Wenn einige Unternehmen mit Geld so nachlässig umgehen würden wie oft mit dem so genannten Human Capital – sie wären in kürzester Zeit bankrott. Immer weniger Leute, immer mehr Arbeit, höherer Profit… Was das mit den Menschen macht? Eher zweitrangig. Hauptsache, die Zahlen stimmen.

In so einem Umfeld arbeiten zu müssen, das kann unter Umständen regelrecht zermürbend sein. Und ein Job, der dauerhaft schlecht für die Psyche ist, kann sogar die Sterblichkeit erhöhen. Das jedenfalls ist das Ergebnis einer aktuellen Studie. Dabei spielen drei Faktoren eine besonders wichtige Rolle.

Die Folgen: Depression und Tod

Wissenschaftler*innen der Indiana University Kelley School of Business und der Northern Illinois University haben den Zusammenhang zwischen Jobbelastung und Problemlösungsfähigkeit einerseits sowie psychischer Gesundheit und Sterblichkeit andererseits untersucht.

Dafür haben sie auf Daten einer 20 Jahre laufenden Studie von 3.148 Einwohner*innen des US-Bundesstaates Wisconsin zurückgegriffen. Ergebnis: Wer hauptsächlich fremdbestimmt arbeitet, eine hohe Arbeitsbelastung erlebt oder nicht so gut in Problemlösung ist, stirbt tendenziell früher.

"Wir haben festgestellt, dass Stressfaktoren im Job mit höherer Wahrscheinlichkeit zu Depressionen und zum Tod führen, wenn Angestellte wenig Kontrolle über ihre Arbeit ausüben oder über geringer ausgeprägte kognitive Fähigkeiten verfügen", erklärt Studienautor Erik Gonzalez-Mulé in einer Mitteilung auf der Uni-Website.

Viele Menschen können sich das leider nur sehr begrenzt aussuchen. Und zudem: Wer schon ewig im selben Hamsterrad herumwetzt, merkt vielleicht gar nicht mehr, dass der Job schlecht für die Psyche ist und wie sehr er oder sie sich damit eigentlich schadet.

Das macht einen Job schlecht für die Psyche

Werfen wir mal einen genaueren Blick auf die drei Faktoren, die erheblich dazu beitragen, dass ein Job schlecht für die Psyche ist.

Erstens: wenig Kontrolle über die Arbeit. Das betrifft Menschen, die in ihrem täglichen Arbeitsleben kaum Gestaltungsraum und Mitspracherecht haben, die nicht gehört und oft übergangen werden, die bloß Aufgaben wegarbeiten und keine Nachfragen stellen sollen. Der damit einhergehende Eindruck von Austauschbarkeit und die mangelnde Selbstwirksamkeit erzeugen ein Ohnmachtsgefühl, das langfristig zu Depressionen führen kann.

Zweitens: eine hohe Arbeitsbelastung. Dazu gehören unter anderem Dinge wie permanente Überstunden, zunehmende Arbeitsverdichtung – also, immer mehr in weniger Zeit oder mit weniger Leuten schaffen müssen – und unerreichbare Ziele. Das fühlt sich an wie ein kontinuierlicher Sprint ohne jede Pause und tut auf Dauer nicht gut.

Der dritte Aspekt ist geringe Problemlösungskompetenz. Das heißt, wenn die mentalen Werkzeuge, einer beruflichen Belastungslage flexibel zu begegnen und Wege zu finden, damit umzugehen fehlen oder gering ausgeprägt sind – also im übertragenen Sinne: Wenn es nicht möglich ist, für sich selbst kleine Sprintpausen zu entwickeln. Manchen Menschen fällt das nämlich schlicht leichter als anderen. Auch das kann ein Gefühl von Nutzlosigkeit und Ohnmacht erzeugen oder verstärken.

Auf den eigenen Körper zu hören und Reaktionen genau zu beobachten, liefert wichtige Anhaltspunkte für das eigene Stresslevel.

"Wenn die Anforderungen im Job höher sind als die Möglichkeiten der Kontrolle oder die Fähigkeit, mit diesen Anforderungen umzugehen, beeinträchtigt das die psychische Gesundheit und damit steigt die Wahrscheinlichkeit, zu sterben", fasst Erik Gonzalez-Mulé die Ergebnisse der Studie zusammen.

Anders gesagt: Wenn all das mehr oder minder zutrifft, dann ist dein Job schlecht für die Psyche. Und damit potenziell tödlich.

Was sagt eigentlich dein Körper?

Auch, wenn es banal klingen mag: Auf den eigenen Körper zu hören und Reaktionen genau zu beobachten, liefert wichtige Anhaltspunkte für das eigene Stresslevel.

"Zu kurzfristigen Stressreaktionen gehören körperliche Veränderungen, zum Beispiel der Anstieg von Blutdruck und Hormonkonzentration im Blut, und ein negatives Erleben wie Ärger oder Erschöpfung. Diese verfliegen oder erholen sich jedoch, wenn die Stresssituation vorbei ist", erklärt die Wirtschaftspsychologin Professorin Sandra Ohly von der Universität Kassel.

Problematisch wird es, wenn daraus ein Dauerzustand wird. "Dann zeigen sich auch langfristige Gesundheitsschäden wie Bluthochdruck, ein höheres Risiko für Herzinfarkte oder andere Krankheiten", sagt Professorin Ohly. Das sei vor allem dann der Fall, wenn Arbeitnehmende keine ausreichenden Erholungszeiten haben und wiederholt und andauernd negativen Arbeitsbedingungen ausgesetzt sind.

Dazu kommen, wie erwähnt, die psychischen Beeinträchtigungen durch wenig Wertschätzung, geringe Selbstwirksamkeit, Ohnmachtsgefühle. Das variiert selbstredend von Branche zu Branche, von Job zu Job, von Mensch zu Mensch.

Wenn andere Personen empathisch reagieren, gut zureden und Verständnis zeigen, ist Stress eher auszuhalten.
Professorin Sandra Ohly, Uni Kassel

Das lässt sich dagegen unternehmen

Aber es ist nicht alles nur Finsternis und Verdammnis. Wenn zwar die Arbeitsbelastung hoch ist, das Ausmaß an Kontrolle über die Aufgaben beziehungsweise den Job jedoch ebenso, dann geht es laut Studie auch der körperlichen und seelischen Gesundheit besser.

Deshalb empfehlen die Wissenschaftler*innen, dass Unternehmen ihren Angestellten einen größeren Selbstbestimmungsspielraum zugestehen – eigene Ziele formulieren oder Arbeitsabläufe selbst gestalten – und die Anforderungen zu senken. Für besonders höllische Jobs sollten demnach Leute mit ausgeprägten kognitiven Fähigkeiten eingestellt werden.

Auch Professorin Sandra Ohly betont den Autonomie-Aspekt: "Aufbauend auf den Ergebnissen der Studie und früheren Forschungsarbeiten ist es wichtig, Arbeitnehmenden Kontrollmöglichkeiten bei der Arbeit zu geben." Diese Möglichkeiten bezögen sich auf die Methoden, mit denen ein Ergebnis erzielt werde.

Standardisierte Workflows seien zwar durchaus sinnvoll, zum Beispiel zur Orientierung und Qualitätssicherung, aber Unternehmen sollten es Angestellten überlassen, wann sie von diesem Prozedere abweichen. "Ob man das eine oder das andere Werkzeug zur Montage einer Windschutzscheibe benutzt, können Personen oft gut selbst beurteilen", fasst die Wirtschaftspsychologin zusammen.

Dafür ist allerdings Vertrauen von Unternehmensseite zwingend nötig: "In einer Ladenkette darf die Person an der Kasse Stornos selbständig durchführen, in einer anderen Ladenkette muß dafür die Filialleitung gerufen werden", sagt Sandra Ohly. "Die Frage ist, ob diese umständliche Prozedur angemessen ist – oder ob man Kassierer*innen vertrauen kann, diese Entscheidung selbst zu treffen."

Ein weiterer wesentlicher Punkt dabei, mit Stress im Job umgehen zu können, ohne davon krank zu werden, ist laut der Professorin das Umfeld. Also, Kolleg*innen, Vorgesetzte, Kund*innen: "Wenn andere Personen empathisch reagieren, gut zureden und Verständnis zeigen, ist Stress eher auszuhalten, oder kann auch reduziert werden."

Und deshalb sind ein gutes Betriebsklima und eine ausreichende Personaldecke wichtig für die körperliche und seelische Gesundheit – genauso wie für die Performance.

Chance auf Veränderung

Das Allerwichtigste ist, zu erkennen, dass der Job schlecht für die Psyche ist und warum. Dann kann gezielt nach Lösungen gesucht werden.

"Man kann lernen, auch in negativen Situationen das Positive zu sehen oder gelassener zu reagieren, so dass die unmittelbare Reaktion auf Stress nicht mehr so stark ausfällt", sagt Professorin Sandra Ohly. "Das ist anzuraten, wenn die Situation nicht verändert werden kann. Es gehört zum Beispiel zur Arbeit im Callcenter, dass immer wieder ärgerliche Kund*innen anrufen und sich beschweren."

Und in manchen Fällen besteht ja eventuell auch die Chance auf Veränderung. In einem solchen Job ließen sich laut Expertin Allianzen bilden und stressvolle Bedingungen gemeinsam beseitigen oder mindern. Auch hier spiele jedoch die Frage nach Kontrollmöglichkeiten eine Rolle.

Fest steht: Wenn ein Job schlecht für die Psyche ist, dann ist er nachweislich auch schlecht für die Gesundheit. Und die lässt sich nun mal mit keinem Geld der Welt kaufen.