Die Sankt-Petri-Kirche in Hamburg, das Holstentor in Lübeck, der Funkturm in Berlin oder das Karlstor in München: Sie alle erstrahlen heute in pinkem Licht. Was auf den ersten Blick wie die Kampagne einer Bindenmarke aussieht, soll eine wichtige Nachricht transportieren. Damit möchte das internationale Kinderhilfswerk Plan International am Weltmädchentag auf all die fehlende Gleichberechtigung weltweit aufmerksam zu machen.

Doch welche Nachricht sendet ein rosa angestrahltes Gebäude wirklich?

Dass sich in unserer Welt noch viel in Sachen Gleichberechtigung ändern muss, steht außer Frage. Weltweit gehen 130 Millionen Mädchen nicht zur Schule, jedes dritte Mädchen in Entwicklungsländern wird vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet. Im Dezember 2011 haben die Vereinten Nation den 11. Oktober offiziell zum Internationalen Weltmädchentag erklärt, den International Day of the Girl Child. Ein Tag, der einmal mehr darauf hinweisen soll, in welchen Bereichen Jungen und Mädchen noch immer nicht die gleichen Chancen haben und Mädchen benachteiligt, diskriminiert und missbraucht werden.

Doch was genau haben nun die pinken Hauswände damit zu tun? Laut Plan International steckt dahinter eine klare Aussage: Das kräftige Pink hätte eine starke Signalkraft und vermittle Lebensfreude und Zuversicht. Davon dürften die meisten Betrachter*innen aber nichts spüren. Lebensfreude und Zuversicht wofür? Dass den Leuten, die daran vorbeilaufen vielleicht ein Licht aufgeht?

Pink ist was für Jungs

Die Farbwahl an sich ist eher fraglich. Ist Pink hier nicht genau das Gegenteil von progressiv? Warum muss ein Tag, der für die Mädchen steht, in eine gesellschaftlich auferlegte Farbe getunkt werden? Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass nicht nur soziale Attribute durch die Gesellschaft geprägt worden sind, sondern sich auch die Farbzuweisungen historisch stets gewandelt haben. So trugen sowohl kleine Mädchen als auch Jungen Jahrhunderte lang vor allem weiße Baumwollkleidung, da sich diese gut bleichen ließ.

Mit der Industrialisierung und der Möglichkeit, Stoffe leichter zu färben, bekamen die Mädchen hellblau und die Jungs rosa angezogen. Das "kleine Rot" der Jungen sollte Kampf, Blut und Männlichkeit widerspiegeln, das "kleine Blau" der Mädchen orientierte sich am Gewand der Jungfrau Maria. Erst als im 20. Jahrhundert mehr und mehr Männer blaue Matrosen- und Arbeiteruniformen trugen, wendete sich das Blatt. So wurde es populär, kleine Jungen in Matrosenanzüge zu kleiden, die Mädchen zwangsläufig in Rosa. Die Kaufhäuser passten sich den Vorlieben an. Die Industrie erkannte, dass Eltern gerne Merchandise für das zu erwartende Kind kaufen – in rosa oder in blau.

Warum soll dieses pinke Licht die Weiblichkeit repräsentieren?

Die Farbaufteilung prägt Kinder vor — und sorgt von Anfang an für eine klare Trennung der Geschlechterverhältnisse. Was nicht heißen soll, dass Frauen Pink nicht auch feiern dürfen. Aber eben auch mit demselben Selbstverständnis wie jede andere Farbe auch.

Wenn jetzt also Gebäude in Pink angeleuchtet werden, untergräbt es doch wieder den Gedanken von Gleichberechtigung. Keine Frage, die Aktion bekommt jedes Jahr aufs Neue ein bisschen Medienaufmerksamkeit. Aber warum sollte sich davon jede Frau angesprochen fühlen? Warum soll dieses pinke Licht die Weiblichkeit repräsentieren? Über den Weltmädchentag zu sprechen, ist besser, als nicht über das Thema sprechen. Trotzdem fühlen sich pinke Hauswände gleichzeitig auch nutzlos an.

Es muss sich etwas im Inneren tun

Statt ein Gebäude für einen Tag von außen anzuleuchten, müsste sich etwas im Inneren ändern: im Gebäude und in der Gesellschaft. Wie viel tun diese Städte, die ihre Wahrzeichen anleuchten, wirklich aktiv für die Gleichberechtigung?

Frauen in Deutschland verdienen im Schnitt immer noch 21 Prozent weniger als Männer. Zum einen, weil sie häufiger in schlecht bezahlten Berufen wie dem sozialen Sektor oder in Teilzeit arbeiten. Zum anderen aber auch, weil sie für die gleichen Positionen schlechter vergütet werden. Vergleicht man Gehälter von Frauen und Männern in gleichen Positionen direkt miteinander, bleibt immer noch eine Lohnlücke von sieben Prozent.

Statt pinken Beleuchtungsaktionen braucht es langfristige Förderprogramme für Mädchen, bessere Bedingungen für Frauen, Job und Familie zu vereinen und gleiche Bezahlung bei gleicher Arbeit."

Immerhin: Parallel zu der Beleuchtungsaktion hat Plan International zum Weltmädchentag auch sogenannte Takeover-Aktionen organisiert, bei denen Mädchen für einen Tag in Führungspositionen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft übernehmen und das Thema Gleichberechtigung dorthin. So teilte etwa Kanadas Ministerpräsident Justin Trudeau sein Büro für einen Tag mit einer jungen Kanadierin. Bestenfalls halten solche Aktionen aber nicht nur einen Tag an, sondern ändern etwas für immer. Denn Weltmädchentag sollte jeden Tag sein.