Gefühle zeigen, schüchtern sein, Ballet tanzen – all das sieht das klassische Konzept von Männlichkeit nicht vor. Noch immer werden Jungen von ihren Eltern dazu aufgefordert, ein Mann zu sein, wenn sie weinen. Babys werden vorsorglich in blau gekleidet, damit niemand sie für ein Mädchen halten könnte. Jungen beschimpfen einander auf dem Schulhof mit Begriffen, die ihre Männlichkeit infrage stellen.

Nichts scheint schlimmer, als die Regeln dessen, was auch heute noch als männlich angesehen wird, zu brechen. Dabei führen genau diese Vorstellungen dazu, dass Männer häufiger Risiken eingehen, seltener eine Therapie machen und mitunter ihre Leidenschaften und Kleidervorlieben nicht so ausleben können, wie sie es gerne würden.

Auch wenn sich diese Erwartungen in den vergangenen Jahren langsam verändern und aufweichen, wird es noch immer von vielen Menschen als unmännlich angesehen, wenn Männer kein Fleisch essen, ihnen Bier nicht schmeckt oder sie gerne über ihre Gefühle sprechen. Der britische Autor Jack Urwin beschrieb dieses Phänomen in seinem Buch Boys don't cry am Beispiel seines Vaters, der mit 51 Jahren an einem Herzinfarkt verstarb. Eine*n Ärzt*in hatte Urwins Vater nicht aufgesucht und stattdessen versucht, Schmerzen und Sorgen wegzutrinken. Alles andere hätte er als unmännlich angesehen.

Auch Männer verlieren in einem patriarchalen System

In Deutschland leben Frauen im Durchschnitt fünf Jahre länger als Männer. Männer begehen doppelt so häufig Suizid wie Frauen und wählen aggressivere Methoden, sodass die Überlebenschancen sinken. 2017 führten sie die Kriminalstatistiken verschiedenster Delikte an: Mord, Raub, Körperverletzung, Freiheitsberaubung, Straftaten gegen sexuelle Selbstbestimmung. Aggression, Wut und Gewalt wird bei Männern häufiger als normal und – je nach Ausmaß – als tolerierbar angesehen. Emotionalität, Angst und Traurigkeit hingegen als problematisch. Auch psychische Erkrankungen werden Jungen und Männern mitunter vollkommen abgesprochen.

Auch der 15-jährige Brent Conner wuchs mit diesen Bildern auf und stieß an Grenzen, die ihm aufgrund seines Geschlechts aufgezeigt wurden. Daraufhin postete er einen Tweet, in dem er darauf hinwies, dass auch Jungen Erfahrungen mit Depressionen, Essstörungen, Suizidgedanken und Bodyshaming machen würden und – anders als in der öffentlichen Wahrnehmung – nicht nur Mädchen von diesen Problemen betroffen seien. Dadurch startete er eine Diskussion, in der verschiedene Nutzer*innen ihre eigenen Erfahrungen teilten.

Einer der Menschen, die sich besonders aktiv in dieser Diskussion beteiligte, war der Twitternutzer @absurdistwords. Er betonte die Relevanz von Conners Aussage und ergänzte: "Toxische Männlichkeit hat diese Probleme feminisiert. Deshalb wird Jungen weiterhin gesagt, dass sie so tun sollen, als würden sie nicht leiden und emotionale Analphabeten bleiben. Wir verweigern ihnen Unterstützung." Dadurch würden aus ihnen Männer ohne Fähigkeit, ihre Emotionen auszudrücken.

Außerdem stellte er klar, dass es nicht darum gehe, die Probleme von Männern und Frauen gleichzusetzen – oder weiblichen Personen sexistische Erfahrungen abzusprechen. Vielmehr sei das Ziel, Schmerzen und Probleme derer anzuerkennen, die bisher wenig darüber sprechen würden. Der Nutzer forderte, dass man Jungen beibringen müsse, ihre Traumen, ihre Ängste und ihre Erfahrungen mit Misshandlung zu äußern, ohne die Angst, dass diese ihnen aufgrund ihres Geschlechts abgesprochen würden. Er schrieb, dass man anerkennen müsse, dass Jungen in ein patriarchales System hineingeboren würden und dieses erst durch Sozialisation und Erziehung verinnerlichen würden.

Die Aussagen trafen auf große Zustimmung. Trotzdem wurde auch wiederholt angemerkt, dass Männer in einem patriarchalen und von sexistischen Strukturen geprägten System ihre Machtposition nutzen müssten, um die Veränderung festgefahrener und überholter Geschlechterrollen zu verändern – unabhänging davon, ob diese sich auf Männer oder Frauen beziehen.