Mittlerweile dürfte es wirklich jeder mitbekommen haben: Am 24. September ist in Deutschland Bundestagswahl. Während es für die meisten Deutschen völlig normal ist, dass sie an diesem Tag wählen gehen, erlaubt es das Wahlrecht nicht allen Personen hierzulande, ihre Stimme abzugeben.

Laut Bundeswahlgesetz können alle deutschen Staatsbürger*innen wählen gehen, die volljährig sind, seit mindestens drei Monaten in der Bundesrepublik wohnen und nicht vom Wahlrecht ausgeschlossen sind. Sie besitzen das sogenannte aktive Wahlrecht, das Recht zu wählen. Wer als deutsche*r Staatsbürger*in schon länger im Ausland lebt, muss die Teilnahme an der Bundestagswahl jedes Mal neu beantragen.

Damit kann ein Großteil der Menschen in Deutschland ihre Stimme abgeben, laut Bundeswahlleiter sind 61,5 Millionen Deutsche wahlberechtigt. Dieses Recht nutzen aber nicht alle. Bei der vergangenen Bundestagswahl sind nur 71,5 Prozent von ihnen wählen gegangen.

Keine Wähler*innen unter 18

Wähler*innen unter 18 sind von der Wahl ausgeschlossen. Schon oft gab es die Debatte, ob wählen nicht bereits ab 16 erlaubt sein sollte. SPD und Grüne fordern das auch im Zuge der nächsten Bundestagswahl. Schließlich geht es am Ende auch um die Zukunft der heutigen Jugendlichen. Laut SPD-Generalsekretärin Katarina Barley sei es deshalb nur fair, den Jüngeren mehr politisches Gewicht zu geben: "Es gibt bereits heute ein Ungleichgewicht zwischen den berechtigten Interessen der Jungen gegenüber denen der Senioren", sagte sie gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. In Bremen, Brandenburg, Schleswig-Holstein und Hamburg ist wählen ab 16 auf Landesebene auch schon möglich. In zehn Bundesländern ist es auf Kommunalebene erlaubt.

Kein Wahlrecht für ausländische Staatsbürger*innen

Die U18-Jährigen dürfen ihr Kreuzchen zumindest setzen, wenn sie irgendwann volljährig sind. Ausländische Staatsbürger*innen, also Menschen, die keinen deutschen Pass besitzen, sind laut Gesetz jedoch ausgeschlossen – ganz egal, wie lange sie schon in Deutschland leben. EU-Bürger*innen dürfen immerhin bei Kommunalwahlen mitwählen.

Laut Statistischem Bundesamt waren Ende vergangenen Jahres rund 10 Millionen Menschen mit ausschließlich ausländischer Staatsangehörigkeit hierzulande erfasst. Die größte Gruppe davon bilden die 1,5 Millionen Türk*innen und fast 785.000 Pol*innen, die als Gastarbeiter*innen nach Deutschland kamen. Mittlerweile leben zudem über 600.000 Syrer*innen in Deutschland, die vor allem in den vergangenen zwei Jahren hierher kamen.

Viele von ihnen besitzen keinen deutschen Pass, etwa weil die Einbürgerungsbedingungen nicht erfüllt sind oder weil sie ihre jetzige Staatsangehörigkeit nicht aufgeben wollen. Damit werden sie beim Wahlergebnis aber auch nicht repräsentiert. Für manche ist das ein Rätsel, etwa für den Türken Aydin Akin, der seit über 40 Jahren als Steuerberater in Berlin arbeitet und für ein Wahlrecht für Nicht-Deutsche demonstriert. Das Portal wahllos erzählt seine Geschichte: "Ich bin hier ein guter Steuerzahler, darf aber nichts dazu sagen, was mit meinem Geld passiert", sagt Akin dort.

Menschen unter Totalbetreuung und psychisch kranke Straftäter*innen

Während die Gruppe der ausländischen, vom Wahlrecht ausgeschlossenen Büger*innen fast ein Achtel der Bevölkerung ausmacht, gibt es nur wenige deutsche Staatsbürger*innen, die ihre Stimme nicht abgeben dürfen. Die größte Gruppe – und auch am meisten diskutierte – bilden diejenigen, bei denen ein*e Betreuer*in das Leben in allen Angelegenheiten regelt.

Darunter fallen Menschen mit einer geistigen oder körperlichen Behinderung oder Demenz, aber lange nicht alle. Normalerweise stehen diese nämlich nicht unter sogenannter Totalbetreuung, sondern haben nur für bestimmte Lebensbereiche eine*n Betreuer*in.

Ebenfalls gesetzlich von der Wahl ausgeschlossen sind diejenigen, die eine Straftat begangen haben, aber aufgrund einer seelischen Störung als schuldunfähig eingestuft und in ein psychiatrisches Krankenhaus eingewiesen worden sind. Zusammen mit den Menschen unter Totalbetreuung zählen sie bundesweit knapp 85.000 Bürger*innen. Politische Schlagkraft hat diese Gruppe kaum, wie der Spiegel feststellt: Der Ausschluss vom Wahlrecht betrifft gerade einmal 0,14 Prozent der Menschen, die bei der vergangenen Bundestagswahl wahlberechtigt waren, und 0,83 Prozent der Menschen mit amtlich anerkannter Behinderung.

Die Frage, ob der Wahlausschluss von Menschen unter Totalbetreuung wirklich nötig ist, wird stark diskutiert und thematisiert, etwa von der Behindertenbeauftragten der Bundesregierung, Verena Bentele. Sollte das wichtigste demokratische Recht in Deutschland, das Recht zu wählen, nicht allen zugänglich sein? Denn auch Menschen unter Totalbetreuung sind nicht zwangsläufig total unselbstständig. So berichtete die Tagesschau erst kürzlich über Julian Peters aus Viersen, 29, der sich zwar für Politik interessiert, aber nicht wählen darf. Seine Eltern und sein Bruder sind seine Betreuenden in allen Angelegenheiten.

"Warum sollte ein Demenzkranker im Altersheim wählen dürfen, ein Behinderter in einer Wohngemeinschaft aber nicht?", fragt auch Spiegel Online in einem Bericht über das Thema. Das Argument, jemand könnte sich der Stimme der Menschen unter Totalbetreuung bemächtigen, hat Lücken. Vor Manipulation sei man nie geschützt, dann müsste man die Briefwahl komplett abschaffen, wird Philipp Peters, Sprecher der Lebenshilfe Nordrhein-Westfalen, zitiert.

Beispielhaft gehen in dieser Hinsicht rund die Hälfte der 28 EU-Staaten voran. Sie handhaben das Wahlrecht für Menschen mit Behinderung lockerer. Entweder dürfen dort ausnahmslos alle Bürger wählen, etwa in Finnland, Irland oder den Niederlanden. Oder das Wahlrecht kann nur ein Richter entziehen, der das individuell entscheidet. Zwei Bundesländer haben den Wahlausschluss auch in Deutschland bereits abgeschafft: Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein. Damit dürfen auch Menschen unter Totalbetreuung an allen Wahlen auf Landesebene teilnehmen.

Politische Straftaten führen zu kurzzeitigem Wahlrechtsentzug

Die letzte vom Wahlrecht ausgeschlossene Personengruppe sind diejenigen, denen ein*e Richter*in aufgrund einer politischen Straftat das Wahlrecht zwei bis fünf Jahre entzogen hat. Gründe können sein, wenn jemand einen Angriffskrieg vorbereitet hat, die Verunglimpfung des Bundespräsidenten oder auch Wahlfälschung. Wer wegen einer nicht-politischen Straftat, zum Beispiel wegen Mordes, Totschlags oder eines Einbruchs, im Gefängnis sitzt, darf weiterhin wählen. In den USA sind die Regelungen in dieser Hinsicht krasser. Hier dürfen Häftlinge, außer in den Bundesstaaten Maine und Vermont, nicht wählen.

Dass das Wahlrecht aufgrund einer politischen Straftat entzogen wird, kommt aber anscheinend nur sehr selten vor. Wie der Stern berichtet, hätte man sich beim Bundesverfassungsgericht nicht erinnern können, überhaupt schon einmal ein derartiges Verfahren angestrengt zu haben.

Was heißt das für die Wahl?

Auch wenn die Mehrheit der Menschen in Deutschland wählen darf, können einige Bürger*innen am Sonntag ihr Stimme nicht abgeben. Das heißt auch: Sie werden nicht repräsentiert, aber hinterher regiert. Ob sich daran bis zur nächsten Bundestagswahl etwas ändert, bleibt abzuwarten.