Vielleicht sollte ich, was wäre, wenn, warum habe ich damals – es sind Gedanken wie diese, mit denen Grübeleien oft beginnen und meist so schnell nicht wieder aufhören. Häufig reichen kleine Auslöser, um sie in Gang zu bringen. Doch warum ist Grübeln eigentlich schlecht? Und wie kann es gelingen, damit aufzuhören?

Diese Fragen wurden auch der Diplom-Psychologin Bona Lea Schwab, 34, häufig gestellt. Sie arbeitet in Stuttgart als psychologische Beraterin. "Grübeln war immer ein Thema bei meinen Klienten", sagt sie. So kam ihr der Gedanke, ein Buch darüber zu schreiben: das Anti-Grübel-Buch – Gedankenzähmen für Einsteiger. Im Gespräch mit ze.tt erklärt sie, warum wir grübeln und wie wir davon loskommen können.

Warum wir grübeln

ze.tt: Bona Lea Schwab, was genau ist eigentlich Grübeln?

Bona Lea Schwab: Ich bezeichne Grübeln gerne als Leerlaufgedanken. Wir brüten über einem Thema, drehen uns dabei im Kreis und kommen zu keinem Ergebnis. Es fällt schwer, aus den Gedanken auszusteigen, weil sie eine Art Sogwirkung entwickeln. Grübelgedanken beeinflussen stark, wie wir erlebte Situationen einschätzen und uns selbst wahrnehmen. Es sind meist bedrückende Gedanken oder Fragen wie "Warum kann ich nicht anders sein?" oder "Warum habe ich damals dies oder jenes nicht gemacht?".

Was ist schlecht daran, sich solche Fragen zu stellen?

Man muss unterscheiden zwischen Grübeln und Nachdenken. Beim Nachdenken geht es häufig darum, wie wir mit einer Situation fertig werden oder wie wir etwas verändern können. Das ist nach vorne gerichtet und lösungsorientiert. Grübelgedanken werden hingegen von ungünstigen Denkmustern gelenkt und zementieren den als negativ empfundenen Istzustand. Wir sehen uns und andere kritisch, werten uns ab, haben eine versperrte Sicht auf Handlungsoptionen und bleiben daher passiv. Das kostet viel Kraft, weil unser Gehirn auf Hochtouren läuft. Typische Gefühle, die durch das Grübeln verursacht werden, sind Traurigkeit, Wut und Ohnmacht.

Also ist Grübeln immer negativ.

Da gibt es keinen objektiven Gradmesser. Vielmehr sagt uns das eigene Empfinden, ab welchem Punkt die eigene Grübelei negativ ist. Sobald man das Gefühl hat, darunter zu leiden und im Alltag beeinträchtigt ist, würde ich es als ungesund beschreiben. Grübeln greift den Selbstwert an und schränkt unsere Handlungsfähigkeit ein. Menschen, die viel grübeln, haben zudem ein erhöhtes Risiko an einer Angststörungen oder an einer Depression zu erkranken.

Sind alle Menschen gleichermaßen davon betroffen?

Tatsächlich sind Frauen häufiger vom Grübeln betroffen. Es gibt Vielgrübler*innen, Nichtgrübler*innen und alle Grautöne dazwischen. Grübeln ist nicht angeboren. Ob wir den Hang dazu entwickeln, hängt mit vielen Faktoren zusammen, die vor allem die Persönlichkeit und gesammelten Erfahrungen betreffen. Wenn ich zum Beispiel eher unsicher bin, weniger offen für Neues und einen hohen Anspruch an mich habe, kann das meine Grübelneigung verstärken. Wenn mir von außen schon immer wenig zugetraut wurde und ich jetzt wiederholt Situationen erlebe, auf die ich keinen Einfluss habe, können diese Erfahrungen zur inneren Grübelverarbeitung beitragen.

Grübeln schafft kurzfristig Erleichterung.
Bona Lea Schwab

Warum grübeln wir überhaupt?

Es ist ein Bewältigungsversuch, der schnell zur Hand ist und auch kurzfristig Erleichterung schafft. Wir haben das Gefühl, zumindest irgendetwas zu unternehmen, uns mit einem Problem oder Gefühl auseinanderzusetzen, auch wenn dabei nichts herauskommt. Diese kurzfristige Erleichterung ist auch der Grund, warum wir immer wieder darauf zurückgreifen.

Gibt es bestimmte Situationen, in denen Grübeln häufiger ist als in anderen?

Jeder Mensch grübelt anders. Um in eine Grübelschleife zu geraten, müssen nicht mal besondere Auslöser vorhanden sein. Viele Menschen grübeln aber abends vor dem Schlafengehen, weil dann alles ruht und nichts ablenkt. Grübelgedanken tauchen gern auf, wenn man gerade nichts Besseres zu tun hat.

Grübeln ist eine Denkgewohnheit, sie lässt sich nach und nach ablegen.
Bona Lea Schwab

So schaffst du es, aus der Grübelspirale rauszukommen

Wie kann man es schaffen, mit dem Grübeln aufzuhören?

Die gute Nachricht ist: Grübeln ist eine Denkgewohnheit, sie lässt sich nach und nach ablegen. Allerdings ist sie sehr mächtig. Menschen sind ja immer auf der Suche nach schnellen Lösungen und die gibt es beim Grübeln nicht. Das ist ein längerer Prozess, der sich aber in jedem Fall lohnt. Das Ziel ist nicht, alle Grübelgedanken für immer zu verbannen, das wäre utopisch. Es geht darum, dass Betroffene nicht mehr unter ihnen leiden. Das funktioniert, indem Grübler*innen besser kontrollieren können, wann und wie häufig die Gedanken auftreten. Sie lernen, den negativen Aussagen weniger Glauben zu schenken, sich bewusst mit Lösungsansätzen zu beschäftigen, und beginnen auch, sich selbst ein*e bessere*r Freund*in und Unterstützer*in zu sein.

Wie fange ich damit an?

Am Anfang sollte eine Bestandsaufnahme stehen, für die man sich am besten ungefähr eine Woche Zeit nimmt. Ich muss mir erst einmal bewusst werden, was meine Grübelmechanismen sind: Wann passiert es, wo passiert es und wie sehen meine Grübelgedanken ganz konkret aus. Dabei sollte man möglichst wertfrei vorgehen, sich also nicht selbst verurteilen. Es hilft, sich die Auslöser und die Grübelgedanken aufzuschreiben.

Was kommt danach?

Das Ziel ist, immer früher zu merken, dass man grübelt – und diesen Automatismus zu durchbrechen. Dafür bietet sich eine Methode aus der Verhaltenstherapie an: der Gedankenstopp. Mit ihm stoppt man den destruktiven Gedankenfluss. Sobald man merkt, dass man grübelt, sagt man sich innerlich: Stopp! Noch besser ist es, das Wort laut auszusprechen.

Wie geht es nach dieser Vollbremsung weiter?

Gut ist es, direkt danach etwas Aktives zu machen. Dafür bietet sich eine Art To-do-Liste an, mit Dingen, die man in kurzer Zeit erledigen kann. Die Spülmaschine ausräumen, Akten sortieren oder etwas ähnliches.

Was, wenn mich die Gedanken danach wieder einholen?

Das kann durchaus passieren, aber alleine schon die Wahrnehmung, dass man grübelt, es unterbricht und aktiv wird, schult uns, führt uns unsere Gewohnheit vor Augen. Durch die bewusste Gegensteuerung gewinnt man Stück für Stück die Kontrolle zurück.

Ein guter Trick ist, sich einen Grübelort zu suchen, an dem man sich erlaubt zu grübeln.
Bona Lea Schwab

Wie gehe ich vor, wenn ich während dem Ausräumen der Spülmaschine weitergrüble?

Ein weiterer guter Trick ist, sich einen Grübelort zu suchen, an dem man sich explizit erlaubt zu grübeln. Am besten zu einer festen Uhrzeit, die man sich dafür reserviert. Das sollte ein nicht zu bequemer Ort sein, an dem man maximal zehn Minuten seinen Gedanken nachhängt. Diese Methode eignet sich für hartnäckige Grübelgedanken, die man mit den anderen Übungen nicht in den Griff bekommt. Man kann sich im Laufe des Tages auf später vertrösten und sich selbst gestatten zu grüblen – nur dass man eben die Regeln selbst festlegt, nach denen dies geschieht.

Was kommt, wenn das Grübeln ein Ende hat?

Wer es schafft, dem Grübeln weniger Raum zu geben, hat mehr Energie und mehr Zeit. Diese Reserven können dann zielgerichtet genutzt werden, die Konflikte anzugehen, die häufig hinter den Grübelgedanken liegen. "Wie verschaffe ich mir Einfluss in Konfliktsituationen? Wie gehe ich mit Entscheidungssituationen um? Wie halte ich negative Gefühle aus?" Auch hierfür gibt es konkrete Übungen, die man in den Alltag einbinden kann. Ich schlage auch gern das regelmäßige Gespräch mit interessierten Freund*innen oder dem*der Partner*in vor. "Wie machst du das so?" Der gegenseitige Austausch hilft und wird oft als Entlastung empfunden. Den Grübelgedanken weniger Bedeutung zu schenken und dahinter steckende Unzufriedenheiten in Lösungsansätze zu verwandeln geht zwar nicht von heute auf morgen, aber das ist auch überhaupt nicht wünschenswert. Nur das, was sich über die Zeit hinweg allmählich ändert, erweist sich auf lange Sicht als stabil.