Nachdem am vergangenen Wochenende ein 35-jähriger Mann getötet wurde, instrumentalisierten Rechte und Neonazis seinen Tod, um, als Trauermarsch getarnt, rechte Parolen, Hitlergrüße und fremdenfeindliche Statements auf die Straße zu bringen. Etliche Gegendemonstrant*innen hielten mit einer Kundgebung dagegen. Auf Initiative der Band Kraftklub, die selbst aus Chemnitz kommt, schlossen sich mehrere Bands und Künstler*innen zusammen, um mit einem Soli-Konzert ein starkes Zeichen gegen Rechts zu setzen.

65.000 Menschen feiern gegen Rechts

Nach der Begrüßung der Veranstalter*innen, gedachten die mehr als 65.000 Besucher*innen in einer Schweigeminute dem Opfer Daniel H., der am Wochenende zuvor verstorben ist. Es folgten Auftritte verschiedener Künstler*innen, die womöglich hauptverantwortlich dafür waren, dass so viele Menschen nach Chemnitz angereist waren.

Im Netz, insbesondere auf Facebook und Twitter, wurde dieser Umstand zuvor viel diskutiert. Immer wieder kam die Frage auf, ob ein solches Event überhaupt Sinn ergeben würde oder am Ende doch nur Feierwütige in die Stadt kämen. Auch der Auftritt diverser Bands, unter anderem von Kraftklub und Feine Sahne Fischfilet, wurde argwöhnisch betrachtet.

Vor Ort war von dieser Kritik jedoch nichts zu spüren. Nachdem Trettmann und Feine Sahne Fischfilet das Event eröffneten, folgten Sets von K.I.Z., Kraftklub, Marteria, Casper, Nura von SXTN und den Toten Hosen. Immer mehr Menschen, darunter viele, die zum ersten Mal in Chemnitz oder Sachsen waren, strömten für das Konzert in die Innenstadt.

Die Bands und Künstler*innen wollten die Menschen nicht nur zum Tanzen bewegen, sondern ein politisches Statement setzen. Der Sänger Campino von den Toten Hosen sagte, es gehe bei dem Konzert nicht nur darum, Musik zu hören, sondern sich "solidarisch zu erklären mit denen, die hier bleiben, die den Kampf jeden Tag durchziehen". "Alles, was Anstand hat", müsse sich gegen den rechten Mob stellen.

Auch die vielen Transparente und Protestschilder kennzeichneten die Veranstaltung eindeutig als Demo. Zwischen den Auftritten skandierten die Zuschauer*innen immer wieder Parolen wie "Nazis raus" oder "Refugees Welcome". Trotz der klaren, politischen Ausrichtung herrschte doch eine sehr friedliche und ruhige Stimmung, was Anwesende vor Ort wiederholt bestätigten. Auch die Polizei, die die Innenstadt großflächig abgeriegelt hatte, zeigte sich mit dem Verlauf der Veranstaltung zufrieden. Laut Aussage der Polizeisprecherin gab es keine nennenswerten Vorkommnisse.

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Felix Brummer, Sänger der Band Kraftklub, der selbst in Chemnitz aufgewachsen ist, richtete einige Worte an die Chemnitzer*innen: "Wir haben hier schon vor zwei Wochen gewohnt und werden hier auch noch in zwei Wochen wohnen. Nur weil jetzt Kameras da sind, werden wir morgen nicht weniger laut sein." Der Rapper Marteria war sich sicher: "Wir schreiben heute hier Geschichte."

Den Abschluss bildeten Die Toten Hosen, die Fans aus der ganzen Republik angelockt hatten. Überall sah man Tote-Hosen-Beutel und -Shirts. Campino betonte die Zugehörigkeit Düsseldorfs, die Heimatstadt der Band, zur Partnerstadt Chemnitz und die diversen Unterschiedlichkeiten und Gemeinsamkeiten, die alle Anwesenden an dem Abend verbindet. Ihm war es ein Anliegen, die Leute darauf einzuschwören, dass sie gemeinsam stärker sind. Die positive Resonanz aus dem Publikum unterstrich seine Worte und die entzündeten Bengalischen Feuer ließen keinen Zweifel mehr daran auf einem waschechten Toten-Hosen-Konzert zu sein.

Ganz am Ende kündigte Campino unter Gelächter die einzig wahren Musiker an und Rod Gonzalez, Bassist der Ärzte, sowie Arnim Teutoburg-Weiß, Frontmann der Beatsteaks betraten zum letzten Song die Bühne. Gemeinsam brüllten die Zuschauer*innen und drei vereinte Bands den Ärzte-Song Schrei nach Liebe.

Was bleibt?

Die Unterschiedlichkeiten von denen Campino sprach, waren auch auf den Straßen sichtbar. Junge und alte, weit Hergereiste und Chemnitzer*innen, Familien, Rentner*innen, Studierende und Schüler*innen, Grüne, Linke, Bürgerliche. Eine bunte Mischung, die sicherlich alle aus den unterschiedlichsten Beweggründen in die Stadt kamen. Doch eins war unverkennbar klar: Solidarität kennt keine Grenzen und keine Herkunft.

Ob ein Soli-Konzert gegen Rechts am Ende reicht, um die Menschen nachhaltig abzuholen und die #wirsindmehr-Rufe in den nächsten Wochen nicht verstummen zu lassen, bleibt abzuwarten. Doch schaffte es jeder Act an diesem Abend die Botschaft unmissverständlich zu transportieren: Wir sind gegen rechte Gewalt auf den Straßen unseres Landes und #wirsindmehr.

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