Wenn der Sturm im Herzen weg ist und du weißt: Das mit euch war nicht die große Liebe. Es ist inzwischen wirklich und endgültig vorbei und das ist gut so. Die Trennung war wichtig und richtig. Alles fein.

Und trotzdem. Trotzdem kehren die Gedanken auch nach gefühlten Ewigkeiten zu ihm*ihr zurück. Abends vor dem Einschlafen, in der U-Bahn, im Club. Nicht die ganze Zeit, aber immer mal wieder. Ohne den hämmernden, zerfleischenden Trennungsschmerz, aber regelmäßig, dann und wann, einfach so. Wie ein Irrlicht oder wie ein einzelnes Eisenspänchen, das den Magneten sucht.

"Du musst halt lernen, loszulassen", sagen Menschen dann gern und gucken so, als würden sie dir das Atmen erklären. Dass sagst du dir ja auch selbst oft genug. Klar, logisch, ich sollte jetzt echt einfach mal loslassen. Flupp! Und nichts passiert.

Was heisst dieses "loslassen" denn überhaupt konkret – sich gar nicht mehr drum kümmern und nie wieder dran denken? So tun, als wäre das alles nie passiert? Die ehemalige Beziehung und Gedanken daran mit aller Kraft verdrängen, bis die Erinnerung grau und staubig und bröselig ist?

Dem*der Ex das eigene Los lassen

"Festhalten ist immer leichter als loslassen", sagt die Beziehungsexpertin Andrea Bräu. "Im Grunde heißt loslassen ganz wörtlich: Anderen das eigene Los lassen – also dem oder der Ex erlauben, dass er oder sie sich für einen Lebensweg ohne mich entscheiden darf."

Dabei steht dir vielleicht das gekränkte Ego im Weg, das schmollt und sich zurückgewiesen und ungeliebt fühlt. Was laut Bräu ein kleines bisschen helfen kann, ist folgender Gedanke: "Die Person hat sich nicht gegen mich, sondern gegen eine Beziehung mit mir entschieden. Das ist nicht das gleiche." Eine Beziehung besteht nicht nur aus einem Menschen und dessen Vorzügen und Fehlern, sondern aus der Verbindung und Interaktion zweier Herzen. Und auch, wenn die Individuen super sind, kann die Kombination echt ungut sein.

Beim allerletzten Stückchen Loslassen passiere etwas sehr Entscheidendes, erklärt Andrea Bräu: "In dem Moment lasse ich auch die Schuld los. Es geht beim Loslassen auch um Vergebung sich selbst und dem oder der anderen gegenüber."

Verzeihen ist tatsächlich eine der wichtigsten Voraussetzungen fürs Loslassen, das bestätigt auch die Liebeskummerexpertin Elena Sohn. Alter Groll und frühere Verletzungen seien dann verarbeitet; Schmerz oder Wut nicht mehr vorhanden. Was fürs gelungene Loslassen allerdings auch nicht mehr vorhanden sein sollte, nicht mal das kleinste Fitzelchen: das Vermissen.

"Loszulassen bedeutet in Bezug auf eine vergangene Beziehung vor allem, dass man ohne partnerschaftliche Sehnsucht an den oder die anderen denken kann", sagt Elena Sohn. Das funktioniere dann, wenn der*die andere im Lebensentwurf als potenzielle*r Partner*in keine Rolle mehr spiele.

Die Frage ist also: Welcher Teil von dir hält noch fest am Früher? Vielleicht hat sich in einem dunklen Seeleneckchen der kleine Glaube versteckt, dass das mit euch zwar nicht sein sollte, es aber wahrscheinlich nie wieder so jemanden wie ihn*sie und das mit euch in deinem Leben geben können wird.

Niemanden, der*die dein Innerstes so verstehen kann, weil es in ihm*ihr so erstaunlich ähnlich aussieht.

Niemanden, mit dem*der du so guten Sex auf Kneipentoiletten hast, auch nach Jahren noch.

Niemanden, der*die deinen Job so gut versteht.

Niemanden, mit dem*der du sonntags in tiefster Harmonie heimwerken kannst, ohne das kleinste bisschen Zoff.

Niemanden, mit dem*der du so offene, aufrichtige und heilsame Gespräche über deine dunkelsten Seiten und tiefsten Wunden führen kannst.

Niemanden, der*die deine Leidenschaft für bestimmte Länder und Kulturen teilt.

Niemanden, der*die genauso unaussprechlich bekloppte Witze macht wie du und über den gleichen Flach- und Schwachsinn lacht.

Niemanden, mit dem*der du nackt unter der Dusche und angezogen auf der Straße singen kannst.

Niemanden, neben dem*der du so tief und fest schlafen kannst.

Und vor allem niemanden, wirklich niemanden, mit dem*der du all das gleichzeitig erlebst.

Vielleicht flüstert der versteckte Gedanke so was wie: Gut, okay, das war schon irgendwie nicht das Richtige, es gab auch große Probleme, ja ja – aber besser wird’s in diesem Leben halt auch nicht mehr.

Stop.

Abgesehen davon, dass das eine ziemliche Überhöhung und auch furchtbar pessimistisch ist, ist all das auch nur die halbe Wahrheit. Denn dass ihr kein Paar seid, hat Gründe. Über eure Beziehung nachzudenken und sie zu analysieren, ist jedoch nicht nur in Ordnung, sondern sogar entscheidend fürs Loslassen. Auch viel später noch; eben so lange, wie es sein muss. Nur verklären solltest du sie nicht.

"Es ist wichtig, zu verstehen, was mein Herz beim anderen hält – was hat er oder sie mir gegeben, was ich bei niemand anderem zu finden glaube?," sagt auch Elena Sohn. "Oft stößt man darauf, dass man sich in seiner oder ihrer Nähe zum Beispiel besonders selbstbewusst, geborgen oder lebendig gefühlt hat." Das seien dann Anhaltspunkte, das eigene Leben zu verändern.

Loslassen ist Akzeptanz

Es ist bei allem Nachdenken außerdem sehr okay, die schönen Aspekte anzuerkennen, eure vergangene Beziehung von allen Seiten zu betrachten. "Der Fokus der Menschen ist immer auf die Trennung und das, was alles nicht funktioniert hat, gerichtet und nicht auf das Gute. Das ist schade", meint Andrea Bräu. Du darfst nur nicht daran kleben bleiben wie eine Fliege im Honig. Denn dein Leben geht weiter.

Loslassen heißt im Grunde nur eins: Akzeptanz – und zwar in zwei Richtungen. Einerseits akzeptieren, dass es vorbei ist. Andererseits aber auch akzeptieren, dass diese Liebe eben immer ein Teil deiner emotionalen Landschaft sein wird.

"Das ist mir passiert und ich muss das jetzt irgendwie annehmen und mein Leben weiterleben. Die Situation so anzunehmen, wie sie ist – das ist die große Kunst", sagt Andrea Bräu. Dass du aktuell niemanden in deinem Leben hast, mit dem*der all das geht, und das vollkommen okay ist.

Schmerz und Unzufriedenheit entstehen häufig daraus, dass dein Leben nicht so ist, wie es deiner Meinung nach sein sollte. An deiner Sichtweise kannst du ein bisschen was drehen: Vielleicht ist dein Leben gerade genau so, wie es sein sollte – du siehst es bloß noch nicht?

Völlige Verdrängung? Unnötig. "Oft ist es so, dass man einfach akzeptieren muss, dass diese Liebe immer ein Teil von einem bleiben wird – und eigentlich ist es ja ein schöner Teil", sagt Elena Sohn. "Sie lässt sich zwar nicht ausleben, aber die Erinnerungen bleiben."

Außerdem bedeute Loslassen mitnichten, nie wieder Kontakt zu deinem*deiner Ex haben zu können, sagt Elena Sohn: "Es ist durchaus möglich, jemanden als Partner losgelassen zu haben, offen für Neues zu sein, aber befreundet zu bleiben." Vorausgesetzt, es geht dir grad gut damit. Denn eins ist klar: Echtes Loslassen braucht Zeit.

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