Wenn Martina Spröhnle in ihre bunten Leggins schlüpft, ihren mit großen, bunten Blumen gemusterten Rock anzieht und sich ihre rote Nase aufsetzt, weiß sie nicht, was sie in den nächsten drei bis vier Stunden auf Visite erwartet. Als Clownin verkleidet geht sie in Senior*innenheime, Krankenhäuser und auf Hospizstationen – um Lebensfreude zu schenken. "Die Besuche können beflügelnd, aber auch sehr intensiv und körperlich anstrengend sein. In jedem Fall sind sie berührend, positiv wie negativ", sagt die 38-Jährige. Manchmal zeigt Martina Zaubertricks, macht Quatsch oder spielt Ukulele. Andere Male redet sie auch nur mit den Menschen oder hält ihre Hand. "Ich versuche zu merken, was der Person gerade am besten tut."

Bei einem ihrer ersten Termine besuchte sie einen älteren Herrn, der im Rollstuhl saß und an Demenz erkrankt war. "Ich begrüßte ihn herzlich und er sah mich an und war völlig aufgelöst", erinnert sich Martina. Er habe gesagt: "Wo warst du denn, wir haben dich doch gesucht. Weiß Mama schon, dass du wieder da bist?" Die Frau des Mannes war vor fünf Jahren verstorben. In Martina sah er wohl einen Menschen aus früheren Tagen, den er verloren hatte. Sie antwortete ihm, dass es nicht anders gegangen sei, sie nun aber wieder zurück sei und hielt seine Hand.

"Er zeigte so eine riesige Wiedersehensfreude. Das war hoch emotional und sein Schmerz so spürbar." Wenige Wochen später verstarb der Mann. "Die Pflegerin erzählte, dass er nach dem Besuch viel mehr in sich ruhte. Vielleicht konnte er durch mich mit diesem Thema aus seiner Vergangenheit abschließen und friedlich sterben", sagt Martina.

Doch nicht alle Menschen freuen sich über den Besuch der Clownin. "Im Seniorenheim sagen uns die Pflegekräfte vorher, wer nicht besucht werden möchte und diese Zimmer überspringen wir dann", sagt Martina. Auch manche Kinder täten sich mit Clown*innen schwer und reagierten erschrocken. "Da hilft es, dass ich mit meiner Partnerin zu zweit unterwegs bin, dann können schüchterne Kinder erst einmal zusehen, ohne eingebunden zu sein."

Das Kind in uns entdecken

Humor werde oft mit spontanem Lachen verbunden und Clowns als alberne Hampelmänner dargestellt. "Dabei geht es in der Humortherapie vielmehr darum, Freiheit und eine entspannte Haltung zum Leben zu erlangen", sagt Martina. Die Menschen sollen lernen, all ihre Gefühle zuzulassen, auch Trauer, Wut und Verzweiflung, die eigenen Schwächen zu akzeptieren und die Dinge anzunehmen, wie sie sind.

"Wenn ich mit meinem Gegenüber interagiere, lasse ich mich auf den Menschen ein", sagt Martina. Der Umgang sei wertschätzend. "Auf keinen Fall wollen wir jemanden für Lacher bloßstellen." Stattdessen will die 38-Jährige den Menschen auf Augenhöhe begegnen und nahbar sein. Deshalb schminkt sie ihr Gesicht als Clownin auch nicht weiß. "Ich denke, zu viel Bemalung bewirkt eher Distanz." Die Verkleidung selbst sei ein Eisbrecher. Viele sprechen sie direkt darauf an.

Ein Clown repräsentiert unser inneres Kind, mit dem eine große Freiheit verbunden ist.
Martina Spröhnle

Martina ist eigentlich Diplom-Pädagogin. Von einer Freundin, die im Zirkus als Pädagogin arbeitete, erfuhr sie von der Arbeit als Clownin. "Das hat mich fasziniert. Ein Clown repräsentiert unser inneres Kind, mit dem eine große Freiheit verbunden ist", sagt sie. Von 2008 bis 2010 ließ sie sich zur Clownin ausbilden, später folgte die zweijährige Ausbildung zur Humorberaterin. In Heilbronn arbeitet sie als Clownin in Krankenhäusern und Senior*innenheimen, hält Vorträge und bietet Fortbildungen sowie Teambuilding-Maßnahmen an. Zusammen mit ihrer Geschäftspartnerin Tanja Landes hat sie ein Buch über ihre Arbeit geschrieben.

Schluss damit, immer perfekt sein zu wollen

In der Ausbildung zur Clownin gab es für Martina ein Erlebnis, das ihr Interesse für Humortherapie geweckt hat. Bei einer Übung sollten alle Teilnehmer*innen auf der Bühne ein Kunststück vorführen. Der Coach schien nie zufrieden und rief sie nach jedem Mal dazu auf, noch mehr zu zeigen. Martina tanzte, sang, legte Dramatik in ihre Performance. Erst war sie selbstbewusst, doch nach und nach merkte sie, dass es ihr nicht gelang, den Trainer zufrieden zu stellen.

"Und dann war da ein Moment der Stille, ich spürte die Panik in meinem Gesicht und alle, die vor mir saßen, merkten es auch. Ich war gescheitert", sagt Martina. Sie stand einfach da und musste den Moment aushalten. "Ich wäre am liebsten im Erdboden versunken. Nach kurzer Zeit durfte ich mich setzen und dann realisierte ich: mir ist nichts passiert, alles ist gut, warum schämte ich mich so? Warum war ich so perfektionistisch?"

Lachen und Humor sind für Martina ein Weg, die Dinge nicht so verbissen zu sehen. Diese Lebenseinstellung möchte sie den Menschen mit ihrer Arbeit vermitteln. Ihre Devise: Erfolg entsteht durch Misserfolg. "Wenn jeder dieses Scheitern durchlebt, emotional und körperlich, werden Denkmuster aufgebrochen und Blockaden gelöst", sagt sie.

Lachen kann Stress abbauen

In Deutschland ist Humortherapie noch nicht so etabliert wie in anderen Ländern – beispielsweise den USA, woher einige Pionier*innen der modernen Lachforschung kommen und wo es sogenannte Gelächterzimmer in Krankenhäusern gibt. Auch die Bewegung der Klinikclown*innen stamme ursprünglich aus den USA, sagt Martina. Aber in Deutschland ändere sich gerade einiges, zum Beispiel durch den Kabarettisten Eckart von Hirschhausen.

Die Lachforschung beschäftigt sich mit den positiven Auswirkungen von Lachen und Humor. Der US-Neurologe William Fry stellte fest, dass sich beim Lachen die Atemfrequenz erhöht, die Organe besser versorgt werden und wir Stresshormone abbauen. Fry war Gründer des Instituts für Humorforschung in Palo Alto in Kalifornien und Mitbegründer der International Society for Humor Studies. Auch Forscher*innen der kalifornischen Loma Linda University untersuchten die Wirkung des Lachens, indem sie Diabetespatient*innen nach dem Essen eine Comedyshow oder einen lustigen Film ansehen ließen. Danach konnten sie bei den Proband*innen niedrigere Blutzuckerwerte messen.

Humor ist kein Allheilmittel

Martina sagt jedoch: "Jeder muss selbst herausfinden, welcher Humor oder welche humorvolle Aktivität die richtige Medizin ist." Nicht jede Form von Humor hat für sie eine heilende Wirkung. Sarkasmus und Zynismus zum Beispiel hätten etwas Verletzendes an sich und Aggression als Basis.

Auch wenn Lachen kein Allheilmittel ist, hofft Martina, Menschen dabei helfen zu können, ihre Sorgen loszulassen und entspannter durchs Leben zu gehen: "Im Seniorenheim gibt es einige Ältere, die kaum noch nach draußen gehen. Aber wenn wir kommen, sagen manche: 'Ach, da seid ihr ja wieder.' Für die Menschen dort sind wir schon ein fester Teil des Alltags." Und dafür setzt sie gern ihre rote Clownsnase auf und schlüpft in ihren schwarzen Rock mit den großen, bunten Blumen drauf. Den hat ihr eine der Bewohner*innen im Altenheim geschenkt.