Wir leben in einer Zeit, in der mehr und mehr Menschen individuelle Wege zum Liebes- und Lebensglück entdecken und alternative Beziehungsmodelle zunehmend akzeptiert sind. Soweit, so juhu – es sollte schließlich allen selbst überlassen sein, wie sie happy werden, solange es niemandem wehtut.

Doch diese Vielfalt kann das Liebesleben manchmal kompliziert machen. Zum Beispiel dann, wenn Menschen mit arg unterschiedlichen Beziehungsvorstellungen Gefühle füreinander entwickeln.

Eine*r von beiden ist es dann beispielsweise gewohnt, mit mehreren Leuten innige und wertvolle Beziehungen zu führen; der*die andere möchte sich hingegen auf einen einzigen Menschen konzentrieren, ein gemeinsames Leben aufbauen, Aufmerksamkeit, Zuwendung, Zeit und Energie nicht teilen. Beides ist berechtigt und okay. Es klingt bloß im ersten Moment nicht sonderlich kompatibel.

Wenn sich also ein Mono- und ein Poly-Mensch ineinander verlieben – geht das überhaupt langfristig gut, oder sollte man es lieber gleich bleiben lassen? Die Antwort lautet, wie so oft: Kommt darauf an.

Die gängigsten Probleme von Poly plus Mono

Was im ersten Moment ziemlich unvereinbar klingt, hängt in erster Linie entscheidend von den beteiligten Individuen ab – und der Frage, wie sie mit der Situation umgehen.

"Monogam lebende Menschen können sich zurückgesetzt fühlen und Eifersucht und Unverständnis empfinden", erklärt die Berliner Paarberaterin Anna Holfeld. "Manchmal geben sie auch erst ihre Zustimmung zum Poly-Leben und bestehen dann später doch auf Monogamie."

Auch Polys haben es mit Monos laut Expertin nicht unbedingt leicht: "Oft müssen sie sich für andere Beziehungen rechtfertigen oder fühlen sich falsch mit ihren eigenen Bedürfnissen." All das birgt erhebliches Konfliktpotenzial.

Und mitunter ändern sich diese Bedürfnisse auch im Laufe eines Lebens in verschiedenen Phasen – man ist nicht für immer entweder Mono oder Poly und dann war’s das.

Ohne Einvernehmlichkeit läuft außerdem schon mal gar nichts, wie die Forschung ergeben hat. Laut einer Studie der University of Rochester funktionieren offene Beziehungen dann gut, wenn alle Beteiligten das wirklich wollen und auch nur mit stabiler Kommunikation. Heimliche Affären und Aktionen können laut dem US-Psychologen und Studienautor Ronald Rogge hingegen zu einem Gefühl "der Vernachlässigung, Zurückweisung, Unsicherheit, Eifersucht und Verrat" führen. Und das kann ja nun wirklich niemand wollen.

Aus lauter Verliebtheit so zu tun, als wäre man okay mit etwas, das einem eigentlich nicht gut tut, die eigenen Bedürfnisse – sowohl das nach einer monogamen als auch nach einer Poly-Beziehung – zu unterdrücken und in Wahrheit vor Eifersucht zu vergehen oder sich heimlich mit anderen zu treffen, das funktioniert dauerhaft auf keinen Fall.

Es gibt Lösungen

Deshalb ist es für verliebte Monos und Polys gleichermaßen wichtig, schonungslos ehrlich mit den eigenen Gefühlen umzugehen – sich beispielsweise die Frage: 'Wie geht es mir damit?' aufrichtig zu beantworten – und absolut offen miteinander zu reden.

Expertin Anna Holfeld rät zum Beispiel monogamen Menschen, sich "in ein anderes Beziehungskonzept einzufinden: andere Beziehungen mit Menschen, die dem Poly sehr nahe stehen und mit denen er oder sie vielleicht auch Sex hat, zu akzeptieren; mit der Eifersucht bewusst umzugehen lernen". Sich selbst beruhigen und trösten zu können und ein hohes Reflexionsvermögen sind hier wichtig.

Aber auch bei Polys sind Rücksicht und gegebenenfalls Umdenken gefragt: "Sie müssen sich genauso in ein anderes Beziehungskonzept einfinden und viel Verständnis für das Unverständnis aufbringen", sagt die Paarberaterin. Das Wichtigste jedoch: immer wieder miteinander Beziehungsgespräche führen.

So viel zu verstehen und zu verhandeln kostet Kraft und Zeit. Diese Ressourcen müssen beide aufbringen können und wollen.

So ist das Glück möglich

Wenn beide Seiten Verständnis füreinander und den unterschiedlichen Lebensstil zeigen und sich Mühe geben, dann ist laut Anna Holfeld eine glückliche Beziehung von Poly und Mono durchaus möglich: "Dazu müssen beide viel über Bedürfnisse sprechen, über Grenzen und Möglichkeiten, sich innerlich dehnen – um der anderen Person das möglich zu machen, was sie braucht." Denn das gehört zur Liebe dazu. Nur eben nicht um jeden Preis.