Bouldern ist mehr als eine hippe Sportart. Sie wirkt gegen Depressionen – vielleicht sogar so gut wie Psychotherapie und Antidepressiva. Das versuchen Wissenschaftler*innen der Universität Erlangen derzeit zu beweisen.

In einer Pilotstudie von 2015 konnte das Team erstmals belegen, dass Bouldern depressive Symptome lindert. Für die Untersuchung durften über zwei Jahre insgesamt 90 Patient*innen an die Kletterwand. Die Teilnehmer*innen wurden in Gruppen eingeteilt: Eine startete sofort mit der achtwöchigen Therapie, die andere erst nach zwei Monaten. Bei der zweiten Gruppe blieben die depressiven Symptome unverändert, bis sie die Klettertherapie begannen. Bei allen Patient*innen verbesserten sich die depressiven Symptome, sobald sie kletterten.

In einer neuen groß angelegten Studie soll nun herausgefunden werden, ob Bouldern genauso gut wie bereits etablierte Verfahren wirkt. Dazu werden die Proband*innen in drei Gruppen geteilt: Eine Gruppe wird klassisch mit einer Verhaltenstherapie behandelt, die zweite absolviert die Boulder-Therapie. Die dritte Gruppe bekommt ein anderes, sportliches Aktivierungsprogramm. Anschließend vergleichen die Wissenschaftler*innen, wie gut jeder der drei Therapieansätze wirkt. Hier können sich Betroffene aus dem Raum Erlangen/Nürnberg, München/Holzkirchen und Berlin bewerben, um an der zehnwöchigen Studie teilzunehmen.

Aus der Depression klettern

Warum soll Bouldern so wirkungsvoll gegen Depressionen sein? Dafür gibt es drei Erklärungsansätze:

1. Bouldern stoppt das Grübeln

Auch wenn Ausdauersport hilft, Stress abzubauen und Glückshormone auszuschütten: Wer joggt oder schwimmt, kann weiter negativen Gedanken nachgehen. Wer an der Kletterwand seinen Weg nach oben erarbeiten muss, kann hingegen an nichts anderes denken, als welchen Griff er*sie als nächstes benutzt. Diese Fokussierung gibt dem grübelndem Hirn eine Pause.

2. Bouldern stärkt das Selbstwertgefühl

Die Griffe an einer Kletterwand werden passenderweise Probleme genannt. Wer sich dran hängt, muss das Problem lösen – also einen Weg nach oben finden. Depressiven Menschen kann die Herausforderung und diese Form der Selbstwirksamkeit helfen, ihre Grenzen auszutesten und über diese hinauszuwachsen. Dies kann das Selbstwertgefühl stärken. Zudem ist Bouldern eine Sportart, die keine besonderen Vorkenntnisse erfordert. Über den Schwierigkeitsgrad und die Höhe, die man erklimmen möchte, kann man selbst bestimmen.

3. Bouldern weckt Gefühle

Vielen Menschen, die in einer depressiven Phase stecken, fällt es schwer, Zugang zu ihren Gefühlen zu finden. Sie fühlen sich leer. Klettern kann verschiedenste Emotionen auslösen: von Angst und Frust, eine Route nicht zu schaffen bis hin zu Freude, wenn man doch oben ankommt. Wie im wahren Leben lassen sich aber auch an der Wand nicht alle Probleme auf Anhieb lösen. Manche brauchen Geduld und Training. Wer regelmäßig bouldert, kann so den Umgang mit den eigenen Gefühlen trainieren.

4. Bouldern ist sozial

Wer bereits in einer Boulderhalle war, weiß: Bouldern ist ein ausgesprochen sozialer Sport. Auch wenn man allein an der Wand hängt, gehen viele in der Gruppe zum Klettern. Gemeinsam werden Routen überlegt und sich gegenseitig angefeuert. Anstatt miteinander zu konkurrieren, helfen sich die Kletterer einander. Für depressive Menschen, die sich oft zurückziehen, kann das eine heilsame Erfahrung sein.

Außerdem auf ze.tt: #LetsTalkAboutMentalHealth: Was bedeutet es, wenn du an einer Depression leidest?

Tanzen, Töpfern, Tetris spielen: Was hilft dir gegen depressive Stimmungen und Ängste? Schreib mir gern an josefine.schummeck@ze.tt.
HILFE HOLEN

Depression ist eine ernstzunehmende Krankheit, die professioneller Behandlung bedarf. Sport kann die Symptome lindern, eine Therapie aber nicht ersetzen. Falls du unter Depressionen leidest, findest du bei der Telefonseelsorge online oder telefonisch unter den kostenlosen Hotlines 0800-1110111 und 0800-1110222 rund um die Uhr Hilfe. Du kannst dich dort anonym und vertraulich beraten lassen.