Es geht um Gewalt gegen Schwarze – und eingeladen sind zunächst nur Weiße. Erst später präsentiert die Redaktion des ARD-Talks maischberger. die woche eine Schwarze als Expertin.

Wenn Sandra Maischberger am Mittwochabend zu ihrer ARD-Talkrunde lädt, wird es auch um den gewaltsamen Tod des Afroamerikaners George Floyd und die heftigen Protesten und Auseinandersetzungen in den USA gehen. Die Vorfälle zeigen das Problem der Gewalt weißer Polizist*innen gegen Schwarze Bürger*innen in den USA auf. Beurteilen werden es sechs weiße Deutsche.

Denn auf den ARD-Stühlen sollte am Abend zunächst niemand mit Migrationshintergrund oder Schwarzer Hautfarbe sitzen. Neben Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) waren vorerst die Virologin Helga Rübsamen-Schaeff, der Wissenschaftsmoderator Dirk Steffens, die Börsenexpertin Anja Kohl und der Focus-Kolumnist Jan Fleischhauer als Gäste geladen.

Kritik an Gästeauswahl

"Finden Sie es denn gar nicht komisch, wenn ausgerechnet sechs weiße Menschen vor einem Millionenpublik über Rassismus und Polizeigewalt gegen Schwarze diskutieren? Exakt das ist nämlich Teil des gesamten Problems", kommentiert Journalist Stephan Anpalagan die Auswahl der Gäste auf Twitter. Der ehemalige YouTuber Oğuz Yılmaz schrieb: "Hey Dirk, Heiko, Anja, Helga und Jan, wie findet ihr eigentlich Rassismus? Ist schon doof, oder?"

"Nein, das machen wir nicht so!"

In einer ersten Stellungnahme auf Twitter versuchte Sandra Maischberger noch zu retten, was nicht mehr zu retten war. Sie bezeichnete die Kritik als ein "bisschen Verwirrung" und plädierte mit einem Zwinkersmiley dafür, erst einmal die Sendung abzuwarten: "Lasst uns doch alle erst mal die Sendung anschauen und anschließend gerne weiterdiskutieren. Machen wir das so? ;)". "Nein, machen wir nicht so!", antwortete daraufhin der ehemalige Grünen-Bundestagsabgeordnete Özcan Mutlu.

"Wenn über

#Rassismus

diskutiert wird, dann gehören von Rassismen betroffene Menschen ins Studio. Lernt endlich mit Betroffenen zu reden, statt über sie!", fordert er. Auch die

Tagesspiegel-Journalistin Hatice Akyün kritisierte die Reaktion Maischbergers: "Wieso reden Sie mit uns so, als seien wir unerzogene Kinder, die man mit billigsten pädagogischen Mitteln beruhigen will? Nein, das machen wir jetzt nicht so. Kommen Sie mal auf Augenhöhe, dann diskutieren wir."

Die Kritik Mutlus war der maischberger-Redaktion offenbar zu viel. Zwischenzeitlich blockierten sie den Twitter-Account des Politikers, wie Screenshots auf Twitter belegen. Mutlu reagierte daraufhin mit Empörung: "Da muss man mit vielen weiteren Menschen seit Jahren Hass und Hetze im Netz ertragen und erdulden, und dann wird man blockiert". Nach zwei Stunden wurde er wieder entsperrt.

Redaktion präsentiert Schwarze US-Wissenschaftlerin

Am Mittwoch präsentierte die Redaktion dann die Wissenschaftlerin Priscilla Layne als weitere Gesprächspartnerin. Sie ist Germanistikprofessorin an der University of North Carolina und befasst sich unter anderem mit dem Leben Schwarzer in Deutschland. Warum wurde sie erst so spät präsentiert? Der Sender teilt dazu Folgendes mit: "Die Redaktion war seit Sonntag im Kontakt mit mehreren möglichen, auch schwarzen, Gesprächspartner*innen zum Thema Rassismus in den USA. Zugesagt hat jetzt eine afro-amerikanische Germanistikprofessorin aus North Carolina."

680 weiß, 48 nicht-weiß

Die Auswahl der Gäste in deutschen Talkshows steht schon länger in der Kritik. So analysierte das Branchenmagazin Bliq, dass von den 728 Gästen, die in den Talkshows der Öffentlich-Rechtlichen im Jahr 2019 zu Gast waren, 680 weiß und 48 nicht-weiß waren. Das macht einen Anteil nicht-weißer Gäste von 6,6 Prozent gegenüber 93,4 Prozent weißer Gäste. Die Talkshow von Sandra Maischberger schnitt mit am schlechtesten ab. Lediglich 4,5 bis 6 Prozent nicht-weiße Gäste wurden der Analyse nach im Jahr 2019 in die ARD-Show geladen. Hinzu kommt: Fast je­der zwei­te nicht-wei­ße Gast besetzte dabei eine ste­reo­ty­pe Rol­le. mm

Transparenzhinweis: In einer früheren Fassung dieses Artikels hieß es, der Sender hätte Priscilla Layne nachnominiert. Wir haben dazu eine Stellungnahme des WDR eingefügt. 

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