Wer mit einer psychischen Erkrankung lebt, hat an manchen Tagen nicht einmal die Kraft, aus dem Bett aufzustehen und zu duschen. Und obwohl die Zahl der Menschen, die von Depressionen, Burn-out, Panik- oder Essstörungen betroffen sind, seit Jahren ansteigt, fühlen sich viele Betroffene immer noch alleingelassen bei der Suche nach einem Therapieplatz. Doch selbst wenn dieser endlich gefunden ist, kommt häufig ein weiteres Problem auf Betroffene zu: die Kosten.

Denn die Krankenkassen sind gesetzlich nur dazu verpflichtet, die Kosten von Therapien bei sogenannten kassenzugelassenen Praxen zu übernehmen. Die Anzahl dieser Praxen kann aber in vielen Fällen den steigenden Bedarf an Therapieplätzen nicht decken. Darum weichen Patient*innen auf Praxen aus, die nicht kassenzugelassen sind, obwohl sich die Kenntnisse der Therapeut*innen nicht von denen in zugelassenen Behandlungsstellen unterscheiden. Doch bei Praxen, die nicht kassenzugelassen sind, müssen Patient*innen erst einen Antrag auf Kostenübernahme stellen, um die Behandlungskosten von ihrer Krankenkassen erstattet zu bekommen. Wie eine neue Studie verschiedener Landespsychotherapeut*innenkammern zeigt, wurden im vergangenen Jahr nicht einmal fünf von zehn Anträgen von Krankenkassen bewilligt. Im Vorjahr waren es noch fast doppelt so viele.

Das bedeutet, dass Menschen sich – neben der langen Suche, ermüdenden Terminabsprachen und Wartezeiten auf einen Therapieplatz – immer wieder einen bürokratischen Zettelkrieg mit ihren Krankenkassen liefern müssen, um doch noch eine Kostenerstattung zu erhalten.

Gesetzliche Grauzonen

Die Ablehnungen von Anträgen enthielten zudem immer wieder Behauptungen, die juristisch nicht einfach einzuordnen sind, wie aktuelle Recherchen der ZEIT zeigen. So wurde in Briefen und bei Telefonaten behauptet, die Kostenübernahme gäbe es nicht mehr oder sie sei nicht zulässig. Dadurch ließen sich viele Betroffene verunsichern und würden nicht weiter nachfragen.

Inzwischen werden die Ablehnungsverfahren zur Kostenerstattung juristisch geprüft. Allerdings gäbe es auch unter Jurist*innen große Unsicherheiten zu dem Thema, teilte der Sozialrichter Frank Bockholdt der ZEIT mit. Denn die Krankenkassen sind gut beraten: Sie nutzen durch wasserdichte Formulierungen gesetzliche Grauzonen aus und sparen dadurch Geld. Jede Therapie, die nicht übernommen wird, wirkt sich positiv auf die Finanzen der Krankenkassen aus.

So kannst du dich wehren

Was heißt das für die Betroffenen? Die einzige Möglichkeit, die Krankenkasse zur Übernahme der Kosten zu bewegen, zu der sie im Normalfall gesetzlich verpflichtet ist, besteht darin, formal Widerspruch einzulegen. "Es gibt sogar mehrere Anwälte, die sich darauf spezialisiert haben, diese Kostenübernahme-Verfahren zu begleiten", erzählt Dr. Zsofia Szirmak, Sprecherin des Arbeitskreises Kostenerstattung der Berliner Psychotherapeut*innenkammer gegenüber ze.tt.

Wer allerdings keine Rechtsschutzversicherung hätte, müsse die Kosten für eine*n Anwält*in selbst tragen. Ablehnungen und Widersprüche gingen dann so lange zwischen Krankenkasse und Patient*in hin und her, bis einer Partei die Kraft ausgeht. In den meisten Fälle sei das die Person, die bereits krank ist. "Letztendlich bleiben sie dann Zuhause und unversorgt."

Manche Patient*innen wären mit der Klage für die Kostenübernahme allerdings auch schon bis vor das Sozialgericht gezogen. Wer selbst eine Ablehnung der Kostenübernahme erhalten hat, der*die findet bei Beratungsstellen wie Kassenwatch oder direkt bei der Psychotherapeut*innenkammer des eigenen Bundeslandes Hilfe.

Für Szirmak ist die Kostenerstattung allerdings nur das Symptom eines viel größeren Problems. Sie kritisiert die wenigen Berührungspunkte zwischen Kassen und Patient*innen, die langen Wartezeiten und die geringe Anzahl von Therapieplätzen. Hier müsse sich, zusätzlich zu der Übernahme von Therapiekosten durch die Krankenkassen, noch einiges ändern, fordert sie.

Anmerkung: In einer vorherigen Version des Artikels fehlte die Information, dass die Kostenübernahme nur bei nicht kassenzugelassenen Praxen problematisch ist. Wir haben dies an entsprechender Stelle ergänzt.