Wer denkt, es wäre klug, sich selbst mit Sport zu geißeln, den sie*er nicht gerne macht, liegt falsch. Wenn wir etwas tun, das uns nicht liegt und bei dem wir deshalb nicht gut genug sind, hat das nichts mit Standhaftigkeit zu tun – es ist unklug. Das gilt für alle Lebenslagen, nicht nur für Sport.

Der Psychologe und Wissenschaftler B.J. Fogg, der an der Stanford University seit mehr als 20 Jahren menschliches Verhalten erforscht, sagt sogar, dass es destruktiv sei, Dinge mit Gewalt zur Gewohnheit zu machen. Wenn wir diese nicht genießen, habe das den gleichen Effekt, wie nichts zu tun. Fogg hat da einen Vorschlag: Wir sollten unser Gehirn darauf trainieren, kleine Anpassungen im Alltag vorzunehmen. Daraus gewinnen wir Vertrauen zu uns selbst, was dann in größere Ziele münden kann.

Diese kleinen Anpassungen, oder Verhaltensänderungen, müssen leicht zu bewerkstelligen sein und nahtlos in die bestehende Routine aufgenommen werden. Automatisierung heißt das Zauberwort. Als Beispiel für dieses Konzept führt der Wissenschaftler unsere Nutzung von Google, Facebook und Co. an. Irgendwann ging das in Fleisch und Blut über, es wurde selbstverständlich. Diese Unternehmen haben es hinbekommen, dass Abermillionen Nutzer*innen ihre Produkte aus Gewohnheit und als Automatismus nutzen.

Foggs Spezialgebiet in Stanford ist genau das: Wie schaffen Computer es, uns von Dingen zu so überzeugen, dass wir sie regelmäßig nutzen? Er erstellte eine Methode, mit der Menschen ganz leicht neue Gewohnheiten für sich finden und diese dann auch durchziehen – ganz so, wie sie eben aus Gewohnheit mit Google das Netz durchsuchen. Die sogenannte Fogg-Methode basiert auf verschiedenen psychologischen Ansätzen und besteht aus drei Schritten

1. Das Ziel eindeutig und grundsätzlich definieren

Was will ich erreichen? Möchte ich mein Stresslevel im Job senken? Möchte ich Körperfett reduzieren?

2. Einen leichten (!) Weg zum Ziel überlegen

Kleine Schritte! Mit welchen kleinen, leichten Verhaltensänderungen (sogenannte tiny habits) kann ich das erreichen? Das bringt uns schon mal auf den richtigen Weg. Man sollte sich dabei nicht von Verallgemeinerungen leiten lassen, sagte Fogg in einem Gespräch mit der Webseite NPR: Bei manchen Menschen wirkt ein Spaziergang bei Stress eben beruhigender als Meditation – und umgekehrt. Andere Menschen machen lieber täglich kleine Workouts in ihren eigenen Wohnungen, statt an der frischen Luft zu joggen und so weiter. Es gilt, zu reflektieren und sich stark zu hinterfragen: Was ist der beste Weg für mich ganz persönlich?

3. Den Auslöser finden

Der letzte Schritt: die wohlüberlegte neue Sache, die zur Gewohnheit werden soll, an alte Gewohnheiten anknüpfen. Wer sich etwa vornimmt, mehr Vitamine zu sich zu nehmen, könnte damit beginnen, sich jedesmal, wenn er sich einen Kaffee macht, einen Apfel sichtbar auf die Arbeitsplatte in der Küche zu legen. Das bedeutet allerdings nicht, dass man ihn dann gleich essen muss. Das passiert irgendwann von ganz allein: mal isst man ihn, mal vergisst man es, mal isst man ihn erst am Abend. Dabei sollte man sich nicht selbst unnötigen Stress machen. Wenn der Apfel immer präsenter wird, dann wird er irgendwann auch zur Gewohnheit werden.

In einem Programm, das Fogg online anbietet, gibt er weitere Beispiele (es ist kostenlos, hier kann man sich anmelden): "Nachdem ich meine Zähne geputzt habe, werde ich einen Zahn mit Zahnseide reinigen." Das folgt einem klaren Schema und durchbricht Motivationsschwierigkeiten. Motivation sei etwas, das komme und gehe, ebenso wie emotionale Stabilität, sagt er. Aber für einen Zahn hat man immer Zeit und Nerven, egal, wie motiviert oder unmotiviert man ist. Und irgendwann wird man ganz beiläufig noch einen oder zwei weitere Zähne mit Zahnseide reinigen, weil: Man ist ja gerade schon dabei. So erreicht man mit kleinen Zielen irgendwann das Große: alle Zähne mit Zahnseide zu reinigen.

Man könnte auch die Sportschuhe sichtbar rausstellen, immer dann, wenn man die Spülmaschine laufen lässt. Irgendwann wird man sie anziehen – und Sport machen. Das führt zu Routine, und diese wiederum zu anderen Routinen. Also: Vom Kleinen zum Großen.

Der womöglich positivste Nebeneffekt dieser Taktik: Wann immer wir ein Ziel erreichen, und sei es noch so klein, fühlen wir uns gut. So setzt sich ein positiver Kreislauf in Gang. Dank kleiner Erfolge könnten wir dazu ermutigt werden, auch größere Baustellen in unserem Leben anzugehen – ohne Sorgen und Zwang.