Das Schönste an der Freundschaft ist das, was nicht mehr ausgesprochen werden muss. Wenn ich meiner Freundin in einer Situation nur einen kurzen Seitenblick zuwerfen muss und wir beide beginnen zu lachen. Wenn ich zur Tür reinkomme und mein Freund mich nur anzuschauen braucht, um zu wissen, wie es mir gerade geht.

Bis es so weit ist, dass Menschen sich blind verstehen, vergehen Jahre. Beide wachsen in eine gemeinsame Beziehung hinein, lernen sich bis in den letzten Persönlichkeitswinkel kennen.

Immer wieder treten neue Menschen in unser Leben. Einige werden kurze Wegbegleiter*innen, mit anderen entwickelt sich vielleicht eine neue, tiefe Freundschaft. Doch was muss gegeben sein, damit es so weit kommt? Und was lösen Freundschaften in uns aus?

Freund*innen machen uns stärker

Der Wert unserer Freundschaften zeigt sich dann am stärksten, wenn wir sehr schwere Zeiten durchlaufen. Trennungen, Kündigungen, Todesfälle; oft sind es Freund*innen, die uns dann auffangen, wenn uns das Leben in die Seile zwingt. Sie können dort emotionalen Beistand leisten, wo die Familie nicht gefragt ist.

Doch sie lösen abseits solcher Schicksalsschläge noch viel mehr Gutes in uns aus, da ist man sich in der Wissenschaft mittlerweile einig. Tiefe Freundschaften schaffen es, dass wir mutiger und selbstbewusster werden. Der Kontakt mit Freund*innen reduziert Stress messbar. Sie hellen unsere Stimmung auf, mit ihnen lachen wir am liebsten und intensivsten.

Freundschaft, das ist wie Heimat.
Kurt Tucholsky

Freund*innen lassen unsere Probleme kleiner erscheinen. Experimente haben gezeigt, dass wir allein beim Gedanken an sie Hürden kleiner einschätzen. Und zwar wortwörtlich: Der zu erklimmende Berg wirkt niedriger und leichter zu bezwingen, in die anstehende Gehaltsverhandlung gehen wir gelassener. Wir werden ausgeglichener und erreichen unsere Ziele dadurch leichter.

Tiefe Freundschaften werden für viele zu einer Art zweiten Familie – für andere ersetzen sie diese sogar. Keine Beziehung im Leben hat so viele positive Effekte auf uns, ist derart beständig und unumstritten.

Wie also können wir Menschen finden, die uns so gut tun und bleiben; gerade wenn wir einen neuen Lebensabschnitt beginnen, beispielsweise nach einem Umzug?

Wie wir herausfinden, ob andere zu uns passen

Im Kindesalter fällt es uns leicht, Freundschaften zu schließen. Sind wir erwachsen, finden wir weniger schnell Anschluss. Woran liegt das?

Eine Studie der Universität Leipzig zeigte, dass Nähe förderlich für neue Freundschaftsbeziehung ist. Salopp gesagt, sehen wir in Menschen, die in der Bahn direkt neben uns sitzen, schneller potenzielle Freund*innen als in denen, die im anderen Wagen sitzen. Und in der Schule verbringen wir gezwungenermaßen viel Zeit mit anderen Menschen auf engem Raum. Das allein ist aber kein Garant für langanhaltende, tiefe Freundschaftsbeziehungen. Nur wenige Kinderfreundschaften halten ein Leben lang.

Im Schnitt tauschen wir etwa die Hälfte unserer engeren Freund*innen nach sieben Jahren gegen neue aus. Denn auch emotionale Nähe muss für eine funktionierende Freundschaft gegeben sein: Als Erwachsene haben wir in der Regel weniger Zeit, die wir physisch mit anderen Menschen verbringen können – Arbeit oder sonstigen Alltagsanforderungen sei Dank. Unsere Ansichten und Ziele ändern sich zudem im Lauf der Zeit, ebenso sind wir erfahrener und legen Wert auf andere Dinge.

Dennoch: Tiefe Freundschaften sind überlebenswichtig, ist sich Wolfgang Krüger sicher. Er ist Psychotherapeut und beschäftigte sich für sein Buch Freundschaft: Beginnen, verbessern, gestalten mit dem Thema.

Krüger plädiert dafür, dass wir sie so wichtig nehmen wie beispielsweise Liebesbeziehungen, mit allem, was dazu gehört. Das beinhaltet insbesondere eine Grundoffenheit für andere Menschen. Egal, wo wir auf diese treffen: Wollen wir herausfinden, ob sich mit ihnen eine tiefe, neue Freundschaft ergeben kann, gibt es laut Krüger drei einfache Indikatoren, auf die wir achten können.

1. Hat die erste Begegnung etwas Zauber inne?

"Es muss eine gegenseitige Anziehung vorhanden sein", sagt Krüger. Die ergebe sich vor allem dann, wenn spürbar Sympathie vorhanden ist. "Meist entsteht diese, wenn es ähnliche Werte und Lebenseinstellungen gibt."

Ab diesem Moment ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass man sich häufiger sehen wird und sich eine Freundschaft entwickeln kann – aber nicht unbedingt. Es braucht dazu noch etwas mehr.

2. Kann ich ich sein?

Bei weiteren Treffen gilt es, auf das eigene Wohlbefinden zu achten, sagt Krüger: "Eine tiefe Freundschaft beruht auf einem Vertrauensverhältnis. Man kann sich aufeinander verlassen und sich auch peinliche Gefühle und Ängste erzählen." Insofern basiere die Freundschaftsfähigkeit immer auch auf der Freundschaft zu sich selbst.

"Man sollte einen guten Zugang zu seinem Innenleben haben und sich selbst akzeptieren", sagt der Psychotherapeut. Das sei der Resonanzboden, auf dem eine intensive Beziehung entstehen kann. Weitere Fragen, die wir uns stellen können: Fühle ich mich besser, nachdem ich Zeit mit der Person verbracht habe? Verhält sie sich unterstützend und interessiert an mir? Behandelt sie mich mit Respekt?

3. Bauen wir gerade eine gemeinsame Geschichte auf?

Freundschaftsbeziehungen festigen sich enorm, wenn gemeinsame Erinnerungen geschaffen werden.

"Freundschaften brauchen gemeinsame Erlebnisse", sagt Krüger. Das kann alles sein, das in die gemeinsamen Interessen fällt: gemeinsam lachen, Konzerte, kochen, Ausflüge, Spiele, gemeinsam ehrenamtliche Tätigkeiten ausüben oder ein Sport, der gemeinsam ausgeübt wird. Intensive Freundschaften sind laut dem Experten auf eine gemeinsame Erlebniswelt angewiesen. "Deshalb ist es so auch so wichtig, dass wir gelegentlich zusammen feiern gehen und initiativ gemeinsame Aktivitäten organisieren."

Sind diese Faktoren gegeben, können wir eine Freundschaftsbindung entwickeln, die lange hält, uns sowohl praktisch als auch emotional nützt und in schwierigen Lebenssituationen stützt. Und das Beste daran: Davon profitieren immer mindestens zwei Menschen, vielleicht sogar noch mehr.

Wer seine neuen Freund*innen nämlich beispielsweise mit den älteren zusammenbringt, könnte dafür sorgen, dass sich auch hier neue, tiefe Bindungen ergeben; immerhin ist wahrscheinlich ein gemeinsames Interessensfundament gegeben. Und wer weiß: Vielleicht halten diese neuen Freundschaften ja ein Leben lang.

In unserer Reihe "Wie du zu dir findest" beschäftigen wir uns damit, wie wir in dieser schnelllebigen Welt zurechtkommen. Wie werde ich zufriedener? Wie werde ich schädliche Denkmuster los? Für die Tricks und Kniffe – wir nennen sie Psychohacks – beschäftigen wir uns mit gängigen Studien und Methoden und befragen Expert*innen.