Wow. Wow! Das ist es! Das ist die Zukunft!

Das waren meine ersten Gedanken, als ich 2007 in den Nachrichten Videoschnipsel aus Apples berühmter Keynote sah. Wie Steve Jobs da das iPhone aus der Tasche zog, ein Gerät, das Mp3-Player und Telefon vereinte und Zugang zum allmächtigen Internet gab (hier, ab Minute 00:22). Ich musste mir das selbst immer wiederholen: Das gesamte Wissen der Menschheit, abrufbar in meiner Hosentasche. Das Konzept der "Apps" und dieser Touchscreen erst – diese Technik, unglaublich. Ich fühlte mich plötzlich in der Zukunft angekommen. Als wäre ich Teil der romantischen Science-Fiction aus den Filmen.

Nach und nach kamen Werbespots ins TV. Ich erinnere mich gut: Das war ein monatelanges, echtes Staunen. Ich war gerade 16 damals. Viele konnten oder wollten sich das Gerät noch nicht leisten. Aber das Gefühl, dass das Ding hier viel verändern würde, das war da. Und so ging es vermutlich nahezu allen technikbegeisterten Menschen, ob sie nun Apple kannten und mochten, oder nicht. Man schielte mit gierigem Interesse auf die, die es sich kauften. Kann ich es mal ansehen? Darf ich das mal testen? Das iPhone, das war damals jahrelang das Symbol für technischen Fortschritt.

Das war die Zeit, in der sie auch mich gewonnen hatten. Die Jungs und Mädels aus Cupertino, dachte ich da noch; was für kreative Menschen. Man könne ihnen nicht genug für ihren Pioniergeist danken. Beim iPhone 4 stieg ich dann ein. Ich zählte mich zu den Apple-Jüngern. Ganze Internet-Foren gründeten sich, mit nur Apple und dem iPhone zum Thema. Dort wurde eine Art Fortschrittsgeist gelebt: Man wollte ergründen und sich gegenseitig helfen, auf den aktuellen Wissensstand zu kommen. Ich mochte den Community-Gedanken: Wir sind Teil der technischen Revolution, nicht nur Zuschauer*innen. In Diskussionen mit Freund*innen verteidigte ich Apple fortan vehement, gab mich wissend, nicht selten mit einem unterschwelligen "ihr werdet es schon auch noch begreifen".

Heute, zehn Jahre später

Was blieb von den Gedanken von damals? Naja. Heute habe viel eher ich begriffen. Ich sehe die Spots von damals und erinnere mich zwar an das Gefühl, es ist wie ein Schatten meiner eigenen Begeisterung. Heute sehe ich das aber anders. Weniger euphorisch. Weniger verblendet – denn Blenden, das war schon immer die hohe Kunst Apples.

Heute regen mich die Taktiken des Konzerns auf, wenn es etwa darum geht, den Fiskus zu bescheißen. Ich verurteile die krasse Preispolitik, die der verbauten Technik einfach nicht gerecht wird. Ich bemängele, dass dieser einst so hoch gelobte Service jetzt zu einem Glücksspiel geworden ist und man sich die eigentlich gesetzliche volle Gewährleistung von zwei Jahren erst erkaufen muss. Froh bin ich derzeit nur über eines: dass Siri immer noch so strunzdumm ist. Ich will keine künstliche Intelligenz in meiner Hosentasche herumtragen, die größer ist als meine eigene. Irgendwo bin ich noch der Junge von damals, lasse mich von Technik begeistern – aber heute macht sie mir eben auch Angst.

Bei all diesen negativen Gefühlen erkenne ich an, dass wir heute nicht da wären, wo wir sind, hätte es Steve Jobs' "one more thing" nicht gegeben. Dadurch wurde etwas verdammt Großes losgetreten, es war wie eine Welle. Unsere Leben wurden schlagartig digitaler, unsere gesamte Kommunikation wandelte sich. Schnelle Kurznachrichten, wie etwa über Whatsapp? Gäbe es ohne Apple heute nicht. Wir sind vielleicht abgelenkter, aber immerhin vernetzter. Einige werden jetzt sagen, dann hätte das statt Apple eben irgendwann ein anderes Unternehmen geschafft. Oder dass der Konzern das Prinzip "Smartphone" eigentlich nur geklaut und es um ein paar Aspekte erweitert hatte. Das mag alles sein. Der spannendste Punkt für mich aber bleibt die Selbstreflexion: Unfassbar, wie es dem kalifornischen Unternehmen gelang, ein Lebensgefühl zum Produkt mitzuverkaufen. Mir und Millionen anderen Menschen.

Natürlich war das alles eben kein Hokuspokus und das iPhone nicht "magisch", wie Steve Jobs es nannte. Jobs war damals schon eine lebende Legende, der Mythos um ihn ist untrennbar mit dem Erfolg des iPhones verbunden: Er war schließlich ein echter Nerd, im Silicon Valley aufgewachsen, baute Rechner in der Garage zusammen. Er war ein Kerl, mit dem man sich identifizieren konnte, der barfuß ins Büro kam, der in jungen Jahren LSD konsumierte und Bob Dylan hörte. Dass auch er so seine persönlichen Dämonen hatte – man sagt, er sei bisweilen recht herrisch gewesen und hätte Mitarbeiter*innen laufend gefeuert, weil er sich in seinem Genie angegriffen fühlte –, konnte man da leicht ausblenden. Hippie sein, das zog damals.

Das Marketing von Apple war schlicht perfekt. Und mit diesem Wissen hat der Zauber auch ein Ende. Ich nutze immer noch Apple-Geräte. Wie lange noch? Keine Ahnung. Ich rede mir ein, dass ich die Benutzerfreundlichkeit nicht missen möchte. Tatsächlich bin ich einfach nur faul. Immerhin weiß ich heute: Letzten Endes bleibt Apple ein Börsenunternehmen – und das iPhone ein Produkt. Nichts weiter.