungen auf die Beziehung hat. Und zwar auch negative. Marc und seine Frau Vera waren acht Jahre zusammen, nach anderthalb Jahren Ehe war die Beziehung am Ende. "Nach der Hochzeit haben wir wieder über Kinder geredet. Ich hatte Vera schon früher gesagt, dass ich keine möchte. Aber sie dachte, dass ich meine Meinung vielleicht nochmal ändern würde. Habe ich aber nicht. Und dann stand mein Nein plötzlich nochmal ganz anders im Fokus. Daran ist letzten Endes unsere Beziehung zerbrochen."

Konflikte brechen auf

Im Fall von Marc und Vera, das ist von außen und im Nachhinein natürlich recht leicht zu sehen, war die Kinderfrage als Konflikt schon vorher angelegt. Die Ehe hat nur den Fokus darauf gerichtet. Eine Beobachtung, die auch Boettcher in ihrer Praxis macht. Konflikte, die schnell nach der Ehe aufbrechen, brechen nicht wegen der Hochzeit auf, sondern weil es diese Konfliktmuster schon vorher gegeben hat: "Vielleicht kommt dann noch ein Stressfaktor hinzu, wie Kinder oder ein Jobwechsel und dann gibt es noch mehr Konflikte."

Ein Problem, das vielleicht von einigen nicht so deutlich gesehen wird, da die Hochzeit mit Trauringen, Sicherheitsversprechen und der – je nachdem – ausschweifenden Romantikzelebration sich durchaus verstärkend anfühlen kann.

Eine Ehe an sich erzeugt nur dann Druck, wenn es einer von beiden so nicht wollte.

Laura kann diese Sicherheitswünsche gar nicht nachvollziehen, für sie ist die Ehe nachgeordnet. Sie gibt der Beziehung lediglich den rechtlichen Rahmen, die Beziehung als solche ist für sie etwas, das von der Ehe gar nicht berührt wird. Für Marc hingegen hat die Ehe als Druckverstärker fungiert. Sie hat den Fokus auf die unterschiedlichen Lebenspläne der beiden gerichtet und so, wie er es sieht, die Beziehung auch schneller beendet.

Ähnlich geht es auch Lila, die seit einem Jahr verheiratet ist und mir im Gespräch rät: "Heirate bloß nie!" Sie und ihr Partner waren drei Jahre glücklich, nun hat er eine Affäre, die beiden wissen derzeit nicht, wie es weitergehen soll. Für Lila ist die Ehe mitverantwortlich für die Affäre, sie meint, seit der Hochzeit hätte ihr Mann ein Gefühl der Enge gespürt, welches er in der Affäre versucht habe, loszuwerden. Als ich Diana Boettcher darauf anspreche, erklärt sie mit Bestimmtheit, dass "Heirate bloß nie!" kein guter Rat ist: "Eine Ehe an sich erzeugt nur dann Druck, wenn es einer von beiden so nicht wollte."

Es gebe natürlich Menschen, die sich mit der Ehe verrennen, die überzogene Erwartungen daran knüpften, aber dabei verwechselten, worum es ihnen eigentlich gehe. Aber eine Eheschließung an sich kann eine Beziehung weder kitten, noch verzaubern, noch ultimativ absichern: "Denn eine Ehe ist ja nicht mit der Hochzeit vorbei. Man wächst, man arbeitet an sich und der Partnerschaft, es ist ein ständiges Kommunizieren und Synchronisieren."

Zusammenfassend lässt sich also sagen: Klar, eine Ehe kann etwas an einer Beziehung verändern. Aber bestenfalls tut sie das eben nicht.

Hier geht es zum ersten Teil unserer Serie zum Thema Heiraten: