Hillary Rodham Clinton hat es geschafft: Als erste Frau wurde sie von einer der zwei großen Parteien in den USA, den Demokraten, als Präsidentschaftskandidatin nominiert. Aber kann sie sich auch der Unterstützung einer Generation junger Aktivistinnen sicher sein, die sich an Ost- und Westküste intensiv für Gerechtigkeit und Frauenrechte einsetzen? Ich habe mich bei ihnen umgehört. Die Antworten sind kritisch, aber nicht hoffnungslos.

Heather McKee Hurwitz, 37

Heather unterrichtet am Frauencollege Barnard. Als Aktivistin und Forscherin begleitet sie banken- und globalisierungskritische Gruppen, die aus der Occupy-Bewegung entstanden sind. Heather sagt:

"Ich sehe den Wahlen im November zwiegespalten entgegen. Ich war unglaublich gerührt, als Hillary nominiert wurde und die gläserne Decke endlich durchbrochen hat. In Deutschland habt ihr Angie, aber in unserem Land ist das zum ersten Mal passiert. Mit meinen Studentinnen werden wir über diesen historischen Moment reflektieren und gemeinsam die politischen Debatten anschauen. Andererseits bin ich kritisch gegenüber Hillarys Banken-Politik und wie diese die Mächtigen und Reichen schützt. Wir als Aktivist*innen müssen sie weiterhin unter Druck setzen, wie es auch Bernie Sanders’ Kampagne getan hat."

Kayla Santosuosso, 26

Kayla arbeitet tagsüber im Verein arabischer Amerikaner der Stadt New York, abends und am Wochenende ist sie in der Gruppe "Showing Up for Racial Justice" aktiv, die sich gegen Fremdenfeindlichkeit und für Gerechtigkeit einsetzt. Mit ihrer Gruppe geht sie in ihrem Viertel von Tür zu Tür, um mit der weißen Bevölkerung über die Spannungen im Viertel zu reden. Kayla sieht den Wahlen im November vorsichtig entgegen:

"Hillary Clinton ist nicht die perfekte Kandidatin, aber sicherer als Trump. Die Trump-Unterstützer werden auch nach der Wahl bleiben und die Minderheiten in unseren Gemeinschaften in Gefahr bringen. Erst im Dezember wurde eine junge Frau mit Hijab hier in Bay Ridge gestoßen und bedroht. Ein Mann rief ihr zu: "Ich kann nicht erwarten, dass unser Präsident euch Miststücke endlich los wird!" Wir müssen noch mehr als bisher kämpfen, damit sich arabisch-amerikanische Mitbürger in unserer Gemeinschaft sicherer fühlen können. Hillarys Erfahrung und Geschichte ist wichtig, aber sie repräsentiert nicht zwingend meine Meinung. Ich wünsche mir einen Feminismus als gesamtgesellschaftlichen Wandel, der auch Transmenschen und Women of Color mit einbezieht."

Shani Chabanski, 26

Shani studiert am Mills College in Oakland, einer Uni, an der Feminismus und soziale Gerechtigkeit eine lange Tradition haben. Als Englischlehrerin möchte sie jungen Geflüchteten helfen, in der US-amerikanischen Gesellschaft anzukommen. Von der amerikanischen Politik und den kommenden Präsidentschaftswahlen ist sie enttäuscht:

"Einer meiner Lehrer am College meinte zu mir: 'Wenn Hillary Präsidentin wird, wird alles besser!' Ich war geschockt! Kann er denn nicht sehen, dass ich ganz sicher nicht mit Hillarys Position einverstanden bin? Ich kenne niemanden in meinem Alter, der ihre Politik gut findet – und selbst meine Großmutter unterstützt sie nicht! Hillary erinnert mich an meine Mutter: Die Generation der Babyboomer und Hippies, die jetzt zufrieden ist. Da ist ein tiefer Generationsriss zwischen jüngeren und älteren Frauen. Hillarys Kampagne hätte auf Obamas "Hope"-Kampagne folgen sollen. Aber keiner von uns jungen Leuten ist von ihr berührt. Wir sehen in Hillarys Kampagne keine Geschichte. Ich weiß einfach nicht, wer sie ist, ich vertraue ihr nicht. Die enthusiastische Diskussion, die bei Obamas erstem Wahlkampf stattfand, findet 2016 nicht statt."

Cynthia Friedman, 25

Cynthia begleitet als freiwillige Helferin bei Planned Parenthood Frauen bei ihrer Abtreibung und unterstützt sie vor, während und nach der Behandlung. Außerdem ist sie als junge Jüdin in der neuen, progressiven Organisation IfNotNow aktiv. Cynthia setzt sich folglich oft kritisch mit der amerikanischen Politik auseinander. Den Wahlen sieht sie dennoch nicht hoffnungslos entgegen:

"Hillary ist die qualifizierteste Kandidatin im gesamten Wahlkampf, aber sie muss viel mehr geben, um mit den Männern mithalten zu können. "Man kann ihr nicht trauen", sagen viele und meinen damit, dass eine Frau einfach nicht in diese Position kommen soll. Jetzt ist sie einmal krank geworden [zu den Feierlichkeiten des 11. September] und die Presse nimmt sie komplett auseinander. Wirkliche Gleichberechtigung ist noch in weiter Ferne. Ich sorge mich um Hillarys Außenpolitik, denn sie ist im Israel-Palästina Konflikt längst nicht so liberal, wie ich es möchte. Auch wenn ich nicht mit allen Positionen Hillarys übereinstimme, ist sie eine intelligente und verantwortungsbewusste Kandidatin, die sehr viel politische Erfahrung mitbringt. Deshalb vertraue ich darauf, dass sie sich weiter für die reproduktiven Rechte von Frauen einsetzen wird und Planned Parenthood unterstützt."

Celina Alveraz, 32

Als stellvertretende Direktorin des Zentrums Empower Yolo, einem Frauenhaus in Woodland, Kalifornien, arbeitet Celina täglich mit Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind. Alle Angebote des Frauenhauses im Kreis Yolo County sind kostenlos und werden aus staatlichen Mitteln finanziert. Wer also ab November das Sagen im Weißen Haus hat, betrifft auch die Arbeit von Celina und ihrer Mitarbeiter*innen:

"Am Anfang war ich von Hillary Clintons Position überzeugter als jetzt. Wir wollen natürlich eine Frau als Präsidentin, aber wollen wir sie? Unsere Organisation ist von den Geschehnissen im Kongress abhängig. Als im Oktober 2013 das Budget nicht rechtzeitig beschlossen und die Regierung im Haushaltsnotstand war wurde, mussten wir lange auf unsere Mittel warten. Die Angebote, die wir Frauen in Yolo County bieten können, sind abhängig von der Gesetzeslage. Was ich von Hillary erwarte? Sie hat bisher viel Gutes erreicht und wird auch weiterhin ihr Bestes geben. Aber der Präsident oder die Präsidentin ist eben nur eine Person. Sie muss mit dem Kongress zusammenarbeiten. Obama wollte auch viel verändern und stieß dabei oft an Grenzen. Der Kongress ist zwischen Republikanern und Demokraten so sehr gespalten, dass ich nicht erwarte, dass Hillary viel verändern kann. Dennoch bin ich hoffnungsvoll, dass sie gewinnt."