Wieder eine App zur Optimierung von irgendwas. Das war mein erster Gedanke, als mir eine Freundin in einem Club in Wien von einer Webseite namens OMGYes erzählte, deren Videos das Sexleben von Frauen verbessern, die weibliche Lust entfesseln und den Orgasmus optimieren sollen.

Grundsätzlich geht mir der Optimierungszwang in unserer Gesellschaft ziemlich auf die Nerven. Optimiere dein Zeit-Management, deine Kommunikation, deinen Körper, deine Beziehung und deine Leistung. Tausende Apps und Ratgeber wollen uns zeigen, wie wir von der Küche bis zum Arbeitsplatz mehr leisten.

Während meine Freundin weiter von der Webseite erzählt, verschüttet sie Weinschorle auf ihrem Kleid und meinen Schuhen. OMGYes habe ihr Sexleben verändert, betont sie. Seit sie die Videos gesehen habe, komme sie öfter zum Höhepunkt und ihr Freund wisse endlich, was zu tun wäre. Ich müsse mir das kaufen und endlich darüber schreiben. Sie wiederholt das immer wieder. Wie ein Mantra. Das klingt zwar mehr nach Sekte als sexy Aufklärung, aber meine Neugierde ist geweckt. Als sie weiter an die Bar zieht, kann ich nicht aufhören, darüber nachzudenken. Wie diese Seite wohl funktioniert? Welche Frauen dort was erzählen?

So kam es, dass ich mir die erste Staffel kaufte. 39 Euro – nicht gerade ein Schnäppchen. Bei dem Preis zögerte ich kurz. Dann dachte ich mir, gibt es etwas, in das es sich mehr zu investieren lohnt, als die weibliche Lust? Eben.

Die Seite ist schön aufbereitet und schnell wird klar, die Frauen hier erzählen kein oberflächliches Geschwätz, sondern von sehr konkreten Techniken. Auf OMGYes berichten bewusst nur Frauen über ihre Lust, aber auch Männer und Paare können sie nutzen – im Grunde jede*r über 18 Jahre.

Die unerforschte weibliche Lust

OMGYes hat mit mehr als tausend Frauen in den USA gesprochen. Die Frauen berichteten von den Erkenntnissen aus ihren sexuellen Erfahrungen: Wie sie entdeckten, was für sie funktioniert, was für Aha-Erlebnisse sie im Laufe ihrer sexuellen Entwicklung hatten und was sie sich wünschten, das alle Partner*innen über die weibliche Lust wissen sollten. Danach folgte eine quantitative Studie in Zusammenarbeit mit der Indiana University of Public Health. Diese gilt als erste, landesweit repräsentative Studie zu den Besonderheiten der weiblichen Lust überhaupt.

"Die Feinheiten der weiblichen Lust sind deshalb unerforscht, weil die großen Institutionen der Forschungsförderung keine Risiken eingehen", erklärt OMGYes auf ihrer Seite. "Die Pharmaindustrie erforscht sexuelle Störungen, das Gesundheitswesen Verhaltensweisen, Medizin und Biologie, was beim Orgasmus im Körper abläuft. All das gilt als risikoarm, weil es weit genug von dem weg ist, was in unserer Gesellschaft immer noch als anstößig gilt: welche Art von Berührungen tatsächlich und ganz genau Frauen als lustvoll erleben."

Was willst du, Klitoris?

Schnell wird mir klar, wie wenig ich über meinen Körper weiß. In der Schule lernte ich viel darüber, wie ein Baum wächst, eine Biene lebt und ich nicht schwanger werde. Aber sehr wenig über den weiblichen Körper und nichts über die weibliche Lust an sich.

Darum ist es auch nicht überraschend, dass viele Männer und auch Frauen nicht recht wissen, wo sich die Klitoris befindet und was man mit ihr machen kann. Ich schließe mich davon nicht aus. Wo sie liegt, ist doch irgendwie klar, aber was sie alles kann und möchte, wurde mir durch die Videos bewusst.

Der weibliche Orgasmus an sich ist umwogen von Mythen. Manche Frauen scheinen ihn so einfach wie eine Tasse Kaffee morgens herunterzudrücken, andere Frauen hingegen haben nie oder nur sehr schwer Orgasmen. Eines ist aber mittlerweile klar, er funktioniert anders als der Höhepunkt der Männer. Das zeigen uns unzählige Studien.

Warum wir so wenig darüber wissen, ist leicht erklärt: In der Vergangenheit stand lange ausschließlich die Lust des Mannes im Vordergrund. Die Mainstream-Pornografie unterstützte das und fokussierte die Lust des Mannes. Erst langsam entdeckt die Gesellschaft, dass es so etwas wie weibliche Lust überhaupt gibt und es eben nicht nur um Rein und Raus geht. In den letzten Jahren gründete sich daraus auch eine ganze Fem-Porn-Industrie. Regisseurinnen wie Erika Lust oder Adrineh Simonian beschäftigen sich in ihren Filmen mit der weiblichen Lust. Seither beginnen Frauen in kleinen Schritten zu definieren, was Lust für sie unabhängig vom Mann bedeutet.

Die erste Staffel zum Höhepunkt

OMGYes will bei dieser Entdeckung helfen. In der ersten Staffel mit zwölf Episoden geht es hauptsächlich um die äußerliche Stimulation. Die Frauen in den Videos sind keine Schauspielerinnen und erzählen nicht nur von ihren Techniken, sondern zeigen sie auch. Was im ersten Moment befremdlich wirkt, macht klar, was für ein Tabu die Plattform damit bricht. Frauen nackt zu sehen, die Masturbation an ihrem Körper zeigen, ohne pornografisch zu sein – das gab es bisher nicht.

Vieles, was die Frauen in den Videos erzählen, ist an sich nicht neu. Aber sie zeigen, erklären und kombinieren Techniken sehr konkret und das macht die Seite interessant. Es tut wahnsinnig gut, Frauen ehrlich über Sex sprechen zu hören. Ganz frei von erwarteten Stereotypen, Prahlen oder Wunschvorstellungen. Es ist im Grunde, als würden Freundinnen den Mantel der Ehrlichkeit anziehen und sich an den Tisch setzen und Tacheles über Sex reden.

Die Entwickler*innen schreiben auf ihrer Seite, dass sie OMGYes ähnlich wie ein gutes Buch sehen: Du erwirbst es einmal, stellst es in dein Regal und schmökerst immer wieder darin, um dir Anregungen zu holen. Und das ist ihnen gelungen. Ich würde sogar noch weitergehen: Sie haben so etwas wie eine Bibel der weiblichen Lust in die Welt gesetzt. Mittlerweile sprach sich sogar die Feministin und Schauspielerin Emma Watson in einem Interview für die Plattform OMGYes aus: "Ich wünschte, es hätte diese Webseite schon vor langer Zeit gegeben. Sie ist ihren Preis wert."

Eine derartige Seite hat es dringend gebraucht. Sie macht Aufklärung sexy, stellt starke Frauen in den Vordergrund und macht einfach Spaß. In der Zukunft werde ich die Person sein, die im Club Freundinnen die Plattform aufschwätzen zu versucht. Denn ich denke, es ist verdammt wichtig, über die weibliche Lust zu sprechen. Und zwar so konkret wie möglich. Männer machen das bereits seit vielen Jahren so.

In der Serie "Sex am Schreibtisch" schreibt unsere Autorin regelmäßig über Sex im Alltag. Manchmal über ihren eigenen, meistens über die Bettgeschichten von anderen. Ihr habt Erfahrungen, Ideen oder Vorschläge? Dann schreibt ihr gerne eine Mail.