Ich stand schon immer auf ältere Typen. Meinen ersten festen Freund hatte ich mit 16. Der Typ war 27, und ich fand ihn höllisch heiß. Er hatte Stil, wusste, was er vom Leben wollte und war ein brillanter Liebhaber – alles Eigenschaften, die die Jungs in meinem Alter nicht mitbrachten. Damit war der Maßstab gesetzt. Der geringste Altersunterschied, den ich zu meinen Partnern je hatte, waren neun Jahre. Und dennoch hätte ich nie damit gerechnet, dass ich mal jemanden heiraten würde, der so alt wie mein Vater sein könnte.

Es war eine ziemlich wilde Zeit, die ich gerade hinter mir lassen wollte, als ich Jo* kennenlernte. Ich fand ihn auf einer zwielichtigen Dating-Plattform, auf der ich mich selbst eher sporadisch herumtrieb. Er sah verdammt gut aus, Typ Marlboro-Mann, und schrieb intelligentes Zeug. Also ließ ich mich irgendwann zu einem Date überreden. Dass er 18 Jahre älter war als ich, war mir ziemlich egal. In dem Jahr davor hatte ich Typen, Drogen und Clubs ziemlich zusammenhanglos inhaliert. Entsprechend aufgeputscht war ich drauf. Jo hingegen war die Ruhe selbst.

Höheres Alter, mehr Erfahrung

Sein Partyjahrzehnt waren die Neunziger gewesen, echt lang her, das Ganze. Ich hing an seinen Lippen, als er mir von den erst illegalen und später dann legalen Läden erzählte, die er betrieben hatte. Außerdem machte ich mir die ganze Zeit vor Lachen fast in die Hose, weil er so einen genialen Humor hatte. Und als er mich zum Abschied küsste, dachte ich nur: "Alter, genau so!"

Mir gefiel, dass er so viel älter war als ich. Er hatte eine Menge gelesen, viel von der Welt gesehen, eine krasse Karriere hingelegt. Damit war er der ideale Gesprächspartner. Es gab nichts, auf das er keine Antwort gehabt hätte, und das ohne dabei ein Klugscheißer zu sein. Und er hatte dieses silbrige, super kuschelige Brustfell. Aber vor allem ließ ich mit ihm endlich meine Rastlosigkeit hinter mir. Statt nachts um eins in irgendeinen Club aufzubrechen, ging ich brav nach einem Abend vor seiner riesigen Glotze zu Bett. Statt mich monsterverkatert am Wochenende zu Hause einzuschließen, fuhren wir an die Ostsee und gingen am Strand spazieren. Statt Kaffee runterzustürzen, machten wir auf japanische Teezeremonie. So was halt. Klar, er hatte auch deutlich mehr Geld als ich – ich war Studentin, er hingegen schon eine Weile auf dem Arbeitsmarkt unterwegs und verdiente gut. Entgegen aller Klischees war mir sein Lebensstandard aber ziemlich egal. Mir war nur wichtig, dass der Mann an meiner Seite sein Leben auf die Reihe bekommt, und zwar möglichst besser als ich.

Unser Altersunterschied war in dieser ersten Zeit nie wirklich Thema, er belustigte uns eher. Wenn Jo irgendwen aus den Siebzigern zitierte und dann selbst feststellen musste: Scheiße, falsche Generation – wem erzähle ich das überhaupt? Oder wenn uns diese neugierigen Blicke in der Öffentlichkeit entgegenschlugen. "Ist sie jetzt seine Tochter?", fragten sie. Seine Freundin? Eine unverschämt junge Affäre, mit der er seine Frau betrügt? Manchmal fingen wir Rampensäue dann mit Absicht an zu knutschen, um die Gaffer*innen ein wenig zu beschämen. Oder ihnen was zu bieten, je nach dem.

Ich fischte in den Gewässern meiner Mutter

Schwierig wurde es in meinem direkten Umfeld. Als ich meiner Mutter erzählte, wie alt mein neuer Freund ist, konnte ich durchs Telefon hören, wie ihr die Gesichtszüge entglitten. Es war nicht mal so, dass sie es besonders seltsam gefunden hätte. Sie war eher entrüstet, weil ich in ihren Gewässern fischte. Immerhin ist sie nur 21 Jahre älter als ich und befand sich selbst gerade auf der Suche nach einem neuen Kerl.

Meine Freundinnen hingegen machten sich Sorgen um meine Reproduktion. "Mit dem kannst du doch keine Kinder mehr kriegen", warnten sie. Oder sie erkundigten sich, wie oft er denn überhaupt noch hintereinander könne. Wohlwollend geht anders, klar, aber mit der Zeit haben sie sich mit Jo arrangiert. Sie würden ihm noch heute nicht unbedingt vor lauter Freude um den Hals fallen, aber es gibt da eine friedliche Koexistenz, genau wie mit meiner Mutter.

Kinder haben wir dann übrigens doch noch bekommen, ganze zwei Stück. Vermutlich hätten wir damit nicht so viel Gas gegeben, wenn Jo nicht schon in den Vierzigern gewesen wäre. Irgendwann hätte er sonst vielleicht ausgesehen wie ihr Opa, und das wollten wir uns allen ersparen.

Liebe geht vor Alter

Seit unserem Kennenlernen sind sechs Jahre vergangen, und die Realität unseres Altersunterschieds hat uns endlich eingeholt. Jo wachsen neuerdings Haare auf dem Rücken und er ist noch ruhebedürftiger geworden als früher. Ihn nervt es, dass ich ständig irgendetwas unternehmen will. Und viel öfter Sex einfordere, als er bräuchte. Dabei befinde ich mich gerade gefühlt auf dem Zenit meiner sexuellen Entwicklung. Zwischen meinen Beinen geht die Post ab, und er will nicht mitmachen. Oder jedenfalls nicht in der Frequenz, in der ich das gern hätte. Das sorgt schon manchmal für Frustration zwischen uns, aber im Grunde ist das kein großes Drama, weil wir ohnehin eine offene Beziehung haben und ich meine Bedürfnisse so auch mal outsourcen kann.

Außerdem wurden bei Jo in den vergangenen Jahren immer wieder Hautkrebsvorstufen diagnostiziert. Sie sind zwar bisher nie bösartig gewesen, machen mir aber trotzdem Angst. Ich war nie ein Mensch, der groß in die Zukunft denkt, aber inzwischen frage ich mich manchmal, ob Jo und ich reelle Chancen haben, zusammen alt zu werden. So mit Enten füttern und Enkelkinder hüten und auf Kreuzfahrten gehen. Oder ob er einfach weit vor mir sterben wird. Ob ich ihn irgendwann pflegen muss, obwohl ich eigentlich noch eine Menge reißen könnte. In solchen Momenten hilft mir der Gedanke, dass wirklich jede Sau jeden Moment sterben oder zum Pflegefall werden kann. Auch ich. Und dass die Beziehung mit Jo die beste ist, die ich je hatte. Bei jedem Mann vor ihm wusste ich, dass ich irgendwann gehen werde. Bei ihm weiß ich, dass ich bleiben werde, egal, was kommt. Das, Baby, ist Liebe, und sie hat einfach mal nichts zu tun mit dem Dings, das man Alter nennt.

*Namen sind der Redaktion bekannt.