Warten ist Alltag für Asylsuchende. Sie warten darauf, dass ihr Asylantrag beantwortet wird, dass sie finanzielle Unterstützung oder Sachleistungen bekommen, ob sie in Abschiebehaft landen und anschließend abgeschoben werden. Sie führen ein Leben in Ungewissheit.

"Warten stellt das verbindende Element zwischen den verschiedenen Lebenssituationen von Asylsuchenden dar. Warten ist die Konstante in ihrem Leben." So beschreibt Nina Violetta Schwarz den Alltag von Geflüchteten. Die Doktorandin an der Humboldt Universität in Berlin ist 2012 für ihre Masterarbeit nach Zypern gereist und hat mit Geflüchteten gesprochen, die in Haftanstalten festsitzen. Seit Jahren arbeitet sie mit Geflüchteten in Deutschland und an den Rändern der EU zusammen. Sie hat uns erklärt, was Warten mit ihnen macht.

Warten verdeutlicht Machtverhältnisse

Warten zeigt die asymmetrische Beziehung zwischen Migranten und den staatlichen Autoritäten auf. Polizisten und Grenzschützer versuchen durch Zäune und Absperrungen die Geflüchteten an ihrer Weiterreise zu hindern. Sie können entscheiden, wer weiter darf und wer nicht.

Durch Warten soll Migration reguliert werden

Warten ist der Versuch, die Bewegung der Geflüchteten zu unterbrechen oder zu verlangsamen, sie temporär aufzuhalten, um dadurch die Migration zu kontrollieren. Aktuell geschieht dies unter anderem entlang der Route von Griechenland über den Balkan nach Deutschland und Skandinavien, durch Zäune wie beispielsweise in Ungarn sowie durch Festnahmen und Inhaftierungen.

Warten bedeutet Ungewissheit

Die Asylsuchenden wissen nicht, ob und wie lange sie in einem Land bleiben dürfen und wann darüber entschieden wird. Zuvor mussten viele von ihnen bereits wochenlang an europäischen Grenzen ausharren. In Hotspots in Griechenland und Italien – Haftlager, die als Transitzonen deklariert werden – sollen Geflüchtete derzeit für unbestimmte Zeit festgehalten werden.

Warten bedeutet, immer vorbereitet zu sein

Asylsuchende müssen darauf vorbereitet sein, asylrelevante Dokumente vorweisen zu können. Viele versuchen daher stets, persönliche Unterlagen und Dokumente zur Hand zu haben, die über ihren Aufenthaltsstatus entscheiden können.

Warten vereint die Geflüchteten

Während des Wartens schließen sich einige Geflüchtete zu Gemeinschaften zusammen, solidarisieren sich und tauschen sich aus. Sie teilen oft eine ähnliche Geschichte und können von den Erfahrungen Anderer profitieren.

Im Warten entsteht Widerstand

Die Ungewissheit und die Erfahrungen mit staatlicher Willkür führen teilweise dazu, sich als Gruppe gegen die herrschende Ordnung zu stellen. Die sozialen und politischen Kämpfe von Geflüchteten für ihr Recht auf Bewegungsfreiheit sind seit dem letzten Sommer stärker, lauter und sichtbarer geworden.