Wie wir uns auf diesen Abend freuten. Ein halbes Jahr früher war ich mit meinem guten Freund Tobias das Konzert durchgegangen: Wie er wohl aussehen würde, so live? Wie sich seine Stimme anhören würde? Würde er "Mr. Tambourine Man" spielen?

Und wie wir seine Musik damals aufsaugten. Es gab keinen Sommerabend, der nicht mit Dylan endete. Wir waren uns sicher: Das hier ist ewig, das wird nie langweilig. Ich weiß noch, wie wir ungläubig den Kopf schüttelten, als er 2012 seine Deutschlandtour ankündigte. Für uns war er eine mythische Gestalt, die Vorstellung, ihn einmal live sehen zu können, höchst unwirklich.

Wir mobilisierten zwei weitere Freunde, Moe und Maria, meine Mutter und einen Kumpel von ihr für das Konzert am 6. Juli im Schloss von Bad Mergentheim. Und auch, wenn wir seine Texte schon vorher verehrten – an diesen Abend verliebten wir uns endgültig in ihn. Das Konzert ließ uns erstmals wirklich fühlen, wie Musik die Menschen verbindet.

Die Kulisse war schlicht traumhaft. Ein Schlossinnenhof in der kleinen Stadt, ringsum Bäume. Klar, ein Bob Dylan darf wählerisch sein, was die Konzertlocation anbelangt.

Es kamen vielleicht 2000 Gäste. Die Atmosphäre war intim, schwebend. Vor allem aber: friedlich. Alle waren freudig erregt. Es waren die alten Fans da, die mitbekommen haben, wie das alles war, als er 1963 "Blowin' in the wind" schrieb. Und die jungen Fans, wie Tobias und ich es waren, die den Song Jahrzehnte später zum ersten Mal auf den Platten ihrer Eltern hörten.

Als der Großmeister die Bühne betrat, lag Spannung in der Luft. Schwarzes Jackett, weiße Hosen und der ikonische Hut. Zu dieser Zeit konnte er altersbedingt nicht mehr Gitarre spielen, sondern verbrachte den Großteil des Abends hinter dem Flügel. Manchmal erhob er sich. Dann tanzte er etwas, zelebrierte seine Texte, zog etwa "Happiness" so in die Länge, dass wirklich jeder verstand, was das Wort bedeutet.

Seine Songs waren damals eher dahergehustet denn gesungen, aber trotzdem: Bei Dylan erzählt allein schon die Stimme eine Geschichte. Und die Texte erst: Tiefsinnig, wütend, zynisch, wirkmächtig.

Ich erinnere mich noch gut daran, wie der Knoten bei "Like a Rolling Stone" platzte, die Spannung sich löste. Wir tanzten, sangen, lächelten gemeinsam. Wenn es überhaupt so etwas wie ein ideales Konzert gibt, dann war es das.

"Mr. Tambourine Man" spielte er übrigens nicht. Das war aber nicht weiter schlimm – wir hörten es trotzdem noch an diesem Abend. Nach dem Konzert standen wir vor der wunderschönen Kulisse des Schlosses und ließen alles noch etwas Revue passieren. Dort, ein paar Schritte vom T-Shirt-Stand entfernt, spielte ein Straßenmusiker unter einer Laterne alte Dylan-Songs. Rund zwei Stunden standen sicher 40 Menschen auf der Straße und feierten die Lieder – darunter auch unseren Lieblingssong, den Tambourine Man.

Noch heute denke ich gerne daran zurück. Und immer wenn ich einen Dylan-Song höre, habe ich ein warmes Gefühl in mir – Musik durchbricht einfach alles.

Heute wurde dem 75-jährigen Bob Dylan der Literaturnobelpreis verliehen – nachdem er viele Jahre als Favorit galt. Verdienter kann ein Preis nicht sein.