Der Film Die Migrantigen spielt mit Ausländer*innen-Klischees. Die Darsteller machten das so gut, dass sogar die Filmförderung darauf reinfiel. Ein Interview mit dem Regisseur über Nutten, Koks und Jogginghosen.Fast hätte es den Film ja gar nicht gegeben. Mehrmals hat Arman T. Riahi um die österreichische Filmförderung angesucht und das Drehbuch umgeschrieben. Er wollte einen Film über zwei Hipster in Wien machen, die scheinbar zu gut integriert sind. Der Inhalt: Benny und Marko sind beide pleite und nicht erfolgreich im Job. Ihr Leben verläuft trostlos, bis eine Reporterin auf sie zukommt und Menschen mit Migrationshintergrund aus dem Viertel sucht. Obwohl sie weder im Viertel leben, noch ihren Migrationshintergrund als wichtig empfinden, mimen sie für die Journalistin die Klischee-Ausländer und bekommen eine eigene Reality-Show.

Die Jury der Filmförderung mochte die Idee, war sich aber nicht sicher, ob die Schauspieler*innen den Film tragen können. Um sie zu überzeugen, musste sich die Crew rund um Arman T. Riahi für den finalen Pitch etwas Besonderes überlegen.

So kam es, dass Arman T. Riahi den seriösen Regisseur spielte, von internationalen Vorbildern im Film erzählte, während die beiden Hauptdarsteller auf Streetkids – inklusive Ausländerklischee – machten. Mit Bomberjacke und Unterhemd saßen sie vor der Jury und unterbrachen den Regisseur andauernd. Die Jury-Mitglieder wurden immer bleicher, fast peinlich berührt.

Am Ende des Sketches verkündeten sie extra für die Rolle Hochdeutsch gelernt zu haben und sprachen plötzlich wieder in ganz normalem Wiener Dialekt – ohne Ghetto-Slang. Die Erleichterung stand den Jurymitgliedern ins Gesicht geschrieben. "Viele dachten bis dahin, wir hätten uns echt Leute von der Straße geholt", erzählt Arman heute und lacht.

Die Anti-Migrationskomödie Die Migrantigen bekam daraufhin die Förderung und ist ab Donnerstag in den deutschen Kinos zu sehen. Der Film spielt geschickt mit Klischees, Vorurteilen und den Medien. Er wird in Österreich bereits als neuer Kassenschlager gefeiert. Wir haben mit dem Regisseur Arman T. Riahi über den Film und Migrationvordergründe gesprochen.
ze.tt: Arman,

wie sehr nervt dich das Wort Migrationshintergrund?

Arman T. Riahi: Es geht mir total auf die Nerven. Aber ich benutze den Begriff leider selbst ständig (lacht).
Du bist mit deinen Eltern in den 1980er Jahren aus dem Iran nach Österreich gekommen. Beeinflusst dich das irgendwie?

Ich bin im Iran geboren und habe natürlich zur Kultur meiner Eltern eine Verbindung. Ich spreche die Sprache und liebe das Essen. Trotzdem bin ich Wiener oder Europäer und nicht Iraner. Es ist immer die Rede vom Migrationshintergrund, aber eigentlich steht er viel zu oft im Vordergrund.
Warum ist das so, glaubst du?

Schwarze Haare, ein Schnauzer oder ein exotischer Name reichen schon aus, damit Leute ständig fragen: Woher kommst du?. Ich antworte dann gerne, dass ich aus dem 15. Wiener Gemeindebezirk stamme. Der Migrationshintergrund sollte nicht das wichtigste Definitionsmerkmal für eine Person sein. Ich mag Fragen nicht, die gestellt werden, nur um zu stigmatisieren. Darum spiele ich gerne mit meinen Antworten.
Was sagst du dann?

Naja, dass ich Tischler bin zum Beispiel. Als Filmemacher und Regisseur würde ich wieder in die Ecke gestellt werden. Generell ist diese Obrigkeitshörigkeit ein großes Problem. Ich bin schon einige Male von der Polizei aufgehalten worden. Sie war meist recht unfreundlich, bis sie auf meinem Ausweis den Titel gesehen haben. Plötzlich war ich der Herr Diplomingenieur und alles gut.

Wie bist du auf die Idee für Die Migrantigen gekommen?

Wir haben den Film vor allem gemacht, weil wir uns schon unser ganzes Leben wundern, wie über Menschen mit Migrationshintergrund berichtet wird: Sie sind immer Opfer oder Täter. Die Nuancen dazwischen sind unsichtbar. Denn Menschen, die sich integriert haben und Teil der Gesellschaft sind, über die wird nicht gesprochen. Genau das wäre aber wichtig, um zu sehen, dass Integration funktioniert.
Wie erklärst du dir das?

Bei den Mehrheitsmedien, die das Narrativ bestimmen, arbeiten viel zu wenige Redakteur*innen mit Migrationshintergrund. Sie würden einen diversen Blick und eine neue Perspektive auf das Thema bieten. Auch hier in Deutschland hat mich bisher zum Film – so weit ich es mitbekommen habe – noch niemand mit Migrationshintergrund interviewt. Das muss man sich mal vorstellen. Solange die Redaktionen nicht diverser werden, wird sich nichts verändern. 

Aber stigmatisiert man Menschen mit Migrationshintergrund dadurch nicht erst recht wieder?

Ich sehe das ähnlich wie die Frauenquote. Natürlich ist es nicht ideal, aber von allein kommen wir sonst an keinen anderen Punkt. Natürlich sollen sie nicht nur über Migrationsthemen schreiben, aber sie müssen erst mal in die Redaktionen rein und auch Positionen erhalten, um Entscheidungen treffen zu können.
Zu Beginn des Filmes spricht Benny für die Rolle eines Wiener Zuhälters vor, angeboten wird ihm aber nur die Rolle des ägyptischen Taxifahrers. Kommt diese Szene aus dem Alltag der Schauspieler*innen?

Viele Szenen sind autobiografisch geprägt. Auch in der Filmbranche arbeiten viel zu wenig Menschen mit Migrationshintergrund. Die bekannten Autor*innen verwenden Stereotype, weil sie Angst haben, etwas falsch zu machen und greifen lieber auf bewährte Rollen zurück. Letztens hab ich wieder einen Tatort gesehen, in dem alle Menschen mit Migrationshintergrund Geflüchtete oder Kriminelle waren. Natürlich gibt es diese Menschen, es gibt auch den arabischen Taxifahrer oder den persischen Teppichverkäufer, aber eben nicht nur.
In Österreich hattet ihr über 65.000 Kinobesuche. Nun läuft die Komödie in Deutschland an. Lässt sich das Problem von Österreich auf Deutschland umlegen?

Ja, ich denke schon. Die Migrantigen wurde in Deutschland auf dem Filmfestival Max-Ophüls-Preis uraufgeführt und war jedes Mal ausverkauft. Deutschland ist was die Inklusion von Menschen mit Migrationshintergrund betrifft viel weiter, kämpft aber trotzdem mit ähnlichen Problemen. Es bleibt natürlich ein Film, der in Wien spielt, was man auch an der Sprache merkt.

Selbes Problem also, nur dass aus dem Tschusch ein Kanake wird?

So könnte man es sagen (lacht).
Was willst du mit deinem Film erreichen?

Ich will die Menschen vor allem unterhalten. Wer einen Hipster sieht, der Tschusch werden will, um endlich eine Rolle als Schauspieler zu bekommen, ist das vordergründig mal witzig.
Hattest du Angst, dass das Spielen mit Stereotypen die Klischees befeuert?

Diese Frage wird mir in Interviews oft gestellt. Aber die Klischees kommen nicht von irgendwo her, sondern wurzeln in der Wirklichkeit und im Alltag. Warum sollte ich so tun, als wären sie nicht vorhanden? Ich spiele lieber mit ihnen.

Arman T. Riahi (Mitte) mit den beiden Hauptdarstellern von "Die Migrantigen"
Fast alle am Set haben Migrationshintergrund. Verarscht ihr euch gegenseitig?

Andauernd. Wenn Aleksandar (Anm.: einer der Hauptdarsteller) irgendwo sitzt und zwei Türen offen sind, spürt er immer gleich einen Zug. Das ist typisch Jugo und das sag ich auch so.
Auch im Film wird viel mit Stereotypen und der Frage, was Ausländer*innen nun ausmacht, gespielt. Im Soundtrack spielt ihr 

Songs wie Ausländer von Mert. Wie wichtig waren euch Details?

Ich liebe Details. Als Vorbereitung auf den Film sind wir viel in Lokalen im Viertel, in dem wir gedreht haben, abgehangen, haben mit Menschen geredet und sie beobachtet. So sind viele Szenen und Ideen entstanden.
Viele Zuseher*innen fordern schon jetzt einen Fortsetzung von Die Migrantigen

Ich wüsste wirklich nicht, um was es darin gehen könnte. Aber angenommen wir bekommen in Deutschland über 200.000 Zuseher*innen, dann überleg ich mir was.
Was könnten Benny und Marko noch erleben? 

Vielleicht hebt man ihre Geschichte auf eine neue Ebene. Und erzählt im Film, dass ihre Geschichte verfilmt wird und Elyas M'Barek und Matthias Schweighöfer sie spielen. So was könnte witzig werden. Ja, das wär leiwand (lacht).

Migration wird im öffentlichen Diskurs ständig als politisches Kleingeld missbraucht."

Warum musste es eine Komödie werden?

Für mich war von Anfang an klar, dass ich zu dem Thema nur eine Komödie mache. Migration wird im öffentlichen Diskurs ständig als politisches Kleingeld missbraucht. Mittlerweile stehen sich sehr verhärtete Fronten gegenüber. Wenn man die Medien verfolgt, bekommt man schnell das Gefühl, man kann nur dafür oder dagegen sein. Um das aufzubrechen, ist Humor der beste Weg.
Warum funktioniert es mit Lachen besser als mit erhobenem Zeigefinger?

Wenn du den Menschen mit Humor den eigenen Spiegel vorhältst, nehmen sie es eher an, als wie wenn du erklärst, dass sie sich scheiße verhalten. Wir gingen im Film mit allen gleich hart ins 

Gericht, das war wichtig. Am Ende haben alle gewonnen und niemand verloren. Wenn wir uns über Castingfirmen oder Journalismus lustig machen, dann kritisieren wir uns ja indirekt auch selbst.

Soll eure Arbeit auch als Vorbild wirken?

Unbedingt. Wir wollen besonders der zweiten Generation von Migrant*innen zeigen, dass sie einen Kinofilm schreiben oder eine Hauptrolle darin spielen können und nicht nur den Taxifahrer.