Ein guter Schlaf ist wie ein Schatz, den man hüten sollte: Er ist nicht nur für die körperliche Gesundheit wichtig, er scheint auch essenziell zu sein, um in unserer Gesellschaft klarzukommen. Vor allem die Arbeitswelt ist längst nicht flexibel genug, als dass man sich Müdigkeit und Schlaffheit erlauben könnte. In einer Welt, in der Pünktlichkeit und Leistungsfähigkeit alles sind, können Menschen mit Schlafstörungen sogar gravierende Probleme bekommen.

Genau das hat Klaus zu spüren bekommen. Der Leipziger erzählt mir, wie seine Insomnie sein gesamtes Leben verändert hat – und lange Zeit vor allem zum Nachteil. Besonders die Schul- und Ausbildungszeit sei eine Herausforderung für den heute 29-Jährigen gewesen. Mit den strikten und frühen Anwesenheitszeiten kam er aufgrund seiner Schlafstörungen nicht klar. Klaus' Problem bis heute: "Ich kann keinen regelmäßigen Schlafrhythmus halten." Es gibt Zeiten, da schläft er nachts, dann kann er wieder nur tagsüber einschlafen. Nach einigen Monaten wechselt das.

"Ich habe deshalb viel in meinem Leben abgebrochen", sagt Klaus. Das Abitur, zwei verschiedene Ausbildungen, das Fern-Abi. Seine Fachinformatikerprüfung habe er extern zu Ende gebracht, um nicht an der Berufsschule teilnehmen zu müssen, die mit seinen Schlafstörungen einfach nicht zu bewältigen war.

In Zeiten, in denen Klaus den Rhythmus verliert und wiederfinden muss, versagt sein Kurzzeitgedächtnis. "Ich habe mich schon häufig wie ein Alzheimerpatient gefühlt, ich hatte Verwirrungszustände, habe Termine vergessen, so 20 Mal am Tag." Klaus schrieb sich Notizen und Erinnerungen, um sein Leben unter diesen Bedingungen normal zu führen. "Das klappte aber nicht immer gut."

Im Moment kann er wieder gut schlafen. "Gerade ist es eine angenehme Zeit, zwischen drei und sieben Uhr morgens schlafen zu gehen", sagt er. Aber auch wenn er gesund schläft, gibt es noch immer ein Problem: Klaus' Rhythmus ist nicht der Rhythmus der Gesellschaft. Wenn für andere der Tag beginnt, geht er für Klaus zu Ende. Einkaufen gehen, Freund*innen treffen, Jobtermine wahrnehmen – all das muss organisiert werden. Das ist alles andere als leicht. "Ich lebe um die Gesellschaft drumrum", sagt Klaus über sein Leben.

Unser Verhältnis zum Schlaf ist im Wandel

Über Twitter mache ich weitere Menschen ausfindig, die wie Klaus extrem darunter leiden. Ich schreibe und spreche mit jungen und älteren Menschen, die aufgrund ihrer Schlafstörungen nicht arbeiten können. Manche haben den Anschluss zu ihren Freund*innen verloren, andere haben Depressionen entwickelt. Viele fühlen sich, als wären sie nicht Teil der Gesellschaft. Einfach wegen ihres anders gestalteten Schlafrhythmusses. Das Robert Koch-Institut des Bundesministeriums für Gesundheit geht davon aus, dass sich ein Viertel der deutschen Bevölkerung mit dem Ein- und Durchschlafen herumquält.

Zum Glück nimmt sich die Forschung immer intensiver der Insomnie an. "Wir kennen aktuell mehr als 80 Schlafstörungen", erklärt mir Prof. Dr. Dieter Riemann vom Uniklinikum Freiburg. Zu den wichtigsten gehören unter anderem die chronische Insomnie, das Restless-Legs-Syndrom, bei dem die Beine fortlaufend zittern, und die Narkolepsie, bei der man spontan und ungewollt einnickt. "Vor 100 Jahren hatte man sich eine solche Differenziertheit nicht vorstellen können."

Die Ursachen für Schlafstörungen sind vielfältig. Grundsätzlich gilt es zwischen der transienten und der chronischen Insomnie zu unterscheiden. Transiente beziehungsweise vorübergehende Schlafstörungen haben oft Stress zur Ursache. Verschwindet der Stress, findet man in der Regel auch zu einem ruhigen Schlaf zurück. Etwa sechs Prozent der Deutschen würden eine chronische Insomnie entwickeln, sagt Riemann. Dass Schlaflosigkeit zum Dauerbegleiter wird, könne genetische Veranlagung sein, aber auch physische und psychische Erkrankungen, sowie schlechte Angewohnheiten wie Alkohol und Zigaretten können Ursachen sein.

Mit der zunehmenden Forschung verändert sich auch das Verhältnis zum Schlaf. "Kurzschläfer galten und gelten als dynamisch, agil, erfolgreich, die Langschläfer gelten und galten als lethargisch, vielleicht sogar eher auch als faul", sagt Riemann. Doch dieses Bild sei dank drei Jahrzehnten intensiver Beschäftigung mit dem Thema Schlaf und Schlafstörungen unter vielerlei Aspekten im Wandel.

Inzwischen habe man genug Daten gesammelt, um zu wissen, dass es viele unterschiedliche Schlaftypen gibt. Die meisten Erwachsenen in einem Alter von 18 bis 65 Jahren benötigen zwar zwischen sieben und acht Stunden Schlaf, um gut zu funktionieren, "Neben diesem Mittelwert gibt es aber natürlich Kurzschläfer, die vielleicht auch mit fünf Stunden Schlaf auskommen, und Langschläfer, die neun oder vielleicht sogar zehn Stunden Schlaf benötigen, um sich wohl zu fühlen und gut funktionieren zu können", sagt Riemann.

Die Arbeitswelt muss sich anpassen

Im fränkischen Bad Kissingen gibt es bereits Experimente mit angepassten Unterrichts- und Arbeitszeiten, dort leben die Menschen entsprechend ihrer inneren Uhr. Es zeichnet sich ab, dass das Leben nach diesem Modell nicht nur ein gesünderes ist. Auch die Aufnahmefähigkeit und Leistung würde sich erhöhen.

Klaus hat inzwischen einen Arbeitgeber gefunden, für den sein Schlafrhythmus kein Problem darstellt. Er kann als Informatiker in Teilzeit sechs Stunden am Tag arbeiten, auch im Homeoffice – die Insomnie und der Arbeitsalltag lassen sich gut vereinbaren.

Doch es ist ein Kampf, sich diese Freiräume zu schaffen. Bei früheren Arbeitgeber*innen und Kolleg*innen musste Klaus häufig emotionale Arbeit leisten, wie er sagt. "Oft entschuldigt man sich fürs Zuspätkommen und verspricht Besserung, obwohl man weiß, dass die nicht kommen wird, das nervt." Er wolle ein Leben ohne Extrawürste führen. Eines, in dem sein Schlafrhythmus akzeptiert wird.

Wir brauchen eine Gesellschaft, in der sich die Arbeitswelt den Bedürfnissen der Menschen anpasst und nicht umgekehrt. Das wäre am Ende auch für die Arbeitswelt besser, weil alle effizienter arbeiten würden. Dafür müssen wir einige Dinge zur Disposition stellen: Den Unterrichtsbeginn um acht Uhr morgens könnte man zum Beispiel überdenken. Ebenso könnte überlegt werden, ob das 9-to-5-Arbeitsmodell für unterschiedliche Chronotypen aufgelockert werden kann. Auch eine Änderung des Ladenschlussgesetz wäre denkbar.

Klaus und viele andere würden davon profitieren.

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