Die Bayernwahl ist noch keine zwei Tage her, schon bereiten die Spitzen der Freien Wähler (FW) einen Koalitionsvertrag vor. Dabei ist noch nicht einmal sicher, dass es zu Sondierungsgesprächen mit der CSU kommen wird.

Doch die FW meinen es ernst, sie wollen mitregieren. Und tatsächlich gilt es als sehr wahrscheinlich, dass sie in wenigen Wochen gemeinsam mit der CSU die Regierung stellen wird – aus Mangel an Alternativen. Auf diese Gelegenheit wartet die Partei seit Jahren.

Was für eine Partei sind die Freien Wähler?

Die Freien Wähler sind eine liberal-konservative Partei, die sich aber selbst bislang eher als große Bürgerinitiative sieht, wie ihr Spitzenkandidat Hubert Aiwanger sagt. "Wir lassen uns nicht in ein Links-Rechts-Schema pressen", sagte Aiwanger zum Wahlkampfabschluss vor wenigen Tagen in München. "Wir sind pragmatisch."

Die Freien Wähler preisen ihre Schwerpunkte im Programm mit Hashtags an. Sie lauten: #FreieGesellschaft, #LebenswerteHeimat, #BesteBildung, #StarkerStaat, #SozialeSicherheit, #SpitzenWirtschaft und #DigitaleZukunft (hier das ganze Programm als PDF). In vielen Punkten ähnelt das Programm dem der CSU. Die Kontrollen an der bayerischen Grenze zu Österreich sollen beispielsweise aufrechterhalten werden. Der Familiennachzug für Geflüchtete soll begrenzt bleiben. Asylverfahren sollen beschleunigt werden.

In manchen Punkten geht es allerdings über das CSU-Programm hinaus. Die Freien Wähler wollen beispielsweise eine kostenfreie Kinderbetreuung einführen und einen Master-Abschluss für alle Bachelor-Absolvent*innen garantieren. Ein wichtiges Anliegen ist es außerdem, die dritte Startbahn am Münchner Flughafen zu verhindern. Sie wollen außerdem das Raumfahrtprogramm Bavaria One beenden und keine berittene Polizei in Bayern. Einen ideologischen Konsens gibt es, anders als etwa bei CSU oder SPD, aber nicht; dadurch bewegt sich die Partei immer auch an der Grenze zum Populismus. Über allem steht bei den Freien Wählern der Wunsch, Kommunen zu stärken – auf Wahlkämpfen ist immer wieder der Vorwurf zu hören, die Landes- und Bundespolitik höhle die Eigenständigkeit der Kommunen aus.

Von den anderen Parteien unterscheiden sich die Freien Wähler auch in der Struktur, aus der sie entstanden ist.

Wie sind die Freien Wähler entstanden?

Ihren Ursprung haben die Freien Wähler in unabhängigen kommunalen Wählergemeinschaften, die nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden. Viele heißen auch Freie Wähler, andere tragen lediglich ähnliche Namen. Es gibt sie in jedem Bundesland, am einflussreichsten sind diese Wählergemeinschaften aber in Baden-Württemberg, wo sie in Kommunalwahlen regelmäßig Erfolge verzeichnen. Im Heimatort des Autors stellen die Freien Wähler etwa den Bürgermeister.

In den 1950er Jahren wurden erste Landesverbände gegründet, damit die Interessen der einzelnen Gemeinschaften auch auf Landesebene vertreten werden konnten. Diese gibt es ebenfalls in allen Bundesländern. Doch Unabhängigkeit wird bis heute von einigen Gruppen bevorzugt – sie sind kein Teil ihres jeweiligen Landesverbandes. In Nordrhein-Westfalen etwa sind nur 34 Prozent der 470 Wählergemeinschaften Mitglied im Landesverband. Das erklärt unter anderem, warum es kein einheitliches Logo gibt.

Der Bundesverband wurde 1965 gegründet. Hier verhält es sich ähnlich wie auf Landesebene: Nicht alle Landesverbände sind Mitglied. Schleswig-Holstein etwa trat bislang nicht bei, Brandenburg und Bremen wurden ausgeschlossen, weil der Bundesverband bei ihnen Anzeichen für eine "rechte Unterwanderung" ausgemacht habe. Und Baden-Württemberg, quasi das Haupt-Freie-Wähler-Land, ist ebenfalls kein Mitglied, es trat 2009 aus nach Streitigkeiten um eine Teilnahme an der Europawahl aus.

Aus dem Bundesverband entstand 2010 die Bundesvereinigung der Freien Wähler, also die eigentliche Partei, um an Bundestagswahlen teilnehmen zu können. Aus der Kleinstpartei mit etwa 4.500 Mitgliedern entstanden später Ländervereinigungen als Parteivertretungen in den jeweiligen Bundesländern – wie etwa die Freien Wähler Bayern.

Warum sind die Freien Wähler in Bayern so erfolgreich und wer wählt sie?

Die Freien Wähler sind in Bayern wohl am prominentesten vertreten, sie sitzen dort schon seit 2008 im Landtag – übrigens seitdem mit immer etwa zehn Prozent der Stimmen als drittstärkste Kraft. Sie bietet dort allen, die zwar konservativ, aber nicht CSU wählen wollen, eine Alternative. Neu ist, dass sie nun erstmals regieren könnte, weil die CSU massiv Wähler*innen einbüßte und zu einer Koalition mit einer anderen Partei gezwungen ist. Am wahrscheinlichsten ist eine Zusammenarbeit mit den Freien Wählern, die bereits genaue Vorstellungen davon haben, wie diese aussehen soll. So will man etwa drei wichtige Ministerien besetzen.

Zum Erfolg der Partei dürfte auch der Spitzenkandidat und Bayernchef Hubert Aiwanger beigetragen haben. Spiegel Online beschrieb ihn als Sphinx von Rahstorf und als einen der wenigen Politiker*innen, die im Landtag ohne Manuskript eine pointierte Rede halten können: "Seine deftigen Wortbeiträge haben das Maximilianeum lebendiger gemacht. [...] Mit populistischen Thesen kann er jonglieren wie nur wenige in Bayern." Der 47-jährige Aiwanger ist gelernter Landwirt. Er gilt als Albtraum der CSU, weil er sich genau da positioniert, wo deren Wähler*innen unzufrieden sind. 170.000 Wähler*innen verlor die CSU bei dieser Wahl an die Freien Wähler. Aber auch 70.000 SPD-Wähler*innen und 10.000 FDP-Wähler*innen wechselten zu den FW.

Gewählt wurden Aiwanger und seine Freien Wähler insgesamt von 11,6 Prozent der Bayer*innen. Der größte Teil dieser Wähler*innen ist laut der Forschergruppe Wahlen zwischen 45 und 59 Jahren alt (PDF), in ganz Bayern haben in dieser Altersgruppe 13 Prozent die Freien Wähler gewählt. Von den unter 30-Jährigen in Bayern haben 10 Prozent die FW gewählt. Die FW-Wähler*innen kommen aus allen Gesellschaftsschichten. Außerdem hält sich die Waage bei Männer und Frauen – es gibt keinen Unterschied beim Wahlverhalten nach Geschlecht.