Es gibt vieles, das man teilt, sobald eine neue Beziehung anfängt. Tiefkühlfächer mit Zwei-Euro-Pizzen von Edeka für die finanziell zart besaiteten Tage des Monats, eine ausgeprägte Abneigung gegen How I Met Your Mother, wenn man Glück hat mit der Schuhgröße vielleicht sogar ein neues paar Dr. Martens – und, nicht zu vergessen – jede Menge Accounts mit Zugang zu unterschiedlichen Streaming-Diensten.

Allen voran natürlich Netflix, Amazone Prime, Spotify und Apple Music. Das Herausrücken des Passworts an einem verregneten Sonntagabend, bevor man nach Hause fährt, es setzt neue romantische Maßstäbe in digital stürmischen Zeiten.

Nur: Was passiert, wenn die Beziehung endet? Es gibt bereits eine ganze Reihe an Memes, die die Komplexität dieser Angelegenheit verdeutlichen. Dargestellt werden dabei vor allem zwei Verhaltensweisen. Zum einen jene, dem*der anderen ordentlich eins auszuwischen, indem man vermeintliche Kontrolle durch das Ändern des Passworts ausübt. Ergibt Sinn, irgendwie. Oder? Ein letztes Mal zeigen, wer die Hosen wirklich anhat.

Zum anderen die Variante, die das Unbehagen verdeutlicht, das viele überkommt, sobald sie den Account des*der anderen heimlich weiternutzen. Stets im Wissen darüber: Das hier fühlt sich irgendwie falsch an. Warum eigentlich?

Wenn die Änderung des Netflix-Passworts zu einer geplanten Racheaktion wird, die vor allem dadurch vonstatten geht, dass man dem*der anderen sicherlich nicht auch noch freien Zugang zu einer kuratierten Mediathek überlässt – nach all dem, was er*sie mir angetan hat – was sagt das nicht nur über die Beziehung, sondern auch über eine Gesellschaft aus? Ist dieser Schritt tatsächlich notwendig?

Gönnt man dem*der anderen nicht einmal einen monetären Vorteil von fünf bis zehn Euro pro Monat?

Erst unlängst meinte ein guter Freund, dass er nach wie vor alle Accounts seiner Exfreundin nutzen würde, dass das sozusagen eine stille Abmachung zwischen ihnen bei der Trennung gewesen sei. Er ist ausgezogen, sie hat die Passwörter beibehalten. Die beiden sprechen weder miteinander noch weiter darüber, er zieht sich nach wie vor Serien über ihren Account rein – auch mit neuen Affären und Tinderdates.

Ob er das nicht komisch fände? Fast ein bisschen so, als ob man den*die Expartner*in betrügen würde? Immerhin klickt man zu Beginn der Session auf den Namen der Person, die man einmal geliebt hat, nur um dann mit jemand anderes davor zu liegen? Er verneint. Technik ist Technik ist Technik und ob dort nun Leonie oder Birte steht, macht für ihn keinen Unterschied.

Die Sache ist für ihn gegessen – und wenn seine neuen Bekanntschaften damit ein Problem haben, ist es nicht seines.

Fair enough. Bei anderen Überbleibseln einer Beziehung macht man diese strikte monetäre Abwägung schließlich auch nicht. Weder beim Pullover, den der*die andere dagelassen hat oder dem Buch, das man irgendwann noch zurückgeben wollte. Angeblich. Der Preis dieser Dinge beläuft sich im Wesentlichen auf drei bis sechs Monate Netflix-Schauen.

Anders als beim Pullover, den man in die Altkleidersammlung stecken kann, wirkt Technik verbindend."

Der Unterschied? Anders als beim Pullover, den man in die Altkleidersammlung stecken kann, wirkt Technik verbindend. Man sieht auf Netflix, was der*die andere zuletzt gesehen hat. Nichts verschwindet. Gruselig, nicht? Durch das Ändern des Passworts kann Macht aus der Distanz ausgeübt werden. So verweigert man dem*der anderen etwas, das diese*r gerne hätte, während man weiterhin im Genuss bleibt.

Perfide – oder einfach nur fair?

Immerhin gibt es ja auch Menschen, die sich von allen Gegenständen des*der Verflossenen trennen, weil sie nicht konstant getriggert werden möchten.

Außerdem: Warum sollte man für den kostenlosen Fernsehkonsum einer anderen Person aufkommen, wo man doch gar nicht mehr zusammen ist? Die andere Frage: Warum sollte man es nicht, wo wir uns doch als Digital Natives so viel Sharing-Fähigkeit zugestehen? Es tut nicht weh, Accounts zu teilen, es kostet in einigen Fällen auch nicht mehr. Gerade wenn man ewig zusammen war und sich eigentlich gut verstanden hat, könnte man diese Großzügigkeit auch als nette Geste einer Person einordnen, die nicht jeden vergangenen Streit auf die Goldwaage legt. Die gibt, ohne zu fordern.

Nur, in so einer Gesellschaft leben wir zumindest in Deutschland – auf wenige Ausnahmen abgesehen – nicht. Warum jemandem etwas gönnen, wenn wir im Gegenzug nichts dafür bekommen? Warum jemand anderen mitfinanzieren, der nicht mehr aktiv zu unserem Wohlbefinden beiträgt?

Es sind philosophische Grundfragen, die hier aufgeworfen werden und nach menschlicher Größe verlangen. Dort, wo man eigentlich kleingeistig reagieren, sich den Augenblick vorstellen möchte, an dem der*die andere nicht mehr in den Account reinkommt und selbst die Karte zückt.

Geteilte Accounts – vor allem die, die man gemeinsam angelegt hat – geben instabilen Beziehungen einen völlig neuen Rahmen und konfrontieren diese am Ende mit Praktiken, die sonst von Scheidungen bekannt sind. Du bekommst die Couch, ich nehme den Fernseher samt Amazon-Stick! Solange es keine verschriftlichten Klauseln für Sharing-Verträge nach Ende einer Beziehung gibt, die das Ändern des Passwortes automatisieren, könnte man auch einfach darüber reden.

Man könnte dem*der anderen vorschlagen, einen Dauerauftrag über eine bestimmte Summe einzurichten. Ganz erwachsen. Dann fühlt sich keine*r von beiden ausgenommen. Die Beziehung wird dadurch zwar auch nicht mehr wiederauferstehen, aber immerhin erspart man sich nach dramatischen Wochen und schlechter Laune am Ende zumindest ein bisschen Geld. Und wenn das alles ist, was von einer beendeten Beziehung übrig bleibt: der Name des*der anderen, für immer als Intro zum Beginn eines jeden Netflix-Marathons gespeichert.

Bis auf das Internet euch scheidet. Amen!