Wenn die Kreditkarte weg ist oder die Grenzbeamt*innen stressen, ist die Urlaubsstimmung dahin. Wie soll man damit umgehen? 

Kurz vor Mitternacht in einem stockdunklen bolivianischen Bergdorf: Die Herberge, die ich vorher in brüchigem Spanisch reserviert habe, macht einfach nicht die Tür auf – auch lautes Hämmern und Schreien helfen nicht. Weit und breit kein Mensch in den Gassen, von Straßenlaternen keine Spur. Ein beunruhigendes Gefühl macht sich breit: Diese Nacht werde ich wohl auf der Straße verbringen.

Jede*r Backpacker*in kennt diese Situationen – gerade noch die Schönheit der Natur genossen, im nächsten Augenblick steht die Welt Kopf. Und das nicht nur, weil man sich gerade am anderen Ende derselben befindet, sondern weil sich der spaßige Trip plötzlich in eine akute Lebensbewältigungskrise verwandelt hat. Wo werde ich schlafen? Wie komme ich an mein Geld? Werde ich jemals wieder ausreisen können? Die Vielfalt der möglichen Krisen ist groß, doch die Frage ist immer die gleiche: was nun?

Ein Crashkurs im Fach Leben

Im bolivianischen Bergdorf lautet die Lösung: auf der Suche nach anderen Herbergen herumirren und – nicht locker lassen. Bei einem ausgebuchten Hotel öffnet die Wirtin zumindest die Tür, weist mich und meinen Begleiter aber ab. Erst als ich an ihren christlichen Glauben appelliere und darauf hinweise, dass die Situation doch sehr an die gute alte Maria-und-Josef-Story erinnert, bietet sie uns eine Matratze im Speisesaal an – und das, obwohl mir der Schwangerenbauch fehlt.

Für Manuel Sand, Deutschlands ersten Professor für Abenteuer, gehören gewisse Risiken zum Backpacking dazu: "Wenn man länger mit dem Rucksack unterwegs ist, will man auch in Situationen kommen, in denen man sich erproben oder beweisen muss", erklärt Sand, der an der Hochschule Treuchtlingen Outdoorsport und Adventuremanagement erforscht.

Doch warum wollen wir uns im Urlaub bewusst Probleme einhandeln? Haben wir im Alltag nicht genügend davon? Den großen Unterschied zwischen Krisen auf Reisen und zu Hause sieht Sand in dem gewohnten sozialen Umfeld, das in der Ferne fehlt. "Es kann eine Chance sein, dass man auf sich alleine gestellt ist. Auf Reisen ist man eher in der Lage, selbst aktiv eine Krisensituation zu bewältigen als zu Hause, wo man sich schnell und bequem in sein Auffangnetz aus Freunden oder Familie fallen lässt."

Erste Lektion: ruhig bleiben

Als Alex, 35, der mehrere Monate lang auf dem südamerikanischen Kontinent unterwegs war, eines Tages feststellte, dass Betrüger*innen aus Indien einen vierstelligen Betrag von seiner Kreditkarte abbuchen wollten, überwog erst mal der Schock. Und in Santiago de Chile schlug sein Herz bis zum Hals, weil dubiose Gestalten ihm durch eine nächtliche Straße folgten. "Aber ich habe gelernt, dass es immer eine Lösung gibt. Nicht in Panik verfallen und ruhig bleiben sind seitdem meine besten Freunde", erzählt der Franzose über seine Erfahrungen, die er jetzt, zurück im Berufsleben, als wertvolle Lektionen ansieht.

Perfekt vorbereitet auf jede mögliche Krise ist niemand. Doch laut Sand gibt es Eigenschaften, die bei der Bewältigung helfen können: "Man braucht Selbstvertrauen und Belastungsfähigkeit. Etwas Organisationstalent kann auch nicht schaden. Und es ist wichtig, dass man ein gewisses Vertrauen in andere Menschen hat und dass sie einem wohlgesonnen sind." Diese Eigenschaften könnten sich im Laufe der Zeit weiterentwickeln, denn durch jede Krise lerne man dazu, so der Wissenschaftler. "Wer länger allein unterwegs war, wird sicherlich gestärkt daraus hervorgehen und die eine oder andere Seite an sich kennenlernen, die vorher noch unbekannt war."

Die meisten Reisekrisen lassen sich bewältigen. Früher oder später hält jede Adrenalin-Achterbahn wieder an und macht Platz für Entspannung. Und nicht zuletzt liefert sie die spannendsten Geschichten für die Zeit nach der Rückkehr.