Dein Magen rumort, deine Handflächen schwitzen, dein Herz rast. Nur noch wenige Momente, dann musst du vor eine Menschengruppe treten, vielleicht sogar auf eine Bühne. Vor einem Publikum zu sprechen, ist keine einfache Sache, schließlich wirst du von etlichen Augenpaaren genau gemustert. Sie verfolgen jeden Schritt, hören jedes Stottern und sehen jede Schweißperle. Kein Wunder, wenn du dich bei so einer öffentlichen Beschau nicht wohlfühlst.

Die Angst vor dem öffentlichen Reden ist nicht unüberwindbar. Sie ist eine, die man ablegen kann. Während ein wenig Lampenfieber wohl immer bleiben wird und bleiben sollte, kann sich die Angst mit ein wenig Übung so weit umkehren, dass du deine Botschaften gut, frei und gerne an dein Publikum bringen kannst. Sei es bei einem Referat in der Schule, einer Präsentation vor den Arbeitskolleg*innen, in einem Meeting oder einer Rede bei der Hochzeit. Denn woran das Publikum eigentlich interessiert ist, ist der Inhalt des Gesagten. Es wartet nicht darauf, dass du scheiterst. Es will vielmehr hören, was du zu sagen hast. Und das gilt es so locker und unvergesslich wie möglich rüberzubringen.

Von professionellen Redner*innen lernen

Toastmasters ist eine NGO, gegründet 1924 in den USA, die sich der Förderung der Kunst des öffentlichen Redens und der effektiven Kommunikation widmet. Nach Angaben der Webseite hat die Organisation 357.000 Mitglieder in 143 Ländern. Jährlich hält sie unter anderem die World Championship of Public Speaking ab, einen weltweiten Redewettbewerb. Die Siegerin 2018 heißt Ramona J. Smith. Die 31-jährige Lehrerin aus Houston im US-Bundesstaat Texas setzte sich vergangenen August mit Still Standing gegen insgesamt 30.000 Mitbewerber*innen durch.

Wenn Smith auf die Bühne kommt, scheint sie von keinem Fünkchen Nervosität abgelenkt. Selbstbewusst und locker steht sie vor Tausenden Zuhörer*innen und liefert punktgenau ihre Botschaften ab. Wenn also jemand weißt, wie es funktioniert, dann eine Weltmeisterin. In einem Interview mit Business Insider verrät sie, welcher Techniken sie sich dabei bedient.

Symbole und Metaphern nutzen

In Still Standing geht es darum, wie Smith in Situationen, in denen es das Leben nicht gut mit ihr meinte, nicht aufgegeben hat. Wie sie immer wieder aufgestanden ist, sich motiviert und weitergemacht hat. Dafür verwendet sie während ihrer Rede die Metapher eines Boxkampfes. "Manchmal wird sich das Leben wie ein Kampf anfühlen", beginnt sie.

Sie nennt persönliche Beispiele von schweren Lebensabschnitten – viermaliger Schulabbruch, Scheidung, Angst, vor Publikum zu sprechen – und vergleicht diese mit Schlägen, Kinnhaken und Fausthieben, die sie in verschiedenen Kampfrunden einstecken musste. Sie vergleicht den*die Boxtrainer*in mit ihren Freund*innen, die sie hochgezogen und motiviert haben, weiterzumachen. Die Zeit, in der sie nur noch aufgeben wollte, sei wie der Countdown eines Kampfes gewesen, wenn der*die Kampfrichter*in bis zehn zählt, um das Match zu beenden. Die Metapher des Boxkampfes behält sie über die gesamte Zeit ihrer fast siebenminütigen Rede bei.

Diese habe Smith ganz bewusst gewählt. Denn jede*r haben eine Vorstellung davon, wie ein Boxkampf aussieht. Das Bild des Boxkampfs des Lebens brauche daher keine großen Übersetzungsleistungen. Jede*r erlebt manchmal Fehlschläge, fühlt sich niedergeschlagen oder von einer Situation erschlagen, nicht nur Boxkämpfer*innen. Abhängig von der zu vermittelnden Botschaft sollte man natürlich auch die Metapher anpassen.

Keine Angst davor haben, doof auszusehen

Hand in Hand mit der Boxkampfmetapher ging auch das Verhalten auf der Bühne. Smith animierte ihre Rede von Anfang bis zum Ende und verwandelte sich mehrmals in eine Ringkämpferin. Sie hob ihre Fäuste, schlug in die Luft, wich imaginären Schlägen aus, tänzelte auf der Stelle. Indem sie das Gesagte mit Körpereinsatz untermalte, machte sie die Punkte ihrer Botschaft sowie die Punkte in ihrem Boxkampf klar.

Eine aktive Rede hielt die Aufmerksamkeit der Zuhörer*innen oben. Indem sie regelmäßig Box-Begriffe wie Round one oder Knock-out brüllte, holte sie zudem Grenzschläfer*innen wieder in den Wachzustand. Einmal zauberte sie ein weißes Tuch aus ihrem Anzug, warf es zu Boden und verwendete diese Tat wieder als Metapher für das Aufgeben, dem metaphorischen Handtuchschmeißen, mit dem sie sich so oft konfrontiert sah.

Viele Leute würden stocksteif vor Hörer*innen stehen. Aus Angst, sich zu blamieren, ausgelacht zu werden oder schlicht den Faden zu verlieren. Dabei sei ein eingefrorenes Auftreten viel peinlicher, als wenn jemand viel Energie in eine Rede steckt. Muss jemand beruflich viele Reden halten, empfiehlt Smith sogar, in ein paar Schauspielkurse zu schnuppern, die Angst vor zu viel Körpereinsatz zu verlieren.

"Als ich auf die Bühne trat, sagte ich mir: 'Weißt du was, ich verhalte mich einfach so, wie es sich gut und richtig anfühlt. Es ist mir egal, was passiert'", sagt Smith. Dadurch, dass Smith auf der Bühne umherhopste, habe ihre Rolle als professionelle Sprecherin eine menschlichere, nahbare Seite dazubekommen.

Fragen stellen und Pausen machen

Laut Smith ist eine ihrer wichtigsten Techniken, dem Publikum Fragen zu stellen und ihnen auch die Zeit zu geben, Antworten zu formulieren. Zumindest in den Köpfen der Zuhörer*innen, nicht laut für alle. "Erinnerst du dich an einen Zeitpunkt in deinem Leben, als du vom Leben überfordert warst?", fragte sie. Statt gleich weiterzureden, machte sie eine kurze Pause, schaute in den Raum und gab dem Publikum Zeit, sich eine konkrete Situation vorzustellen.

Fragen zu stellen, mache das Publikum aufmerksam. "Die Menschen können sich auf diese Weise mehr mit dir und deiner Botschaft identifizieren", sagt Smith. Aber erst die Pause nach der Frage erledige die volle Arbeit. Natürlich sei eine derartige Frage nur rhetorisch gemeint. Trotzdem "schaue ich das Publikum so an, als würde ich tatsächlich eine Antwort erwarten".

Handflächen nach vorne

Smith befolgte einen Tipp des World Championship of Public Speaking Gewinners 2014. Der singhalesische Unternehmer Dananjaya Hettiarachchi empfahl Smith, die offenen Handflächen dem Publikum entgegenzustrecken, um Offenheit zu signalisieren. Genau das machte Smith etliche Male in den sieben Minuten. "Es führt dazu, dass das Publikum sich mit dir verbunden fühlt", sagt sie. Geöffnete Hände würden bedeuten: Ich bin offen, ich bin verletzlich und ich möchte euch allen alles geben. "Außerdem schaut man entspannt aus. So, als fühle man sich einfach wohl."

Zusammenfassend meint Smith, müsse eine Rede authentisch und entspannt wirken. Dabei helfen kann, sich vor Augen zu halten, dass ein Publikum dir nichts Böses möchte. Es ist kein tiefer Abgrund, kein zähnefletschender Panther oder Voldemort. Dein*e größte*r Gegner*in während öffentlicher Reden ist nicht das Publikum, sondern nur du selbst.