Nach Monaten habe ich mich neulich mal wieder mit meinem lustigen Lieblingskommilitonen auf einen Drink verabredet. "Aber ich bringe Elsa mit", schrieb er, und ich dachte: Wer um Himmels Willen ist Elsa? Seine neue Freundin, wie sich herausstellte.

Als wir uns vor der Bar begrüßten, hatte er – der Sportmuffel – zwei Badmintonschläger im Rucksack. Und während ich Minuten später das übliche Bierchen bestellte, orderte sie, ohne ihn zu fragen, zwei Wasser mit Zitronenscheibe. Ich muss milde verstört geguckt haben, denn er erklärte plötzlich: "Wir haben neulich eine Dokumentation gesehen und beschlossen, dass wir ab jetzt auf Zucker verzichten."

Wir. Wir!? Ich hätte am liebsten einen Exorzisten gerufen, der inbrünstig "Verlasse diesen Körper!" brüllt und ihn mit Weihwasser abkärchert. Was war mit meinem Kommilitonen passiert? Bisher war er immer außerordentlich feierfreudig, ein Lebe- und Genussmensch mit leichtem Hang zu Süßkram, eher verkopft, bisschen schluffig. Und da saß er nun mit Badmintonschlägern und nippte an seinem Wasser, während sein Blick an Elsa festhing. Liebe Güte.

Nun ist es beileibe nicht so, dass ich ihm sein Glück nicht gönne, im Gegenteil. Er hat wahrhaftig lange und gründlich genug gesucht. Was ich deshalb weiß, weil er mir bei Bier und anderen Kaltgetränken oft und ausführlich davon erzählt hat. Ich freue mich von Herzen für ihn. Und Elsa ist selbstverständlich ganz und gar entzückend.

Doch es ist nicht das erste Mal, dass ich erlebe, wie jemand eine Beziehung eingeht und plötzlich ein anderer Mensch zu sein scheint. Woher kommt das, dass sich frisch Liierte plötzlich so sehr verändern und an den*die neue*n Partner*in anpassen? Gleich mal zwei Expertinnen fragen.

Anpassung als Zeichen der Zuneigung

Wenn wir jemand Neues kennenlernen und umwerfend finden, wollen wir uns nicht nur ausschließlich von unserer besten Seite zeigen, sondern auch Vertrauen, Verbindung und Nähe herstellen. "Am Anfang ist es in jeder Beziehung so, dass wir noch nicht wissen, wie der oder die andere zu uns steht, und wir uns bemühen, zu beeindrucken und zu gefallen", erklärt die Beziehungsexpertin Andrea Bräu.

Aus der Leseratte wird dann plötzlich eine Sportskanone und aus dem*der Blümchensexliebhaber*in ein*e SM-Interessent*in, weil man den*die anderen so gern behalten will und Gemeinsamkeiten verbinden, während Unterschiede trennen – zumindest gefühlt. Bräu: "Deshalb sind wir bereit, wenn wir eine Beziehung mit einem anderen Menschen beginnen, eine entsprechend hohe Anpassungsleistung einzugehen." Das gelte übrigens für sehr viele Menschen.

So sieht es auch Paarberaterin Birgit Natale-Weber: "Wenn die Liebe frisch ist und die Schmetterlinge im Bauch tanzen, will man gefallen und Vertrauen aufbauen." Anpassung sei ein erster Ausdruck von Liebe und Zuneigung. "Wir zeigen uns von unserer besten Seite und das bedeutet, so viele Gemeinsamkeiten wie möglich zu haben." Also weg mit Büchern und Bier, her mit Badminton und Zitronenwasser!

Runter mit der Maske!

Doch wie das nun mal so ist mit dem Verliebtsein, es dauert eben nicht ewig. "Sobald der oder die andere erobert ist und der Alltag einzieht, legt sich dieses Verhalten. Das Gefühl der Sicherheit tritt ein; später kommt Bequemlichkeit hinzu", sagt Birgit Natale-Weber. Die berauschende Hormonflut ebbt ab, das zarte Pflänzchen des Vertrauens wächst – und parallel dazu sinkt das Bedürfnis, unbedingt der*die einzig wahre Traumpartner*in für den*die anderen sein zu wollen.

"Nachdem die Verliebtheitsphase – man sagt immer zwischen drei Monaten und drei Jahren, je nach Beziehungsstruktur – zu Ende ist, lerne ich den oder die anderen richtig kennen und erlebe, wie er oder sie mit Situationen und Menschen und auch mit mir umgeht", sagt Andrea Bräu. "Meistens gehen die Menschen, wenn sie sich in einer Beziehung sicher fühlen, wieder dazu zurück, wie sie eigentlich sind und zeigen ihr wahres Gesicht." Und dann wird es erst so richtig spannend. Kommen der Sportfreak und die Leseratte wirklich dauerhaft miteinander aus?

Das hängt unter anderem davon ab, ob genug grundsätzliche Gemeinsamkeiten vorhanden sind. Gegensätze mögen sich in vielerlei Hinsicht durchaus anziehen und gut ergänzen, aber es braucht eben auch ausreichend Stabilität, Vertrauen, Nähe und Verständnis. Vor allem, wenn die Veränderung zu Beginn der Beziehung eher umfassender Natur war.

"Da wir uns bei der Eroberung anders darstellen, als wir sind, zeigen wir unser wahres Gesicht im Alltag. Und dann fängt eine Beziehung erst richtig an", sagt auch Birgit Natale-Weber.

Zu viel ist in Beziehungen nie gut

Ein gewisses Maß an Anpassung und Veränderung zu Anfang einer neuen Liebe ist also ziemlich normal und natürlich, aber in manchen Fällen kann es tatsächlich problematisch werden. "Zu viel wird die Anpassung dann, wenn sie zur Maskerade wird und nicht mehr mir und dem relativ menschlichen Verhalten, zu Beginn gefallen zu wollen, entspricht", sagt Andrea Bräu. "Dann kann man davon ausgehen, dass einer irgendwann im Laufe der Beziehung aufwacht oder das Theater nicht dauerhaft aufrecht erhalten kann."

Vor allem einseitige Anpassung ist ein vielschichtiges Problem. "Dann fühlt sich der zu viel Gebende erstens irgendwann ausgenutzt und bemerkt, dass eigene Bedürfnisse zu kurz kommen; zweitens kann sich der Nehmende langweilen oder das Gefühl haben, mit einem Elternteil zusammen zu sein", sagt Birgit Natale-Weber.

Und auch, wenn sich Letzteres in manchen Beziehungen nach Geborgenheit anfühlen kann, ist diese Dynamik gar nicht gut – denn damit gehen andere, entscheidende Aspekte in der Partnerschaft verloren, bis hin zum kompletten Einschlafen des Sexlebens. Logisch, oder?

Star Wars oder Star Trek? Hauptsache, echt

Grundsätzlich ist es also ratsam, sich auch in neuen Beziehungen so weit wie möglich selbst treu zu bleiben. Neue Interessen mit dem*der Partner*in erkunden und entdecken ist super und kann bereichernd sein – aber lediglich so zu tun, als würde man Star Wars lieben, sich aber eigentlich einen feuchten Kehricht um den Unterschied zwischen Jean-Luc Picard und Luke Skywalker zu scheren, das endet garantiert in Enttäuschung. Letztlich gilt eh: Wenn dich jemand wirklich gern hat, dann genau so, wie du bist. Mit oder ohne Star Wars, Zitronenwasser oder Badminton.