Es bimmelt, es brummt. Wir sind ständig erreichbar. Wir posten, wir liken, und kommentieren im Netz, rund um die Uhr. Der französische Philosoph Michel Serres bezeichnete uns längst als "Däumlinge" des Internets. Wir sind mittlerweile mehr im Netz als draußen; längst ist unser analoges Leben mit dem Internet verschmolzen.

Deshalb gibt es inzwischen "Digital Detox", eine Methode, bei der wir lernen sollen, digital zu entgiften. Das Ganze ist ein Trend, der in den letzten Jahren aus den USA zu uns herübergeschwappt ist. Bücher wie "Analog ist das neue Bio" und analoge Camps, die uns das digitale Entgiften beibringen wollen, schießen wie Pilze aus dem Boden. Dort, wo es immer lauter und schneller wird, verspüren viele Menschen verstärkt den Wunsch nach gezielten Online-Pausen.

Wir verpassen etwas. Na und?

Ihr solltet eigentlich eine Hausarbeit schreiben oder lernen? Manchmal ist es besser, sich auszutricksen und sich feste Smartphone-Zeiten einzurichten. Sonst guckt ihr alle fünf Minuten auf eure digitalen Begleiter, ob es etwas Neues gibt. Und es wird nie passieren, dass es nichts Neues gibt. Selbst, wenn wir nichts anderes tun würden als den ganzen Tag Facebook und Twitter zu beobachten, würde uns etwas entgehen. Deshalb sollten wir den Mut entwickeln, auch mal Dinge zu verpassen.

Das Smartphone mal zu Hause lassen

Ja, es ist schwer. Ihr müsst jetzt ganz stark sein. Aber manchmal sollten wir unser Smartphone einfach mal zu Hause lassen. Falls ihr verabredet seid, informiert am besten eure Freunde vorab darüber, dass ihr nicht erreichbar seid. Und es bei der ausgemachten Uhrzeit bleibt, ihr das Handy nicht mitnehmen wollt.

Es gibt natürlich Situationen, in denen es von Vorteil ist, ein Smartphone mit dabei zu haben. Gerade wenn ihr bei Verabredungen den Ort nicht kennt, bei einer Wohnungsbesichtigung, oder einer Reise. Ihr solltet immer von Situation zu Situation abwägen, ob ihr euer Smartphone womöglich brauchen könntet.

Ob eine App helfen kann?

Wir können aber auch zu Hause digitale Auszeiten nehmen. Es reicht manchmal schon, einen Tag oder ein Wochenende nicht ins Internet zu gehen. Wenn ihr es nicht schafft, das Handy auszuschalten, könnt ihr euch auch eine App herunterladen, die euch dabei unterstützt. Da gibt es zum Beispiel Offtime, eine App, die von einem Berliner Start-up entwickelt wurde. Wie ähnliche Apps auch soll "Offtime" zu mehr Konzentration verhelfen, indem Funktionen wie zum Beispiel bestimmte Apps auf dem Smartphone gesperrt werden.

Eine App auf das Smartphone zu laden, um von den Möglichkeiten des Digitalen abzuschalten? Das klingt ein wenig absurd, aber keine Panik! Wir bleiben trotzdem "drin" – wir gönnen uns ja nur eine kurze digitale Auszeit.

Nicht immer sofort antworten

Nein, ihr müsst nicht immer sofort antworten, wenn ihr eine WhatsApp-Nachricht bekommt. Oder eine Mail, die auf eurem Smartphone landet. Auch wenn eure Freunde oder die Kollegen gesehen haben, dass ihr die Nachricht bereits gelesen habt. Wie oft setzen wir uns unnötig unter Druck, weil wir die Absender nicht warten lassen möchten. Ihr müsst aber nicht immer höflich sein. Die Information, dass eine Nachricht bereits gelesen wurde, könnt ihr bei WhatsApp übrigens abschalten.

Wir könnten auch aufstehen, duschen, und dann mit dem Bearbeiten der Nachrichten beginnen. In manchen Situationen ist es bestimmt auch nicht schlecht, schon mal senkrecht gewesen zu sein und einen klaren Kopf zu haben. Zum Beispiel bevor man seinem Prof eine Nachricht schreibt.

Nicht alles ist für Instagram

Ihr habt heute Lust, digital zu reduzieren? Dann lasst die Instagram-App doch heute einfach mal zu. Vielleicht ist es ganz angenehm, nicht immer Ausschau halten zu müssen, ob dieser oder jener Hintergrund als Instagram-Motiv taugt. Ab und zu kann man das machen und ohne den Gedanken an Facebook und Co. vor die Türe gehen.

Wo war noch mal der Aus-Knopf?

Jetzt müsst ihr noch einmal ganz stark sein. Manchmal ist es wirklich besser, das Handy einfach auszuschalten. Das sollte man ja sowieso ab und zu machen, um den Akku zu schonen. Wenn ihr das Handy ausschaltet, kann euch die beste Freundin/der beste Freund zwar nicht erreichen, aber ihr kommt damit auch nicht in die Versuchung, zu antworten, wenn ihr eigentlich nicht gestört werden wollt. Wenn es gerade einfach nicht passt.

Das hat nichts damit zu tun, dass wir nicht gerne immer und überall erreichbar wären. Aber wir sollten es noch selbst in der Hand haben, ob und wann wir auf Mails oder andere Nachrichten antworten.

Fazit

So eine digitale Reduktion wird uns bestimmt nicht schaden, denn neue Ideen und Projekte entwickeln wir gerade dann, wenn wir nicht ständig über sie nachdenken. Uns nicht immer ablenken lassen, von unseren Apps, der Geschwindigkeit und der Tonlage im Netz. Wenn wir nicht immer und überall das Gefühl haben, uns mitteilen, unseren Senf dazugeben zu müssen. Für Menschen wie mich ist das bestimmt sinnvoll, allerdings reicht mir erst mal ein halber Tag in der Woche.

Die fortschreitende Vernetzung werden wir trotz aller Camps, Enthaltsamkeits-Apps und Detox-Methoden nicht aufhalten können. Und das wollen wir auch nicht. Wir möchten auch weiterhin wichtige Momente in unserem Leben festhalten, posten, teilen. Aber wir sollten uns ab und zu daran erinnern, mal Luft zu holen. Den Kopf aus dem Fenster zu strecken. Durchzuatmen. Raus zu gehen in die Natur. An den See zu fahren. Und nicht nur eine Beantwortungsmaschine für die anderen zu sein.