Durchschnittlich elf Sekunden nehmen wir uns Zeit, um ein Kunstwerk zu betrachten. Das hat Kulturwissenschaftler Martin Tröndle von der Zeppelin-Universität in Friedrichshafen herausgefunden. Er analysierte das Verhalten von 500 Museumsbesucher*innen. Elf Sekunden, das entspricht etwa drei Atemzügen. Genauso lange brauchen geübte Einbrecher*innen im Durchschnitt, um ein Fenster oder eine Terrassentür aufzuhebeln.

Aus diesem Durchschnitt bricht Stefan Draschan aus. Der Kunstliebhaber und Fotograf aus Österreich nimmt sich bedeutend mehr Zeit, um ein Gemälde anzuschauen. Betrachtet er die Rosenkranzmadonna von Caravaggio, können schon mal 30 Minuten vergehen, bis er den Blick auf da nächste Gemälde richtet, erzählt er.

Kunst entspannt meine Augen und meine Seele."

Aufgrund seiner Liebe zur Kunst verbringt Draschan sehr viel Zeit in Museen. "Im Museum, ein Ort der Besinnung ohne Autolärm, Abgase und Lebensgefahr, halte ich mich wirklich gerne auf. Zeit spielt da keine Rolle", sagt er. In ein Museum zu gehen, sei wie in sein Lieblingshotel einzuchecken.

Wenn's passt, dann passt's

Manche Museen besucht er so oft, dass er bereits weiß, wo welches Bild hängt. Schon im Eingangsbereich könne er teilweise sogar sagen, ob eine*r der Besucher*innen Kleidung trägt, die mit einem der ausgehängten Werke harmonieren. Ist das der Fall, stellt sich Draschan mit seiner Kamera vor das entsprechende Bild und wartet einfach ab. Kommt diese Person bei dem Bild vorbei, drückt er den Auslöser seiner Kamera.

Das Ergebnis ist People Matching Artwork. Mehr als 400 Fotos hat er bereits von Menschen geschossen, deren Kleidung teilweise skurril genau mit einem Exponat eines Museums übereinstimmt.

People Matching Artwork ist nicht das einzige Fotoprojekt Draschans geblieben, das mit Museen und seinen Besucher*innen zu tun hat. Im Rahmen von People Sleeping in Museums fotografierte er Menschen, die in einem Museum eingeschlafen sind oder zumindest kurz ihre Augen entspannt haben. In People Touching Artworks hielt er den kurzen Moment fest, in dem Menschen Exponate berühren, obwohl sie es wahrscheinlich nicht gedurft hätten.

Es geht immer weiter

Nur selten bemerken die Besucher*innen, dass sie abgelichtet werden – obwohl Draschan manchmal mit einem Team von vier Leuten unterwegs ist. Selbst wenn sie das Klicken seiner Spiegelreflexkamera oder seine Schritte hören, wenn er sich ihnen nähert, fotografiert er ruhig weiter, sodass der Eindruck entsteht, er hätte die Befugnis dazu. Manchmal sind ihm die Leute auch so sympathisch, dass er ihnen die Fotos zeigt.

Draschan sieht keines seiner Projekte als beendet an. Er zieht weiterhin seine Bahnen durch die Museen, am liebsten durch die in Berlin. "Die Jahreskarte der Staatlichen Museen zu Berlin ist eine der besten Sachen, die es gibt", sagt er.