Meine Mutter würde sagen: Liebeskummer ist immer Scheibenkleister. Egal, ob man verlassen wurde oder selbst die Reißleine gezogen hat: Aua. Der Magen krampft, der Kopf pocht. Die Welt wirkt so unendlich grau, es ist wie in fahle Asche starren. Meistens wissen wir in solchen Situationen, was zu tun ist. Wir wissen, wie wir uns am Schopf packen und aus der Misere ziehen können: Freunde um uns scharen, ablenken, gut zu uns sein. Irgendwann geht es schon wieder.

Man kann nur weiterlieben, oder brechen.”

Doch dieses Rezept erscheint viel zu banal, viel zu hohl, wenn es uns richtig erwischt hat. Wenn uns eine andere Sorte des Liebeskummers heimsucht; eine, die alles andere in den Schatten stellt, weil es diesmal heißt: Das war sie, die Liebe meines Lebens. Die große Liebe. Es ist ein Verlust, bei dem nichts mehr so ist wie vorher. Oder, wie ein Freund es mal beschrieb: "Man kann nur weiterlieben, oder brechen."

Schwere Worte, aber so fühlt es sich eben an. Man fühlt sich so desolat einsam, als wäre man gerade alleine auf einem fernen Planeten zurückgelassen worden. Alles sieht seltsam aus, nichts macht mehr Sinn. Die Vorstellung, in diese Welt – ohne ihn*sie – irgendwie noch einmal hineinzupassen, kommt einem völlig absurd vor. Die Zukunft ist ein schwarzes Loch.
Gebrochenes Herz

Das ist kein Knacks, kein Knuffer, es ist ein gebrochenes Herz. Und das ist in der Tat nicht nur ein anschauliches Bild, so kann man es auch körperlich beschreiben. Vor ein paar Jahren haben Psychologen*innen der University of Michigan zum Thema Herzschmerz ein Experiment durchgeführt. Die Wissenschaftler*innen untersuchten mit einem MRT-Scan die Gehirne von 40 Probanden*innen mit Liebeskummer, während diese entweder Bilder der Verflossenen betrachteten oder einem leichten körperlichen Schmerz ausgesetzt wurden.

Sie stellten fest, dass dabei die gleichen Hirnareale stimuliert wurden: "Diese Ergebnisse gehen einher mit der Vorstellung, dass soziale Ablehnung, oder generell Verlust, eine ganz spezielle Emotion ist, die sogar mit körperlichem Schmerz in Verbindung steht", erklärt Ethan Kross, einer der Studienautoren*innen.

Schwerer Liebeskummer tut richtig weh und zwar überall. Aber was machen wir mit dieser Erkenntnis? Nun, zunächst kann sie uns dabei helfen, unseren Kummer ernst zu nehmen. Das Gefühl, gerade die große Liebe verloren zu haben, ist nämlich kein kleiner emotionaler Schluckauf, sondern ein nachhaltiger Schlag mitten rein in unser Selbstwertgefühl. So ein Schmerz lässt sich nicht nur mit ein paar aufmunternden Schulterklopfern oder ein paar Gin Tonics bekämpfen.

Das sind die schlechten Nachrichten. Die gute Nachricht ist, klar, dass es "schon wieder wird." Aber das dauert. So leicht kommen wir von dem Liebeskummer-Planeten nämlich nicht wieder runter. Aber was uns dabei auf jeden Fall helfen kann, ist, wenn wir uns klar machen, was dieser Schmerz eben nicht ist. Und das heißt, dass wir den Glauben an die "große Liebe" mal kritisch beäugen müssen.
Den Schmerz nicht überhöhen

Denn, wenn wir uns allein und verlassen permanent bemitleiden, tendieren wir dazu, aus dem Verlust eine Liebe zu machen, an die nie mehr irgendetwas heranreichen wird. Sie wird überlebensgroß.

Aber so echt unser Schmerz auch ist, so wenig hilfreich ist es, ihn zusätzlich so dramatisch zu überhöhen. Wir sollten die "große Liebe" stattdessen einfach ein bisschen auseinandernehmen. Schmerz zu verstehen, kann nämlich auch heilsam sein.

Denn das, was wir für unsere "große Liebe" halten, ist nämlich oft genug einfach unsere erste Liebe. Dafür sorgt unser Gedächtnis. Psychologen*innen, die sich mit unserem autobiographischen Gedächtnis beschäftigen, beschreiben dieses Phänomen mit dem sogenannten "memory bump" oder "reminiscence bump"; ein "Gedächtnis-Hubbel", den die meisten von uns im Alter von 15 bis 25 Jahren aufbauen. Dieser Hubbel bedeutet, dass wir in dem Zeitraum viele "erste Male" erleben. Das "erste Mal", das erste Mal von Zuhause weg sein, der erste richtige Job, der erste Liebeskummer. Diese ersten Erfahrungen prägen uns nachhaltig. Sie werden zur Schablone für alles, was danach kommt, unweigerlich messen wir folgende Erlebnisse daran.

So kommt es, dass die erste Liebe zur großen Liebe wird. Einer Liebe, die dank unseres Gedächtnisses immer schon einen gewissen Vorsprung gegenüber den nächsten Lieben hat. Unfair, aber so ist es. Und nicht nur das. Diese Liebe wird zudem noch überzuckert von unserem kulturell antrainierten Glauben an die Existenz einer solchen großen Liebe und fertig ist der ganz große Liebeskummer.
Wie geht es weiter?

Ich weiß. Kulturkritik und das Wissen um psychologische Mechanismen sind auf dem fernen Planeten des Liebeskummers erstmal kein Trost. Aber auf Dauer kann es eben doch helfen, zu verstehen, was es mit unserem Kummer auf sich hat. Denn wenn der erste große Schmerz nachgelassen hat und wir wieder ein bisschen Luft unter den Flügeln haben, haben wir die Kraft, die "große Liebe" etwas nüchterner zu sehen. Dabei wird die "große Liebe" ein bisschen schrumpfen. Aber das ist gut so. Denn so macht sie ein bisschen Platz für die nächste Liebe.

Anders heißt ja nicht schlechter."

Die werden wir dann zwar vielleicht nicht wieder als "groß" empfinden, aber eben nur, weil sie anders ist. Aber anders heißt ja nicht schlechter. Und das ist dann eben doch der Trost dabei.