Tatort Teeküche, die Sendezentrale des sogenannten Flurfunks. Über die Ränder der mit Batteriesäure-ähnlichem Gebräu gefüllten Kaffeebecher hinweg werden Gerüchte gewispert, die nicht selten beginnen mit: "Hast du schon gehört …?" oder "Also, ich persönlich finde ja …"

In jedem sozialen Gefüge, und genau das ist der Arbeitsplatz eben auch, reden Menschen mit- und übereinander. Manchmal haben sie Nettes zu sagen, häufig jedoch eher das Gegenteil. Laut einer US-Studie reden Menschen etwa 14 Prozent der Zeit über nicht anwesende andere.

Dabei dient Lästern im Job nicht der bloßen Unterhaltung, sondern erfüllt auch ein paar andere Funktionen: Es werden unter anderem gemeinsame Feindbilder entwickelt und darüber Bindungen und gegenseitiges Vertrauen aufgebaut. Außerdem hat Lästern eine identitätsstiftende Wirkung; das bin ich, so ticke ich, dieses finde ich gut, jenes schlecht ... Man klopft sich ab und nähert sich an. "Wir zwei gegen Müller aus dem Marketing" – das funktioniert.

Lästern im Job ist menschlich, aber ...

"Grundsätzlich ist Klatsch und Tratsch im Job eine normale Erscheinung; der Mensch ist ein soziales Wesen und kein Roboter, der still und ohne Regung sein Werk verrichtet", sagt auch der Arbeitsrechtsexperte Michael Felser.

Tratschen ist also menschlich und, wenn man mal ehrlich ist, im Grunde selten wirklich exakt so gemeint. Aber gerade im beruflichen Umfeld kann es trotzdem durchaus problematisch werden. Vor allem dann, wenn es raus- und den Betroffenen zu Ohren kommt.

Die Klassiker: So richtig rustikal vom Leder ziehen und nicht merken, dass der*diejenige plötzlich genau hinter einem steht; oder eine saftige Lästermail verfassen, die versehentlich an die falsche Adresse geschickt wird – mit Pech sogar an den*die Betroffene*n. Ja, Letzteres ist in meinem Umfeld tatsächlich passiert, Autofill kann ein wahrer Fluch sein. Oder Segen, je nachdem, an welchem Ende der E-Mail man sitzt.

Und dann gibt es natürlich auch noch Kolleg*innen, die mit jedem*r über alle lästern und Gesagtes nicht nur weitertragen, sondern dabei auch dramatisch ausschmücken. Stille-Post-Effekt meets Geltungsdrang mit einem Hauch Machiavelli.

Lästerei mit Folgen

Doch zum einen wird jemand, der*die am Arbeitsplatz zu ausgiebig tratscht, langfristig unbeliebt. Denn niemand will oder kann sich den ganzen Tag lang nur garstigen Klatsch über andere anhören. Zudem macht eine ausgeprägte Neigung dazu, andere lustvoll nieder zu machen, selbst hartgesottene Gerüchteküchenassistent*innen irgendwann misstrauisch: Was, wenn der*diejenige auch über mich so redet? Und wer permanent Negatives von sich gibt, zieht andere runter und sitzt möglicherweise irgendwann allein in der Kantine.

Zum anderen kann allzu leidenschaftliches Lästern im Job in bestimmten Fällen auch rechtliche Konsequenzen haben, wie Michael Felser erklärt: "Bei hartnäckigem Verhalten, insbesondere wenn rechtliche Grenzen überschritten werden – Beleidigung, Verleumdung, Mobbing, die Verletzung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen oder anderen Verletzungen der Verschwiegenheitspflicht – oder wenn der Betriebsfrieden gestört wird, dann kommen auch arbeitsrechtliche Maßnahmen in Betracht."

Dazu gehören zum Beispiel Abmahnungen. "Es muss allerdings verhältnismäßig sein", sagt Felser, und Kündigung sei da nur "das letzte Mittel".

Über Vorgesetzte herzuziehen ist übrigens zumindest rein rechtlich weniger problematisch, als man vielleicht annehmen würde: "Kurioserweise lässt das Gesetz Beleidigungen des Arbeitgebers zu, wenn das im Kollegenkreis passiert, wenn und weil der Täter nicht damit rechnen muss, dass es weitergegeben wird", sagt Michael Felser. "Dann ist jedenfalls eine Kündigung nicht gerechtfertigt."

Trotzdem ist es selbstverständlich unklug, es sich durch hemmungsloses Lästern mit dem*der Chef*in zu vermiesen. Diesbezüglich ist also Zurückhaltung eine sinnvolle Sache.

Die Stille Post stoppen

Der gesunde Menschenverstand legt also nahe, beim Lästern im Job grundsätzlich Maß und ein gewisses Niveau zu halten – keine giftigen Gerüchte streuen, niemanden verleumden, nie schriftlich tratschen, keine Geheimnisse ausplaudern, nicht fies persönlich werden und dabei Kolleg*innen absichtlich diffamieren.

Aber was tun, wenn man selbst zum Objekt von Klatsch und Tratsch geworden ist? Um lange schwelende Konflikte zu vermeiden und Gerüchte aus der Welt zu räumen, ist Ansprechen oft der richtige Weg. Auch, wenn es vielen Leuten schwer fällt: Den*die entsprechenden Kolleg*in zur Seite nehmen und offen fragen: "Mir ist zu Ohren gekommen, dass … Stimmt das?"

So wird erstens der Stille-Post-Kreislauf unterbrochen – es könnte ja tatsächlich sein, dass gar nichts oder nicht viel dran ist – und zweitens hat der*diejenige dann die Möglichkeit, sich zu erklären. Sehr wahrscheinlich wird er*sie sich nämlich ertappt und nicht sonderlich gut dabei fühlen.

Von Arbeitgeber*innenseite lässt sich bei Lästern im Job konkret nicht allzu viel ausrichten. "Zur Vermeidung von Missverständnissen sollten klare Regeln aufgestellt darüber aufgestellt werden, was unerwünscht ist oder nicht toleriert wird", meint der Arbeitsrechtsexperte Michael Felser. "Bei Problemen kann mit Gesprächen und Ermahnungen gearbeitet werden. Auch eine Mediation kann sinnvoll sein, um Einsicht zu erzeugen."

Also, lästern im Job gehört dazu; dabei geht es selten wirklich um die Tratschobjekte selbst, sondern eher um sozialen Zusammenhalt. Und wie so oft im Leben gilt auch hier: alles in Maßen. Dann muss auch niemand erschrocken zusammenzucken oder verstört schweigen, wenn plötzlich jemand in die Teeküche kommt.