Die drei bewaffneten Ranger sagten, sie seien da, um mich und meine Freunde vor aggressiven Tieren zu beschützen. Nach zwei Stunden rannte ich mit ihnen um mein Leben – auf der Flucht vor Wilder*innen. Dahinter steckt das Geschäft mit Elfenbein. 

2.950 Meter Höhe, sagt mein Smartphone. Halbe Höhe zum Gipfel geschafft. Wir sind im Südwesten Ugandas, ein Samstagmorgen im September, 8:30 Uhr. Pause beim Besteigen des erloschenen Sabinyo-Vulkans (3.645 Meter). Wir holen Wasserflaschen aus den Rucksäcken.

Die meisten Leute kommen in diese Gegend am Äquator, um ein paar der letzten 880 stark gefährdeten Berggorillas zu treffen. Je nach Land zahlen sie 400 bis 1.500 US-Dollar für die Erlaubnis, um zu sehen, dass es sie wirklich noch gibt.

Wir wollen nur hoch auf den Sabinyo-Vulkan im Mgahinga-Nationalpark. Noch eine letzte Wanderung am Ende unserer dreiwöchigen Reise durch Uganda. An den Hängen des Sabinyo leben neben Gorillas auch Waldelefanten, Büffel und Goldaffen, die es nirgends sonst gibt. Auf dem Gipfel treffen sich drei Länder: Uganda, Ruanda und die Demokratische Republik Kongo.

Ein Schluck Wasser, dann fällt ein Schuss. Alle wachen auf aus ihrer Wanderpausen-Lethargie. Keine Sorge. Zwei Ranger sind mit ihren AK47-Gewehren vorweg gegangen, um uns vor aggressiven Waldelefanten und Büffeln zu beschützen. Dann der zweite Schuss. 20 Sekunden Ruhe. Einer der Ranger kommt von oben um die Ecke gestolpert. Ein dünner 1,90-Typ, Anfang 30, zitternd, nasses Gesicht, Waffe in der Hand, redet panisch auf unsere Führerin ein: "Hide!" Sie spricht nervös in ihr Funkgerät, während wir alle hinter einem kleinen Erdwall hocken. Ein weiterer Schuss von oben.

Wäre da ein Tier, würde man dann so mit seiner AK47 wegrennen?"

Die Ranger der Uganda Wildlife Authority nehmen unsere Rucksäcke und befehlen: "Run! Down, down!" Wir rennen den steilen Weg durch den Wald, springen Holzleitern hinunter. Kurzer Schwindel, es ist extrem steil. Wir haben Angst, weil die Ranger, die uns beschützen sollen, selbst Angst haben. Wäre da ein Tier, würde man dann so mit seiner AK47 wegrennen?

Nebenan: einer der gefährlichsten Nationalparks der Welt

Während unserer Flucht sind wir nur zwei Kilometer von der Demokratischen Republik Kongo entfernt, einem Bürgerkriegsland. Das Auswärtige Amt schreibt, man könne die ugandischen Nationalparks an der Grenze besuchen. Was wir nicht so genau wissen: Virunga, der Nationalpark hinter der Grenze, der älteste Afrikas, ist einer der gefährlichsten der Welt.

Rebellen und Wilder*innen haben in 20 Jahren mehr als 160 Ranger*innen im Virunga-Nationalpark umgebracht. 2014 überlebte der Direktor des Parks, der Belgier Emmanuel de Merode, ein Attentat.

Wir stoppen nach ein paar Minuten und starren den steilen Hang hoch. Alles ruhig. Dann bewegt sich etwas hinter einem Baum. Wieder knallt ein Schuss in die Stille. Noch panischer als zuvor der Befehl: "Down! Down!" Wir rennen.

111.000 Elefanten weniger in zehn Jahren

Der Virunga-Nationalpark hat in zwei Jahrzehnten 90 Prozent seiner Elefanten verloren. Für den ganzen Kontinent ist die Abrechnung nach einem dramatischen Anstieg der Wilderei ab 2006 zehn Jahre später: rund 111.000 Elefanten weniger. Jetzt ziehen noch etwas mehr als 415.000 durch die Savannen und Wälder Afrikas. Das ist allerdings nur ein Durchschnitt: In Ostafrika hat sich die Zahl der Elefanten im selben Zeitraum sogar halbiert.

Für den Waldelefanten in Zentralafrika, die dort heimisch sind, wo wir gerade wandern, haben Wissenschaftler*innen nur noch wenig Hoffnung.

They are from Congo."

Hinter mir atmet jemand schwer. Ich schaue mich um, ob noch alle da sind. Wir rennen bis wir den Fuß des Vulkans erreichen. Hinter uns ist ein beruhigend dichtes Bollwerk aus Wald. "They are from Congo", sagt unsere Führerin schnell atmend und spricht wieder ins Funkgerät. Aus dem Busch neben dem Weg grunzt ein Waldelefant.

Wildlife-Krieg gegen Rebellen, Terrorist*innen und Militär

Wer Ranger*in wird, zieht auch in einen Krieg gegen Wilder*innen. Viele Ranger*innen müssen in Regionen Tiere schützen, in denen der Staat nicht einmal den Menschen ein sicheres Leben garantieren kann. Der Direktor des Virunga-Nationalparks nannte den Beruf im vergangenen Jahr im Guardian den gefährlichsten Naturschutzjob der Welt. 

Die Verstärkung der Uganda Wildlife Authority (UWA) kommt um die Ecke. Acht Ranger, die meisten wohl zwischen Anfang 20 und 40, Männer, AK47s über den Schultern, ein Maschinengewehr, ein Granatwerfer, ein fröhliches "Good morning, guys!" und die Bestätigung: Oben seien Wildernde. Man müsse die Situation harmonisieren.

In Uganda muss der Nachwuchs erst durch eine dreimonatige paramilitärische Ausbildung gehen. Die Gegner*innen vor allem aus der benachbarten Demokratischen Republik Kongo sind teilweise gut organisierte Banden mit Mengen an Schusswaffen und Munition. Berichte deuten darauf hin, dass Wilder*innen in der Demokratischen Republik Kongo sogar von Hubschraubern aus töten. Auch Teile des kongolesischen Militärs stecken mit im Geschäft, im Sudan auch sudanesische Soldat*innen, die offenbar Stoßzähne von der Miliz Lord’s Resistance Army kaufen. Die Tierprodukte finden ihren Weg allerdings auch tonnenweise durch stabilere Länder wie Uganda.

Die somalische Terrormiliz al-Shabaab kann mit dem Gewinn aus dem Elfenbein laut einer Recherche der NGO Elephant Action League bis zu 40 Prozent seiner Soldat*innen-Gehälter bezahlen. Vor zwei Jahren veröffentlichte al-Shabaab ein Video, in dem Kämpfer eine Giraffe in Kenia töten und dafür werben, das selbst auch mal zu machen.

Wir geben den Rangern unsere Avocado-Toasts und Bananen. Der Boss schultert das Maschinengewehr. Hoch zu den Wildernden, auch um einen der Ranger zu retten. Er könne nicht mit uns fliehen. 

Elfenbein-Shopping in Südostasien

Die Ranger*innen riskieren ihr Leben, weil sich vor allem in China Menschen Elfenbein-Statuen in ihre Wohnzimmer stellen. Roh kostet Elfenbein da aktuell 730 US-Dollar pro Kilogramm. Ab Ende dieses Jahres ist der Handel in China verboten. Dafür geht es zum Elfenbein-Shopping jetzt nach Laos: Der gilt als der am schnellsten wachsende Markt. 80 Prozent der Käufer dort sind Chines*innen.

Danke, dass ihr fit seid und rennen konntet. Damit habt ihr auch eure Leben gerettet."

Das ist die nüchterne Analyse unserer Führerin am Ende. Sie ist erleichtert. Am Nachmittag hängen wir im Camp am Fuß des Vulkans herum und hoffen, dass oben alles gut geht. Wir hören irgendwann Schüsse und Maschinengewehrsalven vom Berg. "Alles gut gegangen, wir haben sie in den Kongo vertrieben", sagt uns ein Ranger später. Der Berg sei jetzt erst mal für ein paar Tage gesperrt. Anderen Tourist*innen erzählt die Wildlife Authority, kaputte Holzleitern seien der Grund dafür.