Die*der hat einen schlechten Einfluss auf dich!

Diesen Satz haben wir alle schon einmal gehört, von nahestehenden Freund*innen, Verwandten, aus dem Kollegium. Vielleicht brauchen wir dazu aber gar keine Fremdeinschätzung. Manchmal kommt der Moment, an dem uns das Gefühl beschleicht, in irgendeiner Weise negativ durch eine Person beeinflusst zu werden, von ganz allein.

Wir merken das daran, dass wir nach einem Treffen plötzlich schlechte Laune haben. Dass wir plötzlich Probleme sehen, wo wir vorher keine sahen. Spätestens dann sollten wir beginnen, unsere Beziehungen zu hinterfragen.

Wie wir toxische Beziehungen erkennen

Kürzlich erzählte mir eine Freundin, wie schwer es ihr manchmal nach der Begegnung mit einer ihrer Freundinnen falle, leichtfüßig durchs Leben zu gehen. Die Art und Weise ihrer Gespräche sei oft belastend, weil sie in einer düsteren Tonalität stattfänden, die ihr Energie rauben würde. Danach sei sie derart in ihrer Denke beeinflusst, dass sie erst mal eine Weile brauche, um wieder zu einer positiveren Grundstimmung zu finden.

Ich kenne solche Probleme ebenfalls. Mich belastet es etwa, wenn Menschen in meinem Umfeld viel jammern, stark klammern, permanent zynisch oder nervös sind, in einer destruktiven Art kritisieren oder beurteilen und so schlechte Energie ausstrahlen. Ich selbst spreche dann flapsig von toxischen Menschen. Oder eben toxischen Freundschaften.

Ich befragte die Psychologin und Autorin Ilona Bürgel über das Phänomen. Sie korrigierte mich zunächst: Sie glaube, es gäbe keine toxischen Freundschaften in diesem Sinne, weil Freundschaften per Definition nicht schädlich seien. Laut der Expertin gäbe es nur toxische Situationen.

"Diese haben sich meistens dahin entwickelt. Charakteristisch ist, dass sie einem oder beiden nicht gut tun", sagt sie. Die Verantwortung dafür trügen beide. Bürgel höre beispielsweise oft von Menschen, dass sie sich durch Freund*innen ausgenutzt fühlten. Doch auch dazu gehörten immer zwei: Ein Mensch stellt Ansprüche, der andere lässt es mit sich machen.

Wie immer also gilt: Der Schlüssel, mit diesen Widrigkeiten umzugehen, liegt bei uns selbst. Wenn wir die Schuld oder schlechten Einfluss bei anderen suchen, bedeutet das, dass wir selbst diesen schlechten Einfluss zulassen.

Um das besser einordnen zu können, könnten wir uns laut Bürgel vorab folgende Fragen zur betreffenden Person stellen:

  • Muss ich mich stark überwinden, etwa zu einer Geburtstagsfeier oder WG-Party zu gehen, auf der diese Person auch ist? Wäge ich davor lange Vor- und Nachteile ab?
  • Ist mir die Person oder Situation unangenehm, aber kann ich aus ihr lernen? Projiziere ich womöglich meine Probleme in manchen Momenten in sie hinein?
  • Kostet mich die Person oder Situation regelmäßig mehr Energie, als ich von ihr zurückbekomme? Wird mein Engagement von ihr wertgeschätzt?
  • Wo überschneiden wir uns?

Bemerken wir ein Muster, also fühlen wir uns bei oder nach Kontakt mit der Person nahezu immer schlechter, gibt es genau zwei Möglichkeiten: die Beziehung zu diesem Menschen aufzukündigen oder sie in eine Richtung zu lenken, mit der wir uns besser fühlen.

Tipps, wie wir mit belastenden Freundschaften umgehen können

In der Regel ist es gar nicht so einfach, engere Kontakte aus unserem Leben auszusortieren. Zu verwoben sind meist unsere Vergangenheiten, Geschichten, Bekanntenkreise. Zudem wollen wir sie nicht vor den Kopf stoßen oder verletzen, was wir mit einem simplen "Ich möchte keinen Kontakt mehr" sehr sicher erreichen würden. Klar ist auch: Wir werden eine Person nicht ändern können, das steht uns nicht zu. Auch sie hat ihre Beweggründe und Erfahrungen, die sie so agieren lassen, wie sie es tut. Dass wir ihre Eigenschaften akzeptieren, heißt aber nicht, dass wir uns von ihnen negativ beeinflussen lassen müssen.

Besser ist es, uns aus Selbstschutz erst einmal langsam aus der Freundschaft zurückzuziehen. So können wir Raum dafür gewinnen, sie in unserem Kopf neu zu bewerten. Es hilft, sich zunächst aufzuschreiben, in welchen Situationen genau uns der Kontakt unserer Meinung nicht gut tat. Welches Thema schlaucht uns? In welchen Momenten spüren wir diese negative Energie am stärksten? Wo findet das statt, in der Öffentlichkeit oder im privaten Raum? Sind wir dabei zu zweit oder in einer Gruppe?

Haben wir das für uns beantwortet, können wir diese Kniffe der jeweiligen Beziehung anpassen:

  • Selektiv zuhören: Wir können steuern, was wir in Gesprächen an uns heranlassen. Aufbauende und konstruktive Themen können wir aufnehmen, bei schwierigen mit Rat und Verständnis zur Seite stehen. Wenn uns aber etwa nahe Freund*innen mit sehr negativen Themen belasten, können wir immer dann aktiv weghören, wenn sie es anschneiden. Oft handelt es sich dabei ohnehin um einen Monolog, sprich, sie möchten sich Luft machen und Antworten sind nicht wirklich gefordert.
  • Das Gesprächsthema aktiv ändern: Wenn die Person recht fordernd kommuniziert, können wir versuchen, das Gespräch aktiv auf ein anderes Thema zu lenken, das für uns und sie positiver ist. Wer Schuldige sucht oder gerade seinem Zorn freien Lauf lassen möchte, den könnten wir mit gezieltem Beharren auf eine Lösung des Problems festsetzen. Also nicht einfach dagegen ansprechen, sondern ruhig die Fakten aufzeigen.
  • Den Kontakt minimieren und Distanz aufbauen: Merken wir keine Besserung, können wir die Kommunikation reduzieren. Das bedeutet, zu entscheiden, wann wir Nachrichten lesen, ob und wann wir Telefonate annehmen, nicht von selbst Gespräche und Treffen zu iniitieren und uns generell etwas rarer machen. Bemerken wir, dass die betreffende Person irgendwann keinen Kontakt mehr sucht, war die Beziehung vielleicht ohnehin nicht so wichtig und stark, wie es schien. Fragt sie uns irgendwann, was los sei, können wir ehrlich antworten. Dabei sollten wir unsere eigenen Gefühle voranstellen: "Ich fühle mich manchmal nicht gut, wenn wir uns gesehen haben und versuche gerade herauszufinden, warum das so ist. Also melde ich mich weniger." Entwickelt sich daraus ein klärendes Gespräch? Gut. Wenn nicht, und die Person ist eingeschnappt und wird schnippisch, ist auch das gut, denn das bestätigt uns nur darin, dass unser Weg der richtige war.

Letztlich lernen wir durch so einen Prozess auch viel über uns selbst. Wir können laut Psychologin Bürgel etwa sehen, wo unsere wunden Punkte liegen. "Meist haben wir zu wenig Selbstfürsorge und erwarten dann unausgesprochen von anderen die Lieferung unseres Glücks. Das können diese aber nicht leisten, weil sie nicht wir sind und keine Gedanken lesen können", sagt Bürgel. Wir könnten in solchen Phasen auch leicht Fragen beantworten, die uns selbst betreffen: Warum lassen wir uns ausnutzen? Warum fühlen wir uns anderen bis zum Umfallen verpflichtet? Hatten wir falsche Erwartungen? Vergleichen wir mit früheren Erfahrungen?

"Spätestens wenn wir besser für uns sorgen, haben es andere Menschen leichter mit uns, weil wir nicht alles auf die Goldwaage legen", sagt die Psychologin. Das Ziel sei zu lernen, Situationen und Menschen so anzunehmen, wie sie sind. "Dann verhalten wir uns auch selbstbewusster in toxischen Situationen."

In unserer Reihe "Wie du zu dir findest" beschäftigen wir uns damit, wie wir in dieser schnelllebigen Welt zurechtkommen. Wie werde ich zufriedener? Wie werde ich schädliche Denkmuster los? Für die Tricks und Kniffe – wir nennen sie Psychohacks – beschäftigen wir uns mit gängigen Studien und Methoden und befragen Expert*innen.