"Sag mal, verträgst du den Apfelwein nicht?", fragt mich meine Mitbewohnerin Clara an einem Abend. Etwas verwirrt schaue ich sie an – denkt sie wirklich, ich bin nach zwei Schlucken Apfelwein betrunken? "Geh mal zum Spiegel", fügt sie aber noch hinzu. Schnell renne ich zum Spiegel und sehe, was sie meint. Mein Gesicht ist voller großer, dunkelroter Flecken. Mir ist plötzlich auch verdammt heiß und ich bemerke, dass ich schlecht Luft bekomme.

An diesem Tag realisierte ich das erste Mal, dass ich Alkohol nicht vertrage. Seitdem treten diese Symptome häufig auf, wenn ich alkoholische Getränke zu mir nehme. Ob bei einem Glas Weißwein auf einer Vernissage oder einem Schlückchen Cider beim Essen – binnen Sekunden oder Minuten ist mein Gesicht mit roten Flecken übersät. Mir wird heiß und teilweise auch schwummrig, mein Herz fängt an schneller zu schlagen.

Käse, Salami und Alkohol sind tabu

Nach einem Gespräch mit meinem Vater, der Allgemeinmediziner ist, und nach üppiger Internetrecherche weiß ich: Meine vermeintliche Alkoholallergie muss eine Histaminunverträglichkeit sein. Herzrasen, rote Flecken im Gesicht und Schlafstörungen seien nur einige der Symptome davon, sagt die Internistin Gertraud Puschmann-Reuter gegenüber ze.tt. Aber auch Durchfall, Erbrechen und Herzrhythmusstörungen seien möglich. Bei jedem Menschen können Symptome unterschiedlich und verschieden stark ausfallen.

Dabei ist Histamin ein Naturstoff, der ohnehin im Körper und in den meisten Nahrungsmitteln vorkommt – beispielsweise in Hartkäse, Salami, Tomaten, Schokolade – und auch in Wein, Sekt oder Bier. Wenn man Alkohol trinkt, erhöht das die Darmdurchlässigkeit. Sprich: Mehr Histamin gelangt in den Kreislauf und kann noch mehr allergische Reaktionen hervorrufen. Bei einer Unverträglichkeit wird das Histamin nicht ausreichend abgebaut, sodass Beschwerden entstehen.

Nach Schätzungen sollen ein bis fünf Prozent der Deutschen davon betroffen sein, schreibt Anne Kamp in ihrem Buch Gesund essen bei Histaminintoleranz. "Häufig kommt die Intoleranz durch viel Stress", erklärt Puschmann-Reuter. Die Unverträglichkeit sei demnach meist nicht angeboren, sondern trete im Laufe des Lebens auf.

Und alles, was Puschmann-Reuter sagt, trifft auf mich zu. Seit etwa einem halben Jahr fühle ich mich wegen eines neuen Jobs gestresster, habe extreme Schlafstörungen und nach Alkoholkonsum die genannten Beschwerden. Meine Allergiewerte im Blut sind schon seit Ewigkeiten extrem hoch. Bei anderen Lebensmitteln ist mir aber eine Unverträglichkeit glücklicherweise noch nicht aufgefallen.

Abgedroschen, aber wahr: Ich kann auch ohne Alkohol Spaß haben

Was mich aber fast noch mehr stört als die Tatsache, dass ich Alkohol trinke und dann aussehe wie eine Tomate und Atemnot bekomme: Der Umgang der Menschen, denen ich von meiner Unverträglichkeit erzähle: "Oh nein, du Arme! Wirklich? Du kannst gar keinen Alkohol mehr trinken?", habe ich nicht nur einmal bei einem Kneipenabend gehört – inklusive mitleidiger Blicke.

Klar, ich fände es auch besser, wenn ich Alkohol vertragen würde und mir keine Sorgen machen müsste, einen Schluck Wein zu trinken und gleich eine rote Birne zu haben. Dennoch bin ich der Meinung, dass ein Kneipenabend oder eine Party auch Spaß machen, wenn ich keinen Alkohol trinke – das sehen aber leider nicht alle so.

Ich habe nie viel Alkohol getrunken und bin der Meinung, dass dieses ständige Rechtfertigen, warum man nichts trinkt, einfach nervt. Die Trinker*innen unter uns müssen sich doch auch nicht rechtfertigen, dass sie mit Alkohol mehr Spaß haben als ohne. Dann will ich mich auch nicht rechtfertigen müssen, warum ich mal keinen Alkohol trinke. Ich habe nämlich auch ohne Alkohol Spaß, so abgedroschen das auch klingen mag.

Auf Partys trinke ich entweder gar keinen Alkohol mehr oder probiere aus, welche alkoholischen Getränke ich zu mir nehmen kann und welche nicht. In letzter Zeit war mein Gesicht nach alkoholischen Getränken immer stark gerötet und mir war heiß, dann habe ich einfach immer aufgehört zu trinken und gehofft, dass mir niemand Fragen stellt. Wenn es doch jemand tut, erkläre ich lachend von meiner Intoleranz, was bleibt mir auch anderes übrig?

Andererseits kann es auch Vorteile haben, keinen Alkohol zu trinken: Es ist für den Körper viel gesünder und am Folgetag hat man keine nervigen Kopfschmerzen. Und ich habe auch ohne Alkohol gute Laune.

Ich habe die Wahl: Herzklopfen oder Diät?

"Sie müssen Ihren Stress reduzieren, dann kann die Unverträglichkeit weggehen. Und erst mal auf histaminhaltige Lebensmittel verzichten", sagt Puschmann-Reuter. Na schön, dass ungefähr überall Histamin drin ist. Aber Krokodilfleisch, frisch gefangener Fisch und frisch vom Baum gefallenes Obst sind okay, lese ich in einigen Internetportalen.

Da ich aber erst einmal nicht vorhabe, ins Dschungelcamp zu ziehen, esse und trinke ich so weiter wie bisher. Bisher habe ich ja noch keine Symptome bei anderen Lebensmitteln außer Alkohol, weshalb ich auf mein Lieblingsessen nicht verzichten will. Aber klar, ich esse jetzt etwas bewusster und achte immer wieder darauf, ob ich rote Flecken oder Hitzewallungen bekomme. Und hoffe, dass ich meinen Stress besser unter Kontrolle bekomme und ich irgendwann wieder ohne Probleme Alkohol zu mir nehmen kann.