"Kannst du dir das vorstellen? Ich habe ihn bloß gefragt, wie er mit seiner Hausarbeit vorankommt und kurz erzählt, warum ich damit so Probleme habe – und dann so was", schreibt mir meine Kommilitonin per WhatsApp. Sie ist genervt, weil statt unseres Studienkollegen Peter seine Freundin auf ihre Nachricht geantwortet hat. Und zwar mit: "Hi, hier schreibt Peters Freundin. Tut mir leid zu hören, dass du viel um die Ohren hast, aber das haben wir auch. Also halte deine Nachrichten bitte kurz und relevant."

Klarer Fall von mangelndem Vertrauen. Und ein absolutes No-Go in einer gesunden Beziehung. Peter hat sich später dann auch bei unserer gemeinsamen Kommilitonin entschuldigt. "Ich schäme mich für meine Freundin, es tut mir wahnsinnig leid. Wir haben uns in den letzten Tagen ziemlich viel gestritten, sie hatte ein paar Gläser Wein intus, hat die Nachricht gesehen und wusste nicht, von wem sie ist. Ich hoffe, zwischen uns ist alles okay und wir sprechen die Tage."

Ja, zwischen meiner Kommilitonin und Peter ist natürlich alles okay – zwischen ihm und seiner Partnerin allerdings eher nicht. Und ich wundere mich: Was läuft in einer Beziehung schief, wenn eine*r der beiden so wenig Vertrauen in den*die andere*n hat, dass er*sie sogar Nachrichten von dessen*deren Smartphone verschickt?

Ohne Vertrauen geht nix

Vertrauen ist die Basis jeder Beziehung. Fehlt es, kann aus diesem Mangel eine Vielzahl von Problemen entstehen, die zu einer Belastungsprobe für die Liebe werden. Ständiges Anzweifeln ist auf Dauer unendlich zermürbend. Oft sind es negative Erlebnisse und Erfahrungen aus der Vergangenheit, die dem Vertrauen die Grundlage entziehen – selbst, wenn der*die neue Partner*in rein gar nichts für die Verfehlungen der Verflossenen kann.

Der Paartherapeut und Buchautor Dr. Wolfgang Krüger erklärt, woran das liegt: "Das hängt entweder mit der Kindheit – kranke Eltern, Entthronung durch ein Geschwisterkind, mangelnde Fürsorge – oder mit enttäuschenden Erfahrungen in einer Partnerschaft zusammen." Anders gesagt: Tiefe Wunden sitzen nun mal tief und sind verdammt schwer zu überwinden.

Tieferliegende Konflikte

Eigene Unsicherheit kann dazu führen, sich durch eine harmlose WhatsApp-Nachricht von außen angegriffen zu fühlen und in den Verteidigungsmodus zu schalten – so wie Peters Freundin. Dann liegt das eigentliche Problem nicht in der Nachricht, sondern woanders. Anhaltender Streit deutet auf langwierige, ungelöste Konflikte. In so einem Fall kann es zum Beispiel sein, dass sich der*die misstrauische Partner*in ausgeschlossen oder zurückgesetzt fühlt, weil der*die andere sich neue Lebensbereiche außerhalb der Beziehung erschließt – wie ein Studium, ein Hobby oder einen neuen Job. So eine Aktion wie die von Peters Freundin ist dann eine Art emotionaler Blitzableiter.

Ungeachtet dessen handelt es sich beim Versenden einer Nachricht vom Smartphone des*der Partner*in aber definitiv um eine massive Grenzüberschreitung. "In einer Beziehung muss jeder auch eigene Bereiche haben und beim Handy gilt das Postgeheimnis. Es ist ein Übergriff, einfach in das Handy des anderen zu schauen", sagt auch Dr. Wolfgang Krüger. "Man kann in einer Partnerschaft erwarten, dass der andere Respekt vor dem hat, was ich tue und vor allem meine Lebensbereiche respektiert. E-Mails und SMS-Botschaften sind tabu."

Wenn der*die Partner*in diesen Respekt aus fehlendem Vertrauen heraus verletzt, sollte man klar sagen: Das geht so nicht, bis hierhin und nicht weiter. Grenzen ziehen ist enorm wichtig. Außerdem kann man so eine Situation zum Anlass nehmen, als Paar aufrichtig und gründlich miteinander zu reden – quasi das beziehungsinterne Wertschätzungsbarometer wieder neu zu justieren.

Reden hilft

Gegen mangelndes Vertrauen in einer Beziehung helfen vor allem zwei Dinge: offene Kommunikation und Zeit. "Vertrauen wächst, indem man die Sicherheit hat, dass der andere gut mit einem umgeht", sagt auch Dr. Krüger. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist aber, dass der*diejenige mit Vertrauensproblemen auch mit sich selbst ehrlich ist und zum Beispiel erkennen und zugeben kann: Ich habe Angst, dich zu verlieren und fühle mich ausgeschlossen. Dann kann das Paar gemeinsam versuchen, eine Lösung zu finden.

Bei besonders hartnäckigem Mangel an Vertrauen in der Beziehung kann auch eine Therapie oder ein Coaching mit einem*einer Expert*in helfen. Denn klar ist: Enttäuschungen, Verletzungen und Verluste bleiben im Laufe eines Lebens nicht aus, erst Recht nicht in der Liebe. Entscheidend ist jedoch, wie man damit umgeht.