Es eskaliert. Immer mehr der Horror-Clowns ziehen durch deutsche Städte, wecken dabei Urängste und werden kriminell. Zuletzt gab es allein in Rostock zwei körperliche Angriffe auf Jugendliche. Ein als Clown verkleideter Mensch schlug mit einem Baseballschläger etwa auf eine 19-Jährige ein, ein weiterer ging mit einem Messer auf einen 15-Jährigen los.

Und im niederrheinischen Wesel erschreckte ein Clown eine 48-Jährige, indem er aus einem Busch sprang und versuchte, seine Kettensäge zu starten. Die Frau flüchtete in ihre Wohnung und alarmierte die Polizei.

Es sind Szenerien wie im Horrorfilm. Nur finden sie in der Realität statt. Wir wollten wissen: Was genau stimmt eigentlich nicht mit den Menschen in den Kostümen? Warum machen sie das? Was viele vermuten, stimmt tatsächlich: Die Menschen, die sich als Horror-Clown verkleiden, ihre Spielchen mit Passanten treiben oder zu Gewalt greifen, haben diverse psychische Probleme.

Die typischen Sozialversager

"Die Menschen im Clownskostüm sind die typischen Versager des Lebens", sagt Christian Lüdke, Psychotherapeut und Autor, zu ze.tt. "Solche, die finanziell, sexuell, generell nie einen Anschluss fanden und dadurch völlig ausgelaugt sind."

Sie fühlten sich in ihrem Leben nie wirklich als Individuum wahrgenommen und sehnen sich nach nichts mehr, als nach einem kurzen Moment der Aufmerksamkeit. Den bekommen sie, wenn sie sich in ein Kostüm werfen und Menschen erschrecken können.

"Es ist ein Moment der Allmacht – etwas, das sie nie hatten", erklärt Lüdke. Dazu komme ein großes Maß an krimineller Energie, die in diesen Menschen schlummere. Als Clown verkleidet könnten sie mit möglichst wenig Aufwand großen Schaden anrichten. "Ihr Vorgehen ist dabei sehr durchtrieben, weil sie mit der Doppeldeutigkeit spielen. Clowns sind ja eigentlich etwas Schönes, Witziges, Gutes und sie kehren die Botschaft in etwas Böses um."

Das sei auch ein Spiegelbild ihrer eigenen Persönlichkeit: Durch die Clownsgeschichte wiederholen die Täter ihre eigene Geschichte, sagt Lüdke. "Sie selbst wollten immer als lieb, als gut wahrgenommen werden, sind dabei aber gescheitert. Also versuchen sie den anderen Weg." Was da geschehe, sei ein paradoxer Versuch der Eigentherapie. "Diese Menschen haben zunächst nur Fantasien, in denen sie durch Gewalt Aufmerksamkeit bekommen: 'Ihr habt mich nie beachtet, jetzt müsst ihr es'." Später richte sich ihre Gewalt oft gegen Gegenstände und Dinge, in einer weiteren Instanz auch gegen Tiere. Der Schritt, einen Menschen zu bedrohen und derart anzugehen, sei dann ein kleiner.

Die Angst der anderen macht sie geil

"Dahinter wiederum steckt ein Drehbuch, das sie sich selbst schrieben", erkärt Lüdke: Wenn ich schon nicht geliebt werde, dann doch bitte gehasst. Und zwar in der Intensität, in der ich gerne geliebt werden würde.

Die Menschen im Clownskostüm geraten dadurch beinahe in eine Art Rausch. "Sie merken: Wenn sie so etwas machen, werden sie endlich wahrgenommen. Dann wollen sie es wieder und wieder tun." Es sei daher nicht unwahrscheinlich, dass ein und derselbe Täter mehrmals auftritt. Die plötzliche Aufmerksamkeit mache die Menschen geil auf mehr. Perfekt mache ihre Ekstase, dass sie dann in der Öffentlichkeit erwähnt werden. Das könnte auch die Erklärung dafür sein, dass das Problem immer größer zu werden scheint: Trittbrettfahrer*innen und Nachahmer*innen entwickeln eine Art Schwarmintelligenz: Was bei dem einen funktionierte, wird auch bei mir funktionieren, also versuche ich es.

Und so sind plötzlich überall Clowns, die Menschen bedrohen. Neu sei das Phänomen allerdings nicht, sagt Lüdke. "Man kennt das aus der Demo-Szene, hin und wieder mischen sich da Menschen in Clownskostümen unter, die dann im Schutz der Unkenntlichkeit etwa Polizisten angreifen. Da greifen die gleichen psychischen Dynamiken."

Auch wenn das alles sehr beunruhigend ist, gibt es Hoffnung, dass die Horror-Clowns irgendwann geschnappt werden: Wenn sie durch den oben erwähnten Rausch Grenzen überschritten, führe das irgendwann dazu, dass man sie findet und festnehmen kann.