Vergangenes Jahr machte erstmals ein*e User*in auf Twitter mit einem Foto auf das Buch aufmerksam: Auf einem Seitenausschnitt eines Naturwissenschaftslehrbuchs des Verlags Volk und Wissen aus dem Jahre 1998 waren unter dem Titel Farben in der Natur verschiedene angebliche menschliche Rassen aufgelistet. Dazu wurden vermeintlich phänotypische Merkmale aufgeführt, also das vorgeblich genetisch bedingte Erscheinungsbild. Der "europäische Rassenkreis" neige etwa zur "Schlankwüchsigkeit", der "negride Rassenkreis", der mit einem Schwarzen Kind bebildert ist, sorge neben einer "starke[n] Pigmentierung von Haut, Haar und Augen" auch für "breite Nasen". Typisch für den "mongoliden Rassenkreis" hingegen sei ein "Gelbton der Haut" und etwa ein "untersetzter Körperbau mit langem Rumpf."

Die Rassentheorie ist gefährlich und unwissenschaftlich

Die sogenannte Rassentheorie ist gefährlich, denn sie reproduziert – wie ihr Name schon unweigerlich verrät – rassistische Stereotype: Menschen werden aufgrund ihrer geografischen Herkunft als homogene Masse begriffen, der bestimmte, genetisch verankerte Eigenschaften zukommen sollen. Ihren Ursprung hat die Rassenlehre unter anderem im Kolonialismus: Weiße Kolonialist*innen machten indigenen Menschen rassistische Zuschreibungen, um sie abzuwerten und Landraub und Versklavung zu rechtfertigen. Auch der Nationalsozialismus gründete auf der Rassenkunde. Heute sind diese Zuschreibungen schon längst wissenschaftlich widerlegt: Der Genpol innerhalb von Populationen, die geografisch einer Gruppe angehören, sind viel zu variabel, als dass man sie als homogen begreifen könnte. Und: Genetische Unterschiede innerhalb von Populationen sind im Vergleich größer als die Unterschiede zu anderen Populationen. So etwas wie Menschenrassen gibt es also nicht.

Das war der Grund, warum sich einige über die Inhalte des Lehrbuchs aufregten. Doch es kam heraus, dass es sich bei dem Exemplar von Naturwissenschaften: Biologie - Chemie - Physik nicht um ein Schulbuch, sondern um ein Sonderthemenheft zum Thema Farben handelte. Bildung ist in Deutschland nach wie vor Ländersache. Daher meldete sich das Sächsische Staatsministerium für Kultus über Twitter selbst zu Wort: Das Buch sei nie im Schulbuchverzeichnis aufgelistet gewesen. Das heißt dennoch, dass es Lehrer*innen offen steht, mit dem Material in ihrem Unterricht zu arbeiten.

Das Buch kam nun an einer sächsischen Oberschule zum Einsatz – und es könnte wieder passieren

Nun berichtete am Dienstag die Lokalzeitung Dresdner Neueste Nachrichten, dass eben jenes Buch in einer sächsischen Oberschule südlich von Dresden zum Einsatz kam. Die entsetzten Eltern mancher Schüler*innen einer zehnten Klasse hatten sich mit Fotos bei der sächsischen Landtagsabgeordneten Petra Zais (Grüne) gemeldet. In einer kleinen Anfrage wandte Zais sich wiederum an das sächsische Kultusministerium. Dies sei der einzig bekannte Fall, in dem das Themenheft im Unterricht genutzt wurde, hieß es seitens des Kultusministers Christian Piwarz (CDU) als Antwort. "Bei 1.400 Schulen und über 20.000 Klassen handelt es sich hier um einen bedauerlichen Einzelfall", sagte auch Susann Meerheim, Referentin im sächsischen Kultusministerium, der taz. Ebenso werde in Lehrmaterialen der Begriff Menschenrassen nicht mehr verwendet.

Dass der Begriff jedoch weiterhin, wie in diesem Falle, gelehrt werde, wurde so begründet: Der Gesetzgeber definiere im Sächsischen Schulgesetz zwar einen klaren Erziehungs- und Bildungsauftrag. Doch das Themenheft Naturwissenschaft Biologie, Chemie, Physik – Farben sei eben kein Schulbuch, so Piwarz in seiner Antwort an die Landtagsabgeordnete Zais. Und somit bedürfe es keiner Zulassung: "[...] mit der neuen Sächsischen Lernmittelzulassungsverordnung vom 19.

Juni 2017 unterliegen nur noch Druckwerke (Schulbücher) für die Unterrichtsfächer Evangelische Religion, Katholische Religion und Ethik der Zulassungspflicht. Bei allen zulassungsfreien Materialien wählen die Schulen eigenverantwortlich aus dem Sortiment der Verlage aus." Es könnte also sein, dass das Buch woanders wieder zum Einsatz kommt. Auch Konsequenzen gibt es für die sächsische Schule bisher keine: Der Schulleiter sei laut Schulgesetz verantwortlich für die Einhaltung der Lehrpläne. Erst wenn bei ihm ein Fehlverhalten vorliege, könnten schulaufsichtliche Maßnahmen greifen.