Mein Weg zur Fahrerlaubnis war lang, nervenaufreibend, teuer und vor allem sinnlos, denn ich brauche den Führerschein nicht. In das Auto meiner Eltern setze ich mich höchstens alle zwei Monate und dann fahre ich nicht, weil ich es muss, sondern um nicht aus der Übung zu kommen. Ein eigenes Auto besitzen? Ich wüsste nicht, wozu.

Weniger Prüfungen und Autokäufe

Einen Führerschein zu machen ist ziemlich teuer: Je nach Lage der Fahrschule kann die Fahrerlaubnis bis zu 2.000 Euro kosten. Und wer sich ein Auto kauft, zahlt anschließend die laufenden Kosten für Sprit und Versicherung. Für viele junge Menschen sind das unnötige Ausgaben, denn immer weniger von ihnen sind überhaupt auf den motorisierten, fahrbaren Untersatz angewiesen.

Die aktuellste Statistik des Kraftfahrt-Bundesamtes und eine große Studie des Instituts für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel (InnoZ) zeigen: Mein Verhältnis zu Autos und dem Führerschein ist nicht ungewöhnlich. Sowohl die Zahl der Führerscheinprüfungen als auch die der Autokäufe durch junge Menschen geht in Deutschland seit Jahren zurück.

Die Studie des InnoZ zeigt allerdings auch: "Auf dem Land sinkt die Zahl der Führerscheinprüfungen wesentlich langsamer als in städtischen Regionen, und viele Jugendliche absolvieren dort die Prüfung bereits im Alter von 17 Jahren (InnoZ Studie S.22)." Für Menschen, die an Orten mit einer schlechten Infrastruktur leben, sind der Führerschein und ein eigener Wagen also weiterhin wichtig. Ein Auto bedeutet für sie Unabhängigkeit und Freiheit.

Ich bin in einer Großstadt aufgewachsen. Supermarkt und Schule lagen um die Ecke, weite Strecken ließen sich bequem mit der Bahn oder auf dem Fahrrad zurücklegen. Ich sah daher keine Notwendigkeit darin, den Führerschein zu machen, doch meine Eltern bestanden darauf. Nach der Schule zog es mich in eine andere Großstadt. Auch hier kam ich ohne Auto prima zurecht – und den Führerschein brauchte ich schlicht nicht. Doch auch meine zugezogenen Freund*innen verzichten auf das Auto in der Stadt.

Urbanisierung

Immer mehr junge Leute zieht es in große Städte wie Berlin oder München. Dort kommt man mit öffentlichen Verkehrsmitteln meist schneller und zuverlässiger ans Ziel als mit dem Auto.

Eine amerikanische Studie belegt, dass Menschen, die in einer Stadt mit gutem Nahverkehrssystem leben, diese Art der Fortbewegung auch dann bevorzugen, wenn sie in Kleinstädten und dörflicheren Gegenden unterwegs sind. Und die Wahrscheinlichkeit, dass Großstädter*innen, die eines Tages aus der Stadt wegziehen, trotzdem weiterhin Bus und Bahn als Verkehrsmittel bevorzugen, liegt zwischen dreißig und sechzig Prozent.

Alternativen zum Auto

Denn seit Jahren wächst in deutschen Städten der Markt für alternative Mobilitätsangebote: In Berlin, Hamburg und Köln kann man über verschiedene Anbieter Fahrräder leihen. In Berlin unterstützt der Senat die Bike-Sharing-Unternehmen sogar finanziell und die Stadt investiert in den Ausbau von Radwegen. Mit dem Fahrrad bleibt man nicht im Stau stecken, kann Schleichwege nutzen und tut ganz nebenbei auch noch etwas für die eigene Fitness. Kein Wunder, dass bereits im Jahr 2012 mehr Fahrräder als Neuwagen gekauft wurden.

Mein Fahrrad kostete mich 50 Euro. Es ist alt und klapprig, aber es bringt mich kostenlos und schnell an mein Ziel. Ich brauche dafür keinen Führerschein, muss das Rad nicht auftanken und kann es abstellen, wo ich will.

Wertewandel

Wissenschaftler*innen weltweit erkennen schon seit Jahren einen Wertewandel in der neuen Generation. So zeigt die Studie des InnoZ, dass traditionelle Werte wie Pflichterfüllung und Wohlstand an Wichtigkeit verlieren. Junge Menschen streben stattdessen nach Selbstverwirklichung und Solidarität. Ein eigenes Auto ist für viele längst kein Statussymbol mehr.

Zudem haben sich die Ausbildungszeiten und die Übergangsphase zwischen Lehre und Beruf in den letzten fünfzehn Jahren verlängert. Und wer erst später eigenes Geld verdient, kann sich einen Führerschein oder ein Auto auch erst später leisten.

Mediennutzung

Stattdessen investieren junge Menschen ihr Geld lieber in ein neues Smartphone. Das ist deutlich billiger als ein Führerschein und ein Auto, aber es macht ebenfalls mobil: Mit zahlreichen Apps lässt sich blitzschnell die richtige Bahnverbindung finden, ein Fahrrad leihen oder das Bahnticket direkt aufs Handy laden.

"Diese technischen Entwicklungen erhöhen die Attraktivität alternativer Verkehrsmittel und führen so letztlich zu einem neuen Verhältnis zur Mobilität", sagt Schönduwe vom InnoZ.

Das Auto wird laut ihm nur noch dann genutzt, wenn es schnell und unkompliziert zur Verfügung steht. Junge Menschen nutzen es immer pragmatischer.

"Eines Tages wirst du uns dankbar sein"

Als ich mir damals unsicher war, ob ich den Führerschein wirklich wollte, mahnten meine Eltern: "Du wirst uns noch dankbar dafür sein, dass wir dich überredet haben, die Prüfung zu machen. Eines Tages wirst du sicherlich ein Auto brauchen."

Vielleicht werden sie recht behalten. Denn wer kann schon wissen, ob ich nicht doch irgendwann aufs Land ziehen werde oder ein Auto gut gebrauchen kann, wenn ich Kinder habe.

Der Führerschein ist ein Luxus für mich: Die Möglichkeit zu haben, in ein Auto steigen und damit dorthin fahren zu können, wo weit und breit kein Bus und keine Bahn hält, ist unheimlich befreiend. Ein eigenes Auto brauchte ich aber bisher nicht – und ich hoffe, dass es so bleibt.