Als der jungdynamische Kollege noch an seinem Bachelor und Bartwuchs arbeitete, hatte sie schon über zehn Berufsjahre auf dem Buckel und einen Führungsjob. Und trotzdem ist er ihr, als sich Jahre später ihre beruflichen Wege kreuzten, regelmäßig ins Wort gefallen, hat ihr erklärt, wie man "epischen Content createt" und nur im Ausnahmefall zugehört. Alles ungeheuer anstrengend und frustrierend. Doch Geschichten wie diese sind keine Einzelfälle.

Mansplaining im Job – also wenn Männer ungefragt bis herablassend Dinge erklären, die das Gegenüber selbst und unter Umständen sogar besser weiß – gehört für viele Frauen zum Berufsalltag. Das hat unlängst auch eine Umfrage ergeben.

Über 300 Mal pro Jahr

Das Finanzstartup Self hat 2.000 US-Amerikanerinnen danach gefragt, welche Probleme im beruflichen Kontext sie erleben und wo sie sich Verbesserungen wünschen. Neben ungleicher Bezahlung und fehlenden weiblichen Führungskräften ist ein Problem, so zeigte sich, tatsächlich Mansplaining im Job.

Im Schnitt erlebten die befragten Frauen demnach rund 300-mal pro Jahr, dass ihnen Männer Dinge erklärten, die sie bereits wussten. Wenn man Feiertage, Urlaubstage und Wochenenden abzieht, ist das mehr als einmal pro Tag. Meist würden es die betreffenden Männer laut Umfrage nicht mal merken.

Außerdem beklagten sich 40 Prozent der Befragten darüber, dass ihre männlichen Kollegen sie häufig als "zu fordernd" bezeichnen würden.

Und auch vorm Homeoffice macht Mansplaining nicht unbedingt Halt – obschon die Möglichkeiten ja eher begrenzt sind.

Woher kommt Mansplaining im Job?

Nun ist es natürlich nicht jedesmal Mansplaining im Job, wenn ein Mann einer Frau etwas erklärt – wer Ahnung hat, hat Ahnung. Es ist aber andererseits auch nicht so, dass Männern mit dem Penis auch eine automatische Erklärungsmacht gewachsen ist. Und auch, wenn Ratschläge und Tipps ja durchaus gut gemeint sein können – es ist mindestens extrem unhöflich. Diese Grafik erklärt das Problem ganz gut:

Ein Grund, warum überdurchschnittlich oft Männer Frauen, die selbst Expertinnen sind, Dinge erklären, ist laut Beraterin und Businesscoachin Carolin Lüdemann das Ego: "Dahinter kann häufig der Wunsch stehen, eine eigene Selbsterhöhung zu erfahren, indem man andere verbessert. Nach dem Motto: Ich weiß es besser, ich bin besser als du."

Es erfordert nämlich ein gewisses Maß an Souveränität, innerer Stabilität und Selbstbewusstsein, aktiv zuzuhören und zu sagen: "Erzähl mir, was du weißt – eventuell kann ich noch was lernen", anstatt sich permanent als stromberg'scher Alpha-Bescheidwisser beweisen zu müssen.

Auch Carolin Lüdemann selbst hat im Berufsalltag schon Mansplaining erlebt: "Sowohl bei mir selbst als auch bei anderen. Ich muss für mich jedoch feststellen, dass es mir in jüngeren Jahren öfter passiert ist; ab einem gewissen Alter scheint eine Frau als kompetenter wahrgenommen zu werden", sagt Carolin Lüdemann.

"Viel hängt aber auch – unabhängig vom Lebensalter – mit dem eigenen Auftreten zusammen", sagt die Beraterin. "Wer selbstbewusst ist, scheut sich nicht vor Auseinandersetzungen." Und kann sich so besser gegen mögliche Mansplainer durchsetzen.

So gehst du mit Mansplainern um

Gut gemeint ist das Gegenteil von gut – das trifft auch auf Mansplaining zu. Und weil es so verbreitet ist, kann es durchaus praktisch sein, sich mal ein paar Gedanken über den Umgang damit zu machen.

"Ich empfehle, bei ungefragten Erklärungen konsequent nachzufragen", rät Carolin Lüdemann. "Oft tun wir das nämlich nicht und der andere kommt mit halben Erklärungen durch. Also ruhig die zweite und dritte Rückfrage stellen." Dadurch werde dem Erklärenden vor Augen geführt, dass er sich in der Thematik vielleicht doch nicht ganz so gut auskennt. "Das nennt sich die Illusion erklärender Tiefe", so Lüdemann. "Man meint, etwas verstanden zu haben – bis man es im Detail erklären muss."

Es gilt: nachfragen statt nachgeben. "Auf keinen Fall das eigene Licht unter den Scheffel stellen, nach dem Motto 'Danke, dass Sie mir das erklärt haben'", sagt die Beraterin. Das bestätige den Mansplainer nur in seiner gefühlten Erklärungshoheit. "Nachfragen hingegen gibt die Möglichkeit, sich mit eigener Kompetenz wieder am Gespräch zu beteiligen", sagt Carolin Lüdemann.

Je nach Situation und Umfeld können auch schlagfertige Antworten passende Paroli bieten – solange sie nicht beleidigend oder verletzend sind. "Dabei aber nicht übers Ziel hinausschießen und einen Streit vom Zaun brechen", rät Lüdemann. Ein trocken eingeworfenes "Ach, was" oder "Das ist Ihre Meinung" bilden einen Anfang.

Falls das nichts nützt und der betreffende Kollege das mit den ungefragten Erklärungen einfach nicht lassen kann, helfe laut Lüdemann letztlich nur noch das klärende Vieraugengespräch.

Mehr Courage

Selbstredend sind Einzelmaßnahmen für konkrete Situationen nur so was wie Dinopflaster auf eine entzündete Schnittwunde. Es muss sich langfristig etwas in der Gesellschaft tun, damit Mansplaining im Job – und nicht nur da – weniger wird. Doch aller Anfang ist klein und das ist okay.

"Ich glaube, wir bräuchten vor allem mehr Engagement und Courage von denjenigen, die einen derartigen Vorfall mitbekommen", sagt Carolin Lüdemann. "Schön, wäre, wenn jemand aus einer solchen Runde aufstehen und der Betroffenen zur Seite stehen würde." Und das gilt im Grunde nicht nur für Mansplaining im Job, sondern für jede Ungerechtigkeit.