Es gibt nichts zu beschönigen – wir haben ein Problem. Selbstredend hat diese Welt deutlich mehr als nur ein Problem, aber eins sticht derzeit eben besonders hervor: Donald Trump wird im Januar als US-Präsident vereidigt. Damit bekommt er nicht nur Zugriff auf Atomwaffen-Codes, sondern auch auf den gigantischen Überwachungsapparat der NSA und auf alle nationalen und internationalen Geheimnisse. Barack Obama soll damals nach einem der Sicherheits-Briefings gesagt haben: "Gut, dass die Fenster vergittert sind; wenn es nicht so wäre, würde ich vielleicht rausspringen."

Und Trump-Biograf David Cay Johnston meint laut Tagesspiegel: "Trump ist ein Troublemaker, das ist sein Hauptberuf, darin gefällt er sich."

Doch nicht nur global drohen Schwierigkeiten. Schon jetzt fürchten – befeuert durch Trumps populistische, rassistische, hasserfüllte Wahlkampfveranstaltungen – in den USA jeden Tag Minderheiten ganz real um ihre Sicherheit.

Die Lage ist also absolut desaströs, prekär und hoffnungslos, die vier Reiter der Apokalypse hibbeln bereits voller Vorfreude im Sattel. Oder?

Nicht ganz. Es gibt in dem erdballgroßen Knäuel aus Angst und Hass auch kleine Lichtblicke – die positiven Aspekte der Wahl von Donald Trump zum 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika. Nämlich diese hier:

Menschen entwickeln politisches Bewusstsein

Dass jemand wie Trump die US-Wahl tatsächlich gewinnen konnte, ist für viele ein schriller Weckruf. Es wird klar, dass wir mit Hedonismus und Neo-Biedermeier nicht weiterkommen. Inzwischen diskutieren wieder mehr Menschen über Politik, weil sie ernüchtert bis entsetzt feststellen: Demokratie, Freiheit und Frieden sind keine Selbstverständlichkeit, sondern etwas, woran und wofür wir alle kontinuierlich arbeiten müssen.

Menschen engagieren sich wieder

In den Stunden und Tagen nach der US-Wahl Anfang November füllten sich die Straßen vieler amerikanischer Städte mit Protestierenden. Darunter auch viele Studierende und damit Mitglieder einer Generation, der man gemeinhin gern vollumfängliche Politikverdrossenheit bescheinigt. Es besteht Grund zur Hoffnung, dass die Proteste einerseits weitgehend friedlich bleiben und gleichzeitig nicht komplett verebben. "Meine Großeltern sind für die Bürgerrechte marschiert, damit ihre Enkel es hoffentlich nicht müssen (...) Jetzt marschiere ich, in der Hoffnung, dass meine Enkel es nicht müssen", sagt der 16-jährige Matteo Bertoni zur New York Times.

Menschen spenden Millionen

In den Tagen nach der Wahl verzeichnete die Amerikanische Bürgerrechtsorganisation ACLU einen sprunghaften Mitglieder- und Spenden-Anstieg. Mit diesem Geld kämpfen Anwälte vor Gericht für die Grundrechte amerikanischer Bürger.

Über 200.000 Menschen gaben – auch im Namen des Republikaners, baldigen Vize-Präsidenten und Abtreibungsgegners Mike Pence – Geld für Organisationen wie Planned Parenthood, um Frauen und Familien zu unterstützen. Das ist wichtig, da Team Trump schon im Wahlkampf damit drohte, der Organisation den Geldhahn zuzudrehen. Was übrigens nicht zu wesentlich weniger Abtreibungen führen würde, sondern eher zu wesentlich unsichereren.

Menschen helfen und unterstützen einander

In North Carolina, wo der Ku-Klux-Klan im Dezember einen Siegesmarsch abhalten will, kamen Aktivist*innen in dem Versuch zusammen, Differenzen zu überbrücken, sich auszutauschen, gegen Islamophobie, Faschismus und Rassismus anzukämpfen. "Wir alle brauchen Wut, um aktiv zu werden", sagt Kaji Reyes-Gertes.

Menschen überwinden Vorurteile und halten zusammen

Weniger als eine Woche nach der US-Wahl haben sich das "American Jewish Committee" und die "Islamische Gesellschaft Nordamerikas" zusammengetan um eine neue national agierende Einheit zu bilden: den Muslimisch-Jüdischen Beirat. "Unsere Gemeinden haben viele Gemeinsamkeiten und sollten wo immer möglich Wege finden, zum Wohle des gesamten Landes zusammenzuarbeiten", sagt Stanley Bergman. Und sein Kollege Farooq Kathwari meint: "Der Beirat hat das Ziel, ein Modell für ziviles Engagement beider Gemeinden zu bieten."

Menschen machen den Mund auf

Als der baldige Vize-Präsident Mike Pence bei einer Vorführung des Broadway-Hits "Hamilton" im Publikum saß, stellte sich Brandon Victor Dixon, einer der Darsteller, vorne auf die Bühne und hielt eine kurze, sachliche Ansprache. Darin drückte er unter anderem Angst und den Wunsch aus, die neue Regierung möge eine Regierung aller Amerikaner*innen sein.

Und der irische Politiker Aodhán Ó Ríordáin hielt vor seinem Plenum eine flammende, eindrückliche Rede, in der er Trump einen Faschisten nannte und sich ausdrücklich für seine Regierung schämte. Besonders ärgerte er sich über Regierungs-Chef Enda Kenny, der kurz nach dem Wahlsieg Trump am Telefon offenbar fragte, ob man in den USA weiter den St. Patricks Day feiern würde.

All dieses Engagement würde es ohne den Wahlsieg von Donald Trump nicht geben.

Und warum Engagement heute so wichtig ist wie zuletzt vor 70 Jahren, verdeutlicht dieses Video. Es erklärt, wie es Hitler gelang, in einer Demokratie an die Macht zu kommen und sie in eine Diktatur zu verwandeln. Die Parallelen zur heutigen Zeit sind erschreckend.

Wesentliche Punkte:

  • Der Glaube an Verschwörungsideologien und die Sehnsucht nach Sündenböcken
  • Das verführerische und vage Versprechen, ein Land wieder groß zu machen
  • Angst, Wut und wirtschaftliche Unsicherheit
  • Die Unfähigkeit etablierter Parteien, mit einer (Wirtschafts-)Krise umzugehen und eine zerstrittene Linke

Natürlich ist Engagement nicht immer einfach. Man muss Zeit und Energie aufbringen, sich treffen, diskutieren, sich streiten, wird oft angefeindet und muss eine Menge Frust aushalten. Warum man es trotzdem tut, erklärt die Politikerin und Buchautorin Julia Schramm (Die Linke) so: "Mich treibt der Kampf gegen Ungerechtigkeiten an und der Wunsch zu verstehen, woher diese Ungerechtigkeit kommt. Und damit bleibt mir gar nichts anderes übrig, als für eine bessere Welt einzutreten."

Aber wie und womit loslegen?

Hier sind ein paar Tipps von der Politikerin für deinen Einstieg ins Engagement:

  1. Schritt eins: Fragen, ob es ehrenamtlich sein soll oder so richtig Vollzeit.
  2. In welchem Bereich soll es sein?
  3. Wie viele Stunden die Woche habe ich?
  4. Gibt es schon Projekte in dem Bereich? Oder soll es eine Partei sein?
  5. Gibt es Menschen, die ich fragen kann, die mir Orientierung geben können, die Erfahrung haben?
  6. Wie achte ich darauf, nicht auszubrennen an der unendlichen Frustration, die die Welt besser machen wollen mit sich bringt?

Für die USA hat das Magazin Bust schon eine Vorschlagsliste entworfen. Darunter Ideen wie zum Beispiel Zivilcourage zeigen, wenn jemand öffentlich belästigt oder diskriminiert wird, sich in Vereinen, Projekten, Organisationen und Bewegungen engagieren oder auch ehrenamtlich bei Hilfs-Hotlines arbeiten. Such dir beispielsweise ein Thema, das dich bewegt und beschäftigt, und schau dann nach Vereinen oder Projekten auf dem Gebiet in deiner Nähe.

Bringt das was?

Ja. Vielleicht nicht sofort, vielleicht auch nicht die krasse Veränderung. Aber wenn viele Menschen einen kleinen Beitrag leisten, wenn uns die Welt außerhalb unserer vier Wände nicht mehr egal ist, dann bewegt sich etwas. Und hier sei auch kurz die Gegenfrage erlaubt: Was bringt es, nichts zu tun? Antwort: siehe Video oben.

Es gab Momente in der Geschichte, in denen in jedem Menschen ein Feuer entzündet wurde. Das ist einer dieser Momente." – Kaji Reyes-Gertes

Eventuell ist die Wahl Donald Trumps zum mächtigsten Mann der Welt genau der erschütternde Arschtritt, den diese Welt gebraucht hat. Möglicherweise wachen wir jetzt endlich aus unserer egozentrischen kleinen Konsumblase auf, schalten Netflix ab und tun was. Wir alle haben ein Stück Zukunft in den Händen. Es kommt – auch in Hinblick auf die Bundestagswahl im September 2017 – schon jetzt darauf an, was wir damit anfangen.