Eigentlich ist Isabell glücklich. Sie hat einen Freund, einen Job als Grafikerin und ein gutes Verhältnis zu ihrer Familie. Doch etwas fehlt: eine Freundin. "Mir fehlte jemand außerhalb der Familie und meines Partners, dem ich einfach täglich schreiben konnte", sagt sie.

Es sei nicht so, dass sie keine Frauen kenne. Nur habe sie schlechte Erfahrungen gemacht, wenn sich überhaupt Freundschaften daraus entwickelten. "Ich habe fast nur Kumpels und habe mir schon seit Jahren eine beste Freundin gewünscht. Ich hatte zwar immer mal gute, aber besonders treu waren sie nie und ich konnte auch nicht über alles mit ihnen reden", sagt sie.

Weil es im analogen Leben nicht klappt, beginnt sie im Netz zu suchen. Sie tippt die Worte "beste Freundin gesucht" ein und stößt auf eine gleichnamige Website. In den USA wurden aufgrund der hohen Nachfrage sogar eine App entwickelt. In Deutschland gibt es bisher verschiedene Plattformen.

Im Netz gezielter suchen

"Beste Freundin gesucht" ist eine davon. Marie Hagdorn hat sie im Januar 2015 gegründet. 

"Ich glaube, dass sich viele Frauen neue Freundinnen wünschen, wenn sie weggezogen sind oder sich ihre Lebensumstände geändert haben", sagt sie. Ihr sei aufgefallen, dass Frauen im Netz Freunde suchen und wollte ihnen eine Plattform bieten, auf der sie sich wohl fühlen. Nach einem M

onat hatten sich 150 Frauen angemeldet, nach einem halben Jahr 5.000. Mittlerweile suchen

 dort 15.000 nach Freundinnen.

"Im realen Leben entstehen Freundschaften nebenbei. Man trifft sich immer wieder. Aber man stellt sich ja auch nicht auf die Straße und sagt: 'Hallo, hier bin ich. Ich bin neu hier'. Da hat man es im Internet einfacher, wenn man gezielt auf die Suche geht", sagt sie.

Das merkt auch Isabell schnell. Nachdem sie sich registriert hatte, schreibt sie Frauen an und beginnt mit ihnen zu chatten. Eine Userin, Lisa, hat als Interessen Kroatien angegeben. Isabell will mit ihrem Freund dort Urlaub machen, fragt sie nach Reisetipps. Irgendwann schreiben sie über Privates und stellen fest, wie viel sie gemeinsam haben.

Zwischen den Zeilen lässt sich Vertrauen nicht herauslesen

Eigentlich schön, doch irgendwie bleiben Zweifel: "Am Anfang war ich sehr skeptisch, ob es sie wirklich gibt oder ob da nur jemand nacherzählt, was ich schreibe", sagt sie. Vertrauen scheint über Texte nur schwer zu entstehen. Dass der Mensch am anderen Ende es gut mit einem meint, lässt sich zwischen den Zeilen nicht herauslesen.

Diese Skepsis teilen viele User*innen, sagt Soziologe Kai Dröge. Zwar würden wir alle hunderte Freunde bei Facebook ansammeln, doch "die Kehrseite des unermüdlichen digitalen Freundesammelns sind Oberflächlichkeit und Unverbindlichkeit", sagt er.

"Nähe kann im Internet schon entstehen, aber hinsichtlich der Exklusivität und Dauerhaftigkeit bin ich skeptisch." Eine Internetbekanntschaft sei nur von Dauer, wenn man sich auch regelmäßig analog treffe.

Vom Netz ins Leben

Auch Isabell will wissen, ob Lisa und sie sich auch im echten Leben verstehen. Also verabreden sich die beiden. Ihre Unsicherheit bleibt. "Ich wählte einen Ort mit vielen Menschen, da ich immer noch etwas skeptisch war. Also trafen wir uns in der Leipziger Innenstadt."

Als sie ihre Internetfreundin erkennt, ist sie erleichtert. Es gibt sie wirklich. Die beiden sind sich sympathisch und reden stundenlang. Isabell, die bisher nur mit Männern befreundet war und sich als schüchtern bezeichnet, fühlt sich sofort wohl. Mittlerweile ist eine weitere Freundin, Tina, hinzugekommen. Kennengelernt haben sie sich über dasselbe Portal. Eigentlich suchte Tina nur eine Reisepartnerin, doch nun treffen sich die Frauen regelmäßig zu dritt.

Am Anfang war es Isabell unangenehm zu sagen, dass sie die neue Freundschaft im Netz gefunden hat. Fast wie beim Online-Dating. Mittlerweile ist sie froh, dass sie sich getraut hat und zwei neue Freundinnen in einem Jahr kennengelernt hat.