Große Töne spucken, sich permanent selbst highfiven – die Vorstellung von Selbstlob im Job ist im ersten Moment oft mit unangenehmen Assoziationen verbunden. Doch das ist ein verzerrtes Bild, besonders im beruflichen Kontext ist es nämlich wichtig für die Karriere, die eigene Leistung sichtbar zu machen und hervorzuheben. Und ja, das geht auch ohne Fremdscham-Alarm.

Warum fällt Selbstlob schwer?

Einige Menschen haben wenig Probleme, sich zu positionieren und selbst zu feiern. Andere hingegen neigen eher dazu, sich selbst und ihre Leistung im Hintergrund zu belassen – abhängig von der Persönlichkeit. Die jedoch ist nicht der einzige Faktor, wenn es um Selbstlob im Arbeitsumfeld geht. "Das ist eine Generationen- und Geschlechterfrage", erläutert die Berliner Coachin und Karriereberaterin Petra Barsch.

Männern werde es demnach anerzogen, über ihre Erfolge zu sprechen – das sei mit Ansehen und Stärke verbunden. Für Frauen hingegen sei es häufig schwieriger, da ihnen in der Erziehung tendenziell eher Bescheidenheit vermittelt werde. "Jahrhundertelang war es Frauen außerdem verwehrt, eigene Wege zu gehen, eigene Konten zu haben und bis in die späten 50er-Jahre musste der Mann zustimmen, wenn seine Frau arbeiten wollte; er konnte den Arbeitsvertrag auch ohne ihre Zustimmung lösen", erläutert Petra Barsch. "Das hinterlässt Spuren, die erst die kommenden Generationen überwinden werden."

Da ändere sich inzwischen was, so die Karriereberaterin: "Frauen gestehen sich ebenfalls das Recht zu, über ihre Erfolge zu sprechen und sie beruflich einzusetzen." Doch diese Änderung brauche eben Zeit.

Dazu kommt nicht selten auch die Befürchtung, bei Selbstlob im Job von Chef*innen oder Kolleg*innen kritisch bis neidisch beäugt zu werden. Laut Petra Barsch eine unnötige Befürchtung: "Die meisten Vorgesetzten empfinden Eigenlob gar nicht als negativ – für sie ist es eher selbstverständlich."

Und einige gehen auch stillschweigend davon aus, dass es zu den Aufgaben und Fähigkeiten kompetenter Vorgesetzter gehört, ihre Mitarbeitenden zu sehen und angemessen einschätzen zu können. Das allerdings ist deutlich zu eindimensional aus der eigenen Perspektive gedacht. "Vorgesetzte sind oft stark überlastet und können nicht jeden oder jede auf dem Schirm haben", sagt Petra Barsch.

Selbstlob ist also unzweifelhaft ein wichtiges Werkzeug beim Karriereaufbau. Es kommt halt darauf an, wie es ein- und umgesetzt wird.

Wofür ist Selbstlob gut?

Selbstlob im Job ist entscheidend für Beförderungen, neue Projekte, mehr Verantwortung – aber auch in Gehaltsverhandlungen und bei der Jobsuche. Kurz: überall. "Nur, wer hierbei selbstbewusst auftritt, wird erfolgreich sein", meint auch die Karriereberaterin. "Studien belegen, dass nur zehn Prozent des beruflichen Erfolges auf Qualifikation und Kompetenz basieren. Neunzig Prozent machen Image, Auftreten und Kontakte aus. Und dafür kann und muss man selbst sorgen."

Denn wer nicht auf eigene Erfolge aufmerksam macht, werde bei Beförderungen oder spannenden Projekten eher übergangen. Unter anderem, weil Vorgesetzte und Verantwortliche sich in solchen entscheidenden Momenten schlicht leichter an die Person erinnern, die öfter von sich reden gemacht hat – auch, wenn der- oder diejenige objektiv betrachtet weniger draufhat.

Deshalb ist der erste Schritt, dass du dir deines beruflichen Selbst deutlich bewusst wirst und im nächsten, dass du dieses Bewusstsein klar kommunizierst. Das hat laut Karriereberaterin übrigens nichts damit zu tun, dich selbst als Produkt zu betrachten und hemmungslos zu verkaufen oder anzupreisen – es ist schlicht die Anerkennung deiner Stärken, Leistungen und Erfolge; erst durch dich selbst, dann durch andere.

Wie geht das?

Zunächst mal: Es ist zugegebenermaßen wirklich nicht so leicht, sich selbst und die eigenen Leistungen und Stärken im Beruf zu sehen und richtig einschätzen zu können – weil die dazu nötige distanzierte und sachliche Außenbetrachtung schwierig ist.

Pro-Tipp: Du kannst aktuelle oder ehemalige Kolleg*innen und Vorgesetzte nach ihrer Einschätzung fragen, das vermittelt ein recht gutes Bild. Wenn beispielsweise vier von fünf Befragten aus der Hüfte "Zuverlässigkeit" und "Kreativität" sagen – dann sind das eindeutig Attribute, die für dich sprechen, die du dir nachweislich im Laufe deines Joblebens erarbeitet hast und die du unbefangen betonen kannst. Aus den Antworten lässt sich folglich ein berufliches Erfolgsbild zusammenfügen. Eine hervorragende Startrampe für gelungenes Selbstlob.

Dann hilft es auch enorm, im beruflichen Alltag größere und kleinere Erfolge festzuhalten und zu dokumentieren. Wie genau, das ist eine Typfrage. Manche Menschen richten sich eine Exceltabelle ein, in die sie Stichworte und entsprechende Zahlen einfügen, andere schreiben ein Wochentagebuch – in ein zentrales, digitales Dokument oder in ein Notizbuch.

"Handgeschriebenes prägt sich besser ein", sagt Petra Barsch. "Man kann sich aber auch ein Audiotagebuch anlegen und sich in Phasen, in denen es darauf ankommt, die eigenen Stärken und Erfolge noch mal anhören." Nachteil dabei: Es ist nicht so einfach, nach gezielten Fakten und Punkten zu suchen – zum Beispiel in Vorbereitung auf Gehaltsverhandlungen oder Jahresgespräche.

Anschließend ist es logischerweise wichtig, die so gewonnenen Einsichten über deine Stärken und Erfolge auch in den richtigen Momenten anzubringen.

Erste Regel: Selbstlob ist dann angebracht, wenn es verdient und angemessen ist. Andere merken genau, wenn jemand Dinge aufbläst oder sich Leistungen von Kolleg*innen aneignet. Vor allem letzteres ist nicht nur egoistisch und hinterhältig, sondern macht auch zu Recht unbeliebt. Falls ein Projekt also mithilfe von Kolleg*innen erfolgreich geworden ist, dann solltest du das unbedingt erwähnen und in dein Selbstlob einfließen lassen. Beispiel: "Ich bin so stolz, dieses Projekt gemeinsam mit dem Team so schnell erfolgreich zum Ziel gebracht zu haben." Geteiltes Lob ist doppeltes Lob. Und es steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass besagte Kolleg*innen deinen Anteil an ihrem Erfolg künftig ebenfalls erwähnen.

Auch Meetings können laut Karriereberaterin eine prima Gelegenheit sein, deine Leistung zu betonen: "Dort klar sagen, wie der Stand der Dinge ist oder wann etwas erfolgreich zu Ende gebracht wurde." Je konkreter, desto besser – lass Fakten für dich sprechen. Voraussetzung ist selbstredend, dass es gerade passt und Thema ist. Niemand will "Aber ich habe das Wachstum verdoppelt!"-Rufe auf einer "Wir müssen leider Leute entlassen"-Veranstaltung hören.

Nicht zuletzt sind vor allem Mitarbeiter*innen- und Feedbackgespräche die entscheidende Plattform für Selbstlob im Job, verbunden mit deinen beruflichen Zielen. So kannst du Vorgesetzten deutlich darlegen, was du erreicht und was du noch vorhast. Und dabei helfen die gesammelten Notizen.

Genauso wichtig wie Selbstlob ist es übrigens, gemachte Fehler einzuräumen, Verantwortung dafür zu übernehmen und daraus zu lernen. Kontinuierliche Integrität, Authentizität und Fairness plus Leistung – das merken sich Kolleg*innen und Chef*innen.

Ohne Selbstlob keine Karriere

Es ist also nicht nur vollkommen okay, auf etwas Geleistetes stolz zu sein und das auch zu kommunizieren – Selbstlob ist sogar entscheidend für dein berufliches Fortkommen. Oder wie Petra Barsch zusammenfasst: "Mit der Einstellung 'Eigenlob stinkt' kann man keine Karriere machen."