Im Alltag und im Arbeitsleben kommunizieren wir unfassbar viel per E-Mail. 771 Milliarden E-Mails wurden 2017 in Deutschland versandt und empfangen, das sind fast 10.000 Nachrichten pro Einwohner*in, rund 25 E-Mails am Tag. An manchen Nachrichten feilen wir ewig, trotzdem fällt es uns manchmal schwer, den richtigen Ton zu finden. Was beim Schreiben helfen kann und wann es sich lohnt, lieber anzurufen, darüber haben wir uns mit David Blum, Unternehmens- und Einzelcoach unterhalten.

ze.tt: Was macht eine gute E-Mail aus?

David Blum: Es kommt immer darauf an, was man erreichen will, aber die Basics sind: klar und strukturiert, kurz und knackig, also keinen Roman schreiben. Eine gute E-Mail ist auch immer freundlich. Wir sind häufig so gehetzt, dass wir die Grundformen des menschlichen Anstandes teilweise vergessen. Es gehört immer ein Intro, also ein "Hallo" hinein, genauso wie ein netter Abschied. So wie im wahren Leben auch. Wichtig sind auch die Betreffs. Hier sollte man schon direkt feststellen können, worum es geht, damit der Empfänger die E-Mail einordnen kann und auf den Inhalt vorbereitet ist.

Warum kommt es trotzdem so oft zu Missverständnissen?

Wenn wir, wie in E-Mails, nur auf der inhaltlichen Ebene kommunizieren, fehlt uns die Tonalität, die Körpersprache. Nur in Großbuchstaben zu schreiben, ist beispielsweise keine gute Idee, das kommt rüber wie ein Schreien. Humor ist auch ein ganz schwieriger Punkt. Das kann nach hinten losgehen, gerade bei Sarkasmus. Bei WhatsApp helfen uns die Smileys, gewisse Emotionen rüberzubringen oder zu vermitteln, "das war ein Spaß". Aber so schreibt man das ja nicht in einer E-Mail. Insofern würde ich immer empfehlen, dass man klar und deutlich kommuniziert, um Missverständnisse zu vermeiden.

Von Emojis wird in E-Mail-Knigges generell gern abgeraten, dabei klingen E-Mails damit doch eigentlich viel netter.

Na ja, auf professioneller Ebene, etwa wenn man mit neuen Kunden kommuniziert, sollte man nicht notwendigerweise Emoticons benutzten. Aber es lassen sich nicht alle E-Mails über einen Kamm scheren, es kommt auch immer auf die Branche und die Unternehmenskultur an. Je nachdem, welcher Umgangston herrscht, können Smileys und Witze auch total okay sein. Aber eben nur, wenn man das einschätzen kann. Beim ersten Kundenkontakt ist es besser, erst mal konservativer an die Sache heranzugehen.

Woran liegt es, dass Leute, die bei einem persönlichen Treffen total nett sind, in E-Mails extrem unsympathisch rüberkommen?

Das kommt auch immer auf den Menschen an, das kann ja die verschiedensten Gründe haben. In unserer heutigen Zeit, in der alles immer schnelllebiger wird, haben wir ein Grundgefühl von Stress. Viele Leute reagieren darauf dann so, dass sie alles so schnell wie möglich abhandeln wollen, worunter auch ihre Kommunikation leidet. Die Standardregeln der menschlichen Kommunikation wie beispielsweise ein Bitte und ein Danke, die man bei einem persönlichen Treffen oder am Telefon einhalten würde, fehlen. Viele Menschen haben vielleicht auch das Bedürfnis, ihren Status zu demonstrieren, wenn etwa der Chef an sein Team schreibt "Ihr macht das jetzt sofort" und eine gewisse Respektlosigkeit rüberbringt.

Sei liberal bei dem, was du akzeptierst – sei konservativ bei dem, was du sendest.
John Postel

Wie geht man dann damit um, wenn man eine solche E-Mail bekommt? Wie ernst darf man das nehmen?

Ich finde da das Zitat des Internet-Pioniers John Postel ganz passend: "Sei liberal bei dem, was du akzeptierst – sei konservativ bei dem, was du sendest." Man muss sich selbst überlegen, bis zu welchem Grad man bestimmte Umgangsformen akzeptiert oder eben auch nicht. Möglicherweise hat das Gegenüber das gar nicht so gemeint wie ich denke, möglicherweise war er gestresst und hatte nicht die Zeit für eine nette E-Mail.

Wie kann man reagieren auf solche E-Mails?

Zum einen ist es wichtig, trotzdem bei sich zu bleiben und eine E-Mail zurückzuschreiben, die den eigenen Standards entspricht. Also jetzt nicht zurückzupflaumen. Das führt nur dazu, dass das zur Norm wird und der andere motiviert wird, genauso zu schreiben. Wenn man sich wirklich auf den Schlips getreten fühlt und das nicht akzeptieren möchte, bin ich ein großer Fan davon, das auch transparent zu kommunizieren. Aber: Das würde ich nicht per E-Mail machen, auch wenn das vielleicht leichter fällt. Bei delikaten Themen ist es immer von Vorteil, wenn man das telefonische Gespräch sucht und im Dialog erläutert, was einem nicht gefallen hat.

Wie würdest du das angehen?

Ich glaube, das kommt sehr auf die Situation an. Bist du Dienstleister für den Kunden, vielleicht erst mal mit dem Chef sprechen und überlegen, wie man damit umgeht. Muss ich das jetzt sozusagen über mich ergehen lassen oder kann ich etwas sagen. Leute, die sich mit dem Thema Kommunikation noch nicht beschäftigt haben, wissen vielleicht auch gar nicht, wie man bestimmte Dinge formuliert, damit das Gegenüber sie nicht negativ aufschnappt. Wenn man weiß, dass es eine längere Partnerschaft ist und man noch viel miteinander zu tun haben wird, würde ich dem Menschen kurz erzählen, wie die Nachricht bei mir als Empfänger ankam. "Du, hör mal, ich weiß nicht, wie ich deine E-Mail jetzt interpretieren kann, aber bei mir kam das so und so an." Was auch teilweise hilft, kann sein, erst mal zu fragen "Kann ich dir Feedback zu der E-Mail geben, ich habe mich irgendwie missverstanden gefühlt?", sodass man sich erst mal einlädt, Feedback geben zu dürfen. Grundsätzlich gilt, immer in Ich-Botschaften zu kommunizieren und niemandem etwas zu unterstellen wie "Du bist immer so dermaßen unhöflich" oder "Das geht ja gar nicht, wie du immer kommunizierst", also auch nicht verallgemeinern, sondern ganz konkret an einem Beispiel schildern, was bei einem persönlich angekommen ist, inwieweit einen das gestört hat und kommunizieren, ob man das nicht vielleicht anders machen kann. Das erfordert eine Menge Mut, aber es ist auch wie in einer guten Partnerschaft: Wenn einen etwas stört, ist es förderlich, das anzusprechen und aus der Welt zu schaffen.

Manchmal versetzt einen eine E-Mail total in Rage. Wie verhält man sich in einem solchen Moment am besten?

Wenn eine E-Mail kommt, die einen auf die Palme bringt, ist es häufig eine gute Idee, Distanz zwischen sich und seinem Computer zu schaffen. Das bedeutet vielleicht, erst mal tief ein- und auszuatmen, einen Schluck Wasser zu trinken, einen Kaffee zu holen, eine Runde um den Block zu gehen. Das kann man natürlich nicht nach jeder E-Mail machen, aber auch wie im wahren Leben ist es häufig hilfreich, erst mal Abstand, auch zeitlich, zu gewinnen und sich in einem ruhigeren Gemütszustand zu fragen: Wie reagiere ich darauf? Wie gehe ich damit um? Häufig tendieren wir dazu, in einer enormen Stresssituation oder wenn wir gerade gereizt sind, Dinge zu tun, die zur Eskalation führen oder uns im Nachhinein auch nicht glücklich machen, etwa eine böse E-Mail zurückzuschreiben oder uns eben auf das Level des Versenders runterlassen.

Spielt es denn eine Rolle, wie schnell man auf E-Mails antwortet?

Auch hier hängt es sehr von der Branche ab und dem Servicecharakter. Ich glaube, diese Idee, dass E-Mails innerhalb von fünf Minuten beantwortet werden müssen, führt dazu, dass wir weniger produktiv am Arbeitsplatz sind. Wenn ständig ein Pop-up aufploppt, fokussiert man sich um auf diese E-Mail, egal, was man gerade macht. Das führt dazu, dass man ein Pseudo-Multitasking macht, das nicht funktioniert. Insofern würde ich immer empfehlen, zu festen Uhrzeiten den Posteingang zu checken und sich Zeit zu nehmen, die E-Mails zu beantworten. Auch wenn man eine Beziehung zu einem bestimmten Kunden hat, schauen, welche Erwartungen dieser Kunde hat und was man tatsächlich auch bieten kann und klare Regeln aufstellen. Wenn man einem Kunden immer ganz schnell antwortet, baut man eine gewisse Erwartungshaltung auf. Wenn er dann mal zwei Stunden wartet, ist das dann schon eine Frechheit. Da gerät man schnell in einen Teufelskreis. Die Idee der Sofortantwort halte ich für ungesund.

Anders gefragt: Wirkt es unsympathisch, wenn man lange braucht, um auf eine E-Mail zu antworten?

Generell sollte man eine E-Mail nicht tagelang unkommentiert unbeantwortet lassen. Wenn man merkt, man braucht länger für die Antwort, würde ich immer empfehlen, kurz zu schreiben, wann mit einer ausführlichen Antwort auf die E-Mail zu rechnen ist. Dasselbe gilt ja auch im Privatleben. Wenn man da vier, fünf Tage auf eine Antwort wartet, ganz kurz Erwartungsmanagement betreiben und sagen: "Sorry, habe viel zu tun, melde mich nächste Woche bei dir."

Man spricht mit einem erwachsenen Menschen und ein Erwachsener wird es auch aushalten, eine Absage zu bekommen.
Unternehmenscoach David Blum

Um manche E-Mails drückt man sich bewusst herum. Wie kann man Absagen möglichst angenehm rüberbringen?

Auch bei solchen Absagen ist es aus meiner Sicht häufig besser, wenn man anruft, aber das ist eben oft nicht machbar. Aber auch hier gilt, die Basics der Kommunikation beachten, die man auch am Telefon einhalten würde: höflich sein, dem Menschen bestenfalls noch konstruktives Feedback geben, Gründe klar aufzählen. Da muss man den Menschen nicht niedermachen, aber zu sagen, "Aus den und den Gründen passt es nicht" und "Ich bitte Sie, das zu akzeptieren" oder "Es tut mir leid, dass es nicht geklappt hat", also auch noch einen Hauch Empathie einbringen, ist gut. Gleichzeitig aber auch professionell und klar bleiben. Dann kann der Empfänger der schlechten Nachricht das auch besser akzeptieren. Was ich damit meine: Man spricht mit einem erwachsenen Menschen und ein Erwachsener wird es auch aushalten, eine Absage zu bekommen. Das ist Teil des Risikos, wenn du dich auf etwas bewirbst oder etwas einreichst. Entsprechend kann sich da auch das schlechte Gewissen in Grenzen halten, das ist Teil der Möglichkeit. Auch statt zu sagen, "Du passt nicht", zu sagen, "Wir passen nicht zueinander", ist eine diplomatische Herangehensweise. Manche Leute verfallen in so ein Gewurschtel mit "Eigentlich hätte ich es ja auch schön gefunden" und versuchen, dem Empfänger der Nachricht ein besseres Gefühl zu vermitteln. Aber grundsätzlich kann man da auch ganz erwachsen mit den Menschen umgehen.

Wie viel Zeit sollte man sich für eine E-Mail nehmen?

Da gibt es natürlich keine pauschale Antwort. Man sollte sich immer Zeit für die Basics nehmen, aber wenn das Thema delikat und schwierig ist, kann es auch mal 20 Minuten dauern. Wenn das jeden Tag der Fall ist, sollte man sich überlegen, ob es nicht eine Möglichkeit gibt, diese E-Mails zu standardisieren oder sich ein paar Basic-Bausteine vorzufertigen, aus denen man dann eine persönliche E-Mail zaubert. Manchmal ist es aber auch so, dass man eine Art Schreibblockade hat, da hilft es auch, sich eine kurze Pause zu gönnen und sich später nochmal dranzusetzen.

E-Mails sind sehr praktisch. Wann sollte man aber doch zum Telefonhörer greifen?

Wenn es um komplexe oder zwischenmenschliche Themen geht oder vor allem, wenn man merkt, dass es extrem lange dauert, eine E-Mail zu schreiben, weil man Angst hat, etwas falsch zu formulieren oder dass das Gegenüber es anders aufnehmen könnte, das ist ein klares Indiz dafür, dass man lieber kurz zum Telefon greifen sollte. Wenn man für die E-Mail eine halbe Stunde braucht, ist das Telefonat vielleicht in zehn Minuten abgehandelt. Hinzu kommt, dass sich das Risiko für Missverständnisse reduziert. Die E-Mail ist kein Allheilmittel, manchmal tendieren wir dazu, uns hinter ihr zu verstecken. Im Zweifelsfall ruhig mal zum Telefon greifen, weil sich Dinge oft viel schneller klären lassen.