Niemand möchte sich mehr festlegen – aus Angst, vielleicht etwas Besseres zu verpassen. Jüngstes Beispiel: die Silvesterparty. Alle kommen – auf jeden Fall vielleicht.

"Was machst du eigentlich an Silvester?" – jedes Jahr dieselbe nervige Frage von Freunden, Bekannten, Verwandten. Daraufhin Schulterzucken. "Ach ich weiß noch nicht, bin zu mehreren Partys eingeladen. Entscheide ich dann spontan".

Die Generation Y ist voller Fomos

Viel ist schon gesagt worden über meine Generation, die sich nicht festlegen kann, nicht festlegen will. Aus Angst, die beste noch kommende Möglichkeit zu verpassen. Kerstin Bund schreibt in ihrem Buch Glück schlägt Geld – Generation Y: Was wir wirklich wollen, dass wir durch die unzähligen Optionen und Wahlmöglichkeiten, mit denen wir groß geworden sind, wahnsinnige Angst haben, etwas zu verpassen.

Bund nennt uns Fomos, das steht für the fear of missing out. Die größte Angst der Fomos sei es, sich durch eine endlose Fülle von Wahlalternativen für die falsche zu entscheiden.

Bei der Silvesterplanung zeigt sich die Unentschlossenheit der Fomos wieder. Meine Schwester hatte vor, eine Party in ihrer neuen Wohnung zu feiern. Sie war bereit, das WG-Wohnzimmer alkoholisierten "Happy New Year"-grölenden Menschen zur Verfügung zu stellen. Aber dann erhielt sie nur "Komme vielleicht"-Zusagen bei Facebook und fragte sich, ob sie am Ende alleine mit Sekt und Raketen dastände. Sie sagte die Veranstaltung ab.

Meine Generation ist so unzuverlässig, dass ich mich nicht mehr traue, per Whatsapp ausgemachte Verabredungen in meinen analogen Terminkalender einzutragen. Denn die Hälfte der vereinbarten Treffen zum Kaffee, Mittagessen oder Kochabende werden kurzfristig abgesagt.

"Sorry, ich muss auf meine kleine Schwester aufpassen." "Sorry, ich muss zum Bauch, Beine, Po." "Sorry, ich muss wirklich für die Klausur lernen."

Es gibt viele Gründe für spontane Absagen und schlimmer noch: Mir fallen in letzter Zeit oft selbst welche ein. Wenn ich mit jemandem locker zum Kaffeetrinken verabredet bin, lege ich den seit Wochen vor mir hergeschobenen Arzttermin schon mal in die eigentliche Verabredungszeit. Denn ich weiß: Meine Freunde und ich sind spontane Sorry-Nachrichten gewöhnt. Das muss sich ändern, unser Vorsatz für 2016 sollte lauten: mehr Verbindlichkeit!

Verabredung zum Biertrinken auf Doodle

Kürzlich schlug mir eine Kommilitonin vor, fürs abendliche Biertrinken mit zwei weiteren Freunden eine Doodle-Umfrage einzurichten – das solle die Terminfindung vereinfachen. Ich zweifelte daran. Ohnehin widerstrebte es mir, eine Verabredung zum Biertrinken per Doodle zu vereinbaren. Aber dann setzte ich doch brav meine Häkchen an den freien Abenden der Woche. Das war Anfang Dezember – getroffen haben wir uns immer noch nicht.

Verbindlichkeit und langfristige Entscheidungen scheinen erst ab der Generation meiner Eltern wieder zu funktionieren. Die vereinbaren ihre Termine zwar mittlerweile auch per Whatsapp und Doodle, aber dann stehen sie auch fest. Wenn Mama uns sonntags zum Kaffeetrinken einlädt, steht Kuchen auf dem Tisch.

Wenn meine Patentante mit mir essen gehen will, reserviert sie den Tisch zwei Wochen im Voraus. Beide müssten todkrank im Bett liegen, um die Verabredungen spontan abzusagen. Vielleicht liegt das daran, dass kurzfristige Absagen früher gar nicht möglich waren. War man übermorgen zum Spielen am Bach verabredet, war man übermorgen zum Spielen am Bach.

Kein stundenlanges Zuspätkommen

Meine Freundin Laura hat kein Facebook, kein Whatsapp und gerade auch kein Handy. Sie ist nur per Mail zu erreichen. Als sie mir von ihrem digitalen Entzug berichtete, war ich zunächst entsetzt. Wie sollten wir uns jetzt verabreden? Was mir erst sehr kompliziert erschien, klappt bislang besser als mit meinen digital-vernetzten Freunden. Wenn Laura mir per Mail schreibt, dass wir uns um 20:30 Uhr am U-Bahnhof bei der Dönerbude treffen, treffen wir uns um 20:30 Uhr am U-Bahnhof bei der Dönerbude. Keine spontanen Absagen, kein stundenlanges Zuspätkommen.

Die Zuverlässigkeit von Laura, meinen Eltern, meiner Patentante ist vorbildlich. Als meine Schwester an Weihnachten vom bescheidenen Feedback auf ihre Silvesterparty-Einladung berichtete, schlugen meine Eltern kurzerhand vor, gemeinsam mit der Familie zu feiern – wie früher, mit Raclette, Activity, Wunderkerzen.

Ich mag meine Familie und fand die Idee toll. Kein Massenbesäufnis mit Unbekannten, sondern familiäres Beisammensein, Weihnachten 2.0. Spontan absagen geht jetzt nicht mehr; Mama kauft heute den Raclettekäse, Papa liest sich die Spieleanleitungen durch. Es lebe die Verbindlichkeit!