Wie am Ende eines jeden Kalenderjahres hören wir, dass dieses Jahr politisch außergewöhnlich, brisant wie kein anderes und total bedeutend war. Tatsächlich hat sich in den vergangenen zwölf Monaten auf der politischen Weltbühne so einiges getan. Wir fragen uns deshalb: Was bleibt politisch von diesem Jahr übrig und wird auch 2018 noch beeinflussen?

Trump bestimmt das Weltgeschehen leider mit

Auf einen Menschen, der jede Nachrichtensendung und Satire-Show täglich mit neuem Material versorgt, können wir in unserem Jahresrückblick natürlich nicht verzichten. Klar, es geht um Donald Trump. Zwar konnte er sich bereits im vergangenen Jahr gegen seine Konkurrentin Hillary Clinton durchsetzen, doch wurde er erst Anfang dieses Jahres, am 20. Januar 2017, vereidigt.

Wahrscheinlich erinnert ihr euch noch an die tagelangen Diskussionen über die Zuschauer*innenzahlen bei seiner Amtseinführung. Tatsächlich fand er zwischen seinen Golfspielen noch etwas Zeit zum Regieren und probierte es bislang mit unreflektierter Politik wie: Einreiseverbote, Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen, Steuersenkungen für Reiche. Jetzt kann man natürlich fragen:

Was geht uns das an, wenn die Amerikaner*innen bald keine Krankenversicherung mehr haben, dafür aber eine Mauer zu Mexiko?

Leider ist es so, dass die Außenpolitik der USA das Weltgeschehen maßgeblich mitbestimmt. Das konnten wir erst vor wenigen Tagen spüren, als Donald Mir-gehört-die-Welt-Trump sich dazu entschlossen hatte, die US-Botschaft in Israel nach Jerusalem zu verlegen. Zudem fing er auch Streit mit Kim Jong-un an, dem Machthaber in Nordkorea. Jong-un bezeichnete Trump als einen "senilen Greis" und Trump ihn wiederum als "klein und dick". Leider kein Streit im Kindergarten, sondern tatsächlich von zwei Erwachsenen – mit Atomraketen. Sie provozieren sich gegenseitig, ziehen sich wie in einer Spirale immer weiter in den Konflikt und drohen sich gegenseitig mit Krieg.

Was Trump und seine Politik angeht, bleiben noch viele Fragen offen, doch außenpolitisch wird er im nächsten Jahr mindestens zwei davon beantworten müssen: Wagt er den Krieg mit Nordkorea? Wird er den Nahostkonflikt aufkeimen lassen, einfach weil er es kann?

Ein Neustart für Europa?

Noch ein anderer Mann ist in diesem Jahr Präsident geworden: Emmanuel Macron. Nach dem er sich mit seiner neugegründeten Bewegung und Partei La République en Marche am 7. Mai in der Stichwahl gegen die Rechtspopulistin Marine Le Pen durchsetzen konnte, wurde er am 14. Mai 2017 in das Amt des Präsidenten eingeführt. Innenpolitisch mag Macron umstritten sein, doch ist er bislang der Einzige, der einen konkreten Plan zur Erneuerung der Europäischen Union in den Händen hält.

Der französische Präsident sieht zwar die Schwachstellen der EU, bezeichnet sie als "zu langsam, zu schwach, zu ineffizient", weiß aber auch, dass die Probleme unserer Zeit, beispielsweise der Klimawandel und die Migration, nur gemeinsam gelöst werden können. Er fordert: Eine europäische Eingreiftruppe, eine europäische Staatsanwaltschaft und Asylbehörde, eine gemeinsame Transaktionssteuer und die Demokratisierung der Europäischen Union.

Doch für all diese Reformvorschläge schließt sich das Fenster langsam, denn 2019 ist die nächste Europawahl.

Bis dahin muss sich auch das Bild der EU in den Köpfen vieler Europäer*innen ändern, damit anti-europäische Kräfte nicht zu viel Macht in Brüssel erhalten. Doch ohne Deutschland, das sich durch langwierige Regierungsbildung selbst beschäftigt, sind die progressiven Ideen Macrons nicht umsetzbar. Deshalb wird sich 2018 zeigen, wie es mit der Europäischen Union weitergeht. Sie steht am Scheideweg. Denn sollten wir die Stützpfeiler, auf denen die EU aufgebaut ist, nicht erneuern und ausbauen, stürzt das mühsam aufgebaute Kartenhaus in sich zusammen.

Der Boss vom Bosporus

Bereits seit Anfang vergangenen Jahres verschlechtern sich die Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei fast tagtäglich. Der türkische Staatspräsident Erdogan hat nach Jahren der Modernisierung und Demokratisierung begonnen, sich den Staat nach seinem Geschmack zu formen und macht sich auf den Weg zum Alleinherrscher. Er lässt die Presse verstummen, schickt seine Kritiker*innen hinter Gitter und lässt Demonstrant*innen gewaltsam niederschlagen. Seit dem sich Deutschland der internationalen Kritik an der Politik Erdogans angeschlossen hat und einen massiven Rückschritt in Richtung Instabilität in der Türkei befürchtet, greift der türkische Staatspräsident deutsche Politiker*innen mit Nazivergleichen und Terroranschuldigungen an.

Darunter zu leiden haben aber vor allem deutsche Journalist*innen, Aktivist*innen und Menschenrechtler*innen, die dann mit willkürlichen Terrorbeschuldigung ins Gefängnis gesteckt werden. Wie zum Beispiel Deniz Yücel. Er arbeitete als Korrespondent für die Welt-N24-Gruppe in der Türkei und sitzt seit dem 24. Februar dort in Haft. Er wird der Propaganda für eine terroristische Vereinigung beschuldigt, weil er kritisch über Erdogans Politik berichtete. Yücel gilt als Sinnbild für die noch fast zehn deutschen Staatsbürger*innen, die aus politischen Gründen in türkischen Gefängnissen sitzen. Auch für das nächste Jahr bleiben die Fragen offen: Werden unsere Mitbürger*innen im nächsten Jahr endlich freigelassen oder müssen sie weiter aufgrund ihres Eingestehens für Menschenrechte und Grundwerte hinter türkischen Gittern leiden?

Die türkische Bevölkerung ist durch Erdogans Politik gespalten. Die einen feiern ihn, sehen ihn als den großen Staatsmann und Hoffnungsträger, die anderen als einen Diktator, der sich das Land unter den Nagel reißt. Stellt sich nur wieder die Frage, was hat das mit uns Deutschen zu tun? Deutschland hat in Europa die größte türkische Community. Und obwohl die hier geborenen Menschen mit türkischen Eltern oder die aus der Türkei nach Deutschland Ausgewanderten hier in Demokratie und Freiheit leben, unterstützen sie in ihrem anderen Heimatland einen autoritären Herrscher, der genau diese Freiheit und Demokratie einzuschränken versucht. Sprich, auch durch die türkische Gemeinschaft in Deutschland durchzieht sich ein Riss, der die Menschen in Anhänger*innen und Gegner*innen Erdogans spaltet und er selber heizt diesen innerdeutschen Konflikt mit Provokationen noch weiter an.

Gibt es 2018 Frieden in Syrien?

Anfang diesen Monats verkündeten Russland wie auch der Irak den Sieg über die Terrororganisation Islamischer Staat, die im syrischen Bürgerkrieg maßgeblich mitgemischt hat und in der arabischen Welt ein Kalifat errichten wollte. Nun hat vor wenigen Tagen sogar der französische Staatspräsident Emmanuel Macron bekanntgegeben, dass er mit einem vollständigen Sieg über den IS bis Ende Februar rechne.

Bereits zuvor hatte man in der EU über die Aufnahme von Abschiebungen nach Syrien ab Sommer 2018 diskutiert, diese Pläne aber nach reichlich Kritik auf der Innenministerkonferenz wieder über den Haufen geworfen und den Abschiebestopp bis Ende 2018 verlängert.

Die Themen Migration und Einwanderung spielen seit der Flüchtlingsbewegung von 2015 eine übergeordnete Rolle in der politischen Landschaft und hat auch den Wahlkampf vor der Bundestagswahl in Deutschland mitbestimmt. Mit diesem vermeintlichen Sieg über den sogenannten IS werden sich 2018 viele neue Fragen eröffnen: Wie schafft man in Syrien Stabilität und Frieden? Mit oder ohne Assad? Heißt ein Ende des Krieges, dass alle Geflüchteten zurück nach Syrien abgeschoben werden? Wer darf bleiben?

#metoo im politischen Jahresrückblick? Klar!

Im Oktober dieses Jahres berichteten US-Medien, dass der amerikanische Filmproduzent Harvey Weinstein mehrere Frauen sexuell belästigt und genötigt, gar vergewaltigt haben soll. Daraufhin meldeten sich immer mehr Frauen, die Weinstein beschuldigten – so begann eine weltweite Debatte über sexuelle Übergriffe.

Immer mehr Schauspieler wurden beschuldigt, derartige Übergriffe begangen zu haben und in den sozialen Netzwerken entstand der Hashtag #metoo, mit dem Frauen und Männer über ihre Erfahrungen mit sexueller Nötigung und Gewalt sprechen. Die meisten anderen Diskussionen, die sich um dieses Thema drehen, verklingen bereits nach wenigen Tagen wieder und verändern nichts. Doch diese Diskussion hielt an. Tagelang. Wochenlang. Monatelang. Im nächsten Jahr wird sich herausstellen, ob diese Diskussion nur ein Aufschrei ohne Widerhall und ohne Relevanz sein wird oder ob #metoo der Beginn einer Bewegung, eines Umdenkens ist.

War dieses Jahr 2017 wirklich ein politisch brisantes und bedeutendes Jahr war?

Das wird sich wohl erst in den kommenden Jahren zeigen. Dennoch wurden in diesem Jahr einige politische Entscheidungen getroffen, die uns 2018 noch begleiten werden. Und vielleicht wird die Welt im nächsten Jahr wieder ein Stück weit zu einem besseren Ort werden. Es liegt an uns.